Black Emanuelle 2. Teil - Stunden wilder Lust

Black Emanuelle 2. Teil – Stunden wilder Lust

Von Guy Montag

Irgendwann Mitte der 1990er Jahre muss es gewesen sein, als mir im Spätprogramm erstmals BLACK EMANUELLE 2. TEIL vor die Augen kam – und gefühlt wurde jene kalte Winternacht durch dieses Filmchen ein gutes Stückchen heißer. Wen wundert’s, versprüht der Streifen doch noch heute konsequent eine dampfig-anrüchige Atmosphäre, spielt angenehm häufig in sonnengetränkten Gefilden, vermittelt Urlaubsgefühl mit morbidem Hang zum makabren Trash. Auf der Welt nackteste Reporterin – „Uns Emanuelle“ – ist eben stets Verlass.

„Like A Sailing Ship” – gleich einer blitzeblank polierten, magahonifurnierten Segelyacht, die sich dorthin treiben lässt, wohin die Winde des Meeres es wünschen, genauso unverblümt traumwandlerisch mäandert die weltweit daheimelige Starjournalistin Emanuelle (Laura Gemser) rund um den Globus. Zwar tut es hier lediglich ein Kreuzfahrtschiff – wobei der Film uns weismachen will, dass eine Direktverbindung von Venedig nach Bangkok existiert – doch das schreckt niemanden. Denn die erotischen Aktivitäten der Hauptfigur kennen weder Zeit noch Stunde, geschweige denn Ort; dass Regisseur Joe D’Amato anno 1976 für eine Gegenschnittsequenz zwischen kopulierendem Paar und stampfenden Schiffsmotorkolben keinen Preis für innovative Erotizismen mehr zugesprochen bekam – geschenkt. Denn Emanuelle und ihr Freund (Gabriele Tinti) haben mit ihrer verabredeten polyamoren Beziehung die Fesseln des Bürgerlichen hinter sich gelassen, leben von einem Tag zum anderen, wechseln die Partner und Partnerinnen öfter als manch ein Kinozuschauer seine Unterwäsche. Dass Gemser und Tinti, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits auch im wahren Leben ein Paar und auf dem besten Weg zum Traualtar, harmonieren und ihre Laszivität nicht „markiert“ ist, zeigt sich schon in der ersten Filmszene. In der Dunkelkammer des Fotoateliers knistert die erotische und doch verspielte Nähe der beiden, Tintis stahlblaue Augen nehmen es mit jedem Rotlicht auf.

Bedenkt man die Entstehungsgeschichte des Films – eigentlich hatte der Streifen die konfrontative und in den 1970ern höchst populäre Journalistin Oriana Fallaci portraitieren wollen, wobei die Drehbücher von Piero Vivarelli zu den verschiedenen Handlungsorten dann schließlich auf die erotische Emanuelle-Schiene umgeschrieben wurden – so erweist sich Regisseur D’Amato wiederholt nicht nur als Artist an der Kamera, sondern fährt mit den Erwartungen der Zuschauer ordentlich Schlitten. Nicht nur, dass er die Sexszenen – welche selbstverständlich damals als der Anreißer für das Publikum fungierten und den Kartenabreißern der Kinosäle wunde Daumen bescherten – oftmals wie einen Coitus interruptus abbrechen lässt, auch eine obligate Aufregersequenz muss dabei sein. Diesmal muss sowohl eine Stripteasetänzerin mehrere Ping-Pong-Bälle verkasematuckeln, was aus heutiger Sicht einer gewissen unfreiwilligen Komik anheimfällt, als auch eine Schlange gegen eine Manguste antreten – die Schlange hat das Nachsehen, ich setze 100 Baht auf den Mungo. Somit streift D’Amato erneut Mondo-Film-Gefilde, ein in seinen Erotikstreifen erprobter Kniff zur wirksamen Schocksetzung. Aber für einen Mann, der bereits im Bombenhagel des Vietnamkriegs als Dokumentarist seine Kamera scharfgestellt hatte, schien es ohnehin keine wirklichen Gefahren mehr zu geben.

Dennoch leistet sich BLACK EMANUELLE 2. TEIL ein paar Besonderheiten im Kanon: neben einer robust inszenierten Massenvergewaltigung – die durch Laura Gemsers fluide Natürlichkeit und ihr anschließendes, geradezu unverschämt souveränes Abhaken der Gruppenorgie den Zuschauer etwas ratlos zurücklässt – liefert D’Amato anhand zweier Paare eine Gegenüberstellung verschiedener Lebensmodelle und Partnerschaftskonfigurationen. Abhängigkeiten und Machtverhältnisse werden neu verhandelt, Geschlechterrollen überprüft und nachjustiert – dass am Ehesten die graumelierten Herren vom Schlage Venantino Venantini oder Chris Avram dabei gut wegkommen, ist mir sympathisch und scheint folgerichtig. Nichtsdestotrotz bleibt sich die Filmreihe im Gestus treu, „Düsen-Gemser“ saust mit geschickt platzierten Statussymbolen wie einer DC-10 der Lufthansa oder gleich dem Jumbo-Jet von Bangkok nach Casablanca, steigt natürlich im stets gerne gefilmten 4 Sterne-Hotel Siam InterContinental ab, bewegt sich elegant und geschmeidig durch eine Abfolge an Postkartenmotiven – so viel Weltspiegel war selten im Erotikkino damaliger Zeit.

Ohnehin ein Gewinn ist selbstverständlich die hypnotische Kraft der Sexszenen, bei denen sich sinnliche, durch Weichzeichner verfremdete Bilder, filigrane Musik und esoterisches Kauderwelsch zu einem Gesamtkunstwerk vermengen, das die ganze Klasse D’Amatos aufscheinen lässt. Komponist Nico Fidenco serviert erneut romantisch-exotisches Easy Listening, die vielseitigen Arrangements von Giacomo Dell’Orso verleihen den schummrigen Melodien akustischen Goldstandard. Auch Fidenco versteht D’Amatos ironische Finten, kontert er mit einem an typische Spencer-Hill-Komödien erinnernden und in seiner harmlos-fröhlichen Plumpheit überzeugenden Titelsong die Erwartungen der Hörerschaft süffisant aus. Die hemmungslos aufgeplusterten, mit überkandidelter Bedeutungsschwere aufgeladenen Dialoge sind obendrauf die halbe Miete des Films und hätten jeder Kalenderblattsammlung zu Ruhm und Ehre gereicht. Für die elegischen Voice-over-Kommentare der in München entstandenen deutschen Synchro traten unter anderem Helga Anders, Günther Ungeheuer, Marianne Hoffmann, Elmar Wepper, Reinhard Glemnitz, Rüdiger Bahr und Harmut Neugebauer vor die Mikros.

BLACK EMANUELLE 2. TEIL erschien kürzlich als limitierter DVD-/BD-Comborelease in mehrere Covervarianten im Mediabook, wobei der blitzsaubere Bildtransfer diese Nackedeisause in ganzer Pracht wiederzugeben versteht – auch die Tonspuren (deutsch, englisch, italienisch) machen einen sehr guten Höreindruck. Neben einem zweiunddreißigseitigen Booklet von Martin Beine gehört zu den Extras ein erhellender Audiokommentar von Lars Dreyer-Winkelmann, der erneut in den Emanuelle-Kosmos hinabsteigen darf. Besonders informativ und teils sehr berührend gestaltet sich die spielfilmlange Featurette „Black Velvet Soft Skin“, in der Franco Gaudenzi erzählt, wie er vom Steuerberater zum Filmproduzenten wurde und Bruno Micheli (Regie-Assistent) über die Anfänge der gemeinsamen Karrieren, das Kennenlernen und die Person Aristide Massaccesi berichtet. Neben dessen Sohn Daniele kommen auch Vanio Amici (Schnittmeister), Venantino Venantini (Schauspieler), Piero Vivarelli (Drehbuchautor) und Daniele Stroppa (Drehbuchautor) zu Wort. Sie alle schwärmen von Aristide, von der damaligen Freiheit, von Zeiten, in denen es zur Finanzierung bei den Verleihern oft nur einen fetzigen Plakatentwurf und einen fesselnden Geschichtenerzähler vom Schlage Massaccesi brauchte. Abschließend finden sich die üblichen Dreingaben wie Trailer, Vorspänne und eine opulente Bildergalerie.

Ein Film der Überraschungen, der offenen Enden und Brechungen mit den Erwartungen der Zuschauerschaft; D’Amato düpiert ein ums andere Mal, um dann seinen ganz eigenen Stil zu fahren. Unter Umständen ist BLACK EMANUELLE 2. TEIL der für die Allgemeinheit zugänglichste Erotikfilm der Reihe, da der Regisseur bei allem Hang zur puren Unterhaltung hier nicht vollends auf nackte Tatsachen setzt – es bleibt genug Zeit für das Zwischendurch und Drumherum. Für Fans ein Fest, für Blickriskierer eine Entdeckung – mit Joe D’Amato als Reiseleiter wird jede Kaffeefahrt ein Ritt ins Abenteuer.

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Emanuelle nera: Orient reportage | Italien 1976 | Regie: Joe D’Amato | Darsteller: Laura Gemser, Gabriele Tinti, Ely Galleani, Ivan Rassimov, Venantino Venantini, Giacomo Rossi-Stuart u.a.

Anbieter: Explosive Media