XX ... unbekannt

XX … unbekannt

Von Adrian Gmelch

XX… UNBEKANNT (im Original schlicht X… THE UNKNOWN; das doppelte XX im deutschen Titel sollte wohl den dramatischen Effekt erhöhen) von 1956 ist ein aus heutiger Perspektive purer nostalgischer Filmgenuss von Hammer Films in Schwarzweiß, präsentiert in einer hochwertigen Blu-Ray-Edition von Anolis.

Ein nuklearfressendes Monster

Auf einem Truppenübungsplatz der britischen Armee, nicht weit von Glasgow, suchen Soldaten mit einem Geigerzähler nach einer kleinen, harmlosen versteckten Radioaktivitätsquelle. Einer der Soldaten, Lansing, findet dabei eine weitere, mysteriöse Strahlungsquelle, an der das Grundwasser brodelt. Als die anderen Soldaten beginnen, zu fliehen, gibt es eine Explosion. Lansing, der dem Ereignis am nächsten war, stirbt an Strahlungsverbrennungen, während ein anderer Soldat schwere Strahlenschäden am Rücken erleidet. Am Ort der Explosion befindet sich ein tiefer Riss im Boden, dessen Tiefe nicht erkennbar ist. Dr. Royston (Dean Jagger) vom nahe gelegenen Atomenergielabor in Lochmouth wird zusammen mit Mr. „Mac“ McGill (Leo McKern), dem Sicherheitschef der britischen Atomenergiekommission, zur Untersuchung hinzugezogen. Royston stellt nach längeren Forschungen die Hypothese auf, dass eine Lebensform, die in einer fernen Vorzeit existierte, als die Erdoberfläche noch weitgehend flüssig war, von der Erdkruste eingeschlossen wurde, als diese abkühlte. Nun würde sie versuchen, wieder an die Oberfläche zu kommen, um Nahrung aus radioaktiven Quellen zu finden. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem Royston und seine Kollegen verzweifelt versuchen, das nuklearfressende Etwas aufzuhalten, bevor es zu spät ist …

Der Film spiegelt natürlich die Nuklearangst vor dem Hintergrund des Kalten Krieges wider, der Mitte der 1950er-Jahre so richtig entbrannt war. Die Atmosphäre der nuklearen Bedrückung ist deutlich zu spüren, auch noch für einen Zuschauer des 21. Jahrhunderts. Andererseits muss der Film auch im Zusammenhang der Entwicklung der Hammer Studios betrachtet werden. Der Hammer-Film SCHOCK (1955), im Original QUATERMASS XPERIMENT, der ein Jahr vor XX… UNBEKANNT erschienen war, war ein großer Erfolg gewesen, und nun versuchte man, daran mit einem ähnlichen Film anzuknüpfen. Jimmy Sangster, der als Assistent bei der Hammer-Filmproduktionsgesellschaft arbeitete, verfasste ein Drehbuch, das angenommen wurde: Der Weg für XX… UNBEKANNT war frei.

Nachdem der US-amerikanische Regisseur Joseph Losey nach nur ein paar gedrehten Szenen krankheitsbedingt abspringen musste (der wahre Grund ist aber wohl Loseys linke politische Gesinnung gewesen, denn Hauptdarsteller Jagger fürchtete um seine US-Karriere, wenn er mit jemanden in Verbindung gebracht wurde, der auf der schwarzen Liste stand), wurde er durch Leslie Norman ersetzt. Es war erst Normans zweiter Spielfilm als alleiniger Regisseur. (Danach sollte er Jahre später noch THE LOST CONTINENT (1969) für Hammer drehen.)

Film-Nostalgie pur – mit schönen Extras

Aus heutiger Sicht ist XX… UNBEKANNT ein pures Nostalgie-Erlebnis. Die körnigen, schwarzweißen Bilder, die stimmungsvolle Musik und der Ton (übrigens eine sehr gelungene deutsche Synchronisation), die dramatische, fast theatralische Performance der Darsteller, die gelungenen Spezialeffekte von Les Bowie – all das trägt zu einem wundervollen Filmerlebnis aus der Vergangenheit bei. Und die angenehme Laufzeit von 80 Minuten ist man von heutigen Filmen auch nicht mehr gewöhnt!

Der Film war ein Vorreiter des US-Genre-Klassikers THE BLOB (1958), wo ebenfalls eine form- und gesichtslose Masse ihr Unwesen treibt. Ein interessanter Unterschied besteht aber zwischen beiden Filmen: Bei XX… UNBEKANNT kommt das böse Ding von unten (aus der Erde), bei THE BLOB aber von oben (aus dem All)! Und auch die verschiedene Farbgestaltung (Schwarzweiß vs. Farbe) lässt die Filme fast zu einer diametral entgegengestellten Filmerfahrung werden. Darüber hinaus stellt XX… UNBEKANNT in der Geschichte der Hammer Films eine Wende da, denn danach kehrte man den B-Movies, wie XX… UNBEKANNT einer war, den Rücken und widmete sich „wirklichen“ Horrorstoffen à la Frankenstein und Dracula.

Begleitet wird die Blu-Ray-Edition von Anolis von einem netten Booklet mit einigen interessanten Informationen und vielen Bildern. Die drei verschiedenen Audiokommentare von Uwe Sommerlad, Rolf Giesen und Ted Newson sind ebenfalls hörenswert und liefern spannende Details. Ebenso sehenswert ist das Porträt zu Jimmy „Mr. Hammer“ Sangster (1927–2011), dessen Drehbuch zu XX… UNBEKANNT seine ruhmreiche Karriere bei Hammer begründete.

Filmnostalgiker und Horrorfans können getrost zu dieser wunderbaren Edition von XX… UNBEKANNT greifen!

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XX… Unbekannt | Großbritannien 1956 | Regie: Leslie Norman (u. Joseph Losey) | Drehbuch: Jimmy Sangster | Kamera: Gerald Gibbs | Musik: James Bernard | Darsteller: Dean Jagger, Edward Chapman, Leo McKern, Anthony Newley, James Clark, William Lucas, Peter Hammond, Marianne Brauns u.a. | Laufzeit: 80 Min.

Anbieter: : Anolis Entertainment