Alraune

Alraune

Von Adrian Gmelch

ALRAUNE (1952) von Arthur Maria Rabenalt, in der Tradition der deutschen Horrorfilme der 1920er-Jahre stehend, wird hier in einer hochwertigen Blu-Ray-Edition von Anolis präsentiert. Was darf der Zuschauer mehr als siebzig Jahre nach der Erstveröffentlichung des Films erwarten?

Deutsches Genrekino der Nachkriegszeit

Mit ALRAUNE entstand 1952 einer der ersten deutschen „Horrorfilme“ der Nachkriegszeit. Regisseur Arthur Maria Rabenalt greift bei seiner Inszenierung auf die Motive und stilistischen Elemente der Schauerromantik der 1920er-Jahre zurück und verwebt sie mit der Stimmung der Nachkriegsjahre in Deutschland.

Zur Geschichte: Medizinstudent Frank Braun (Karlheinz Böhm) verliebt sich in die entzückende Alraune (Hildegard Knef), die als Produkt eines wissenschaftlichen Experiments seines Onkels, Professor Jakob ten Brinken (Erich von Stroheim), erschaffen wurde. Der Professor enthüllt Frank, dass Alraune durch das Kreuzen der Erbanlagen eines Mörders und einer Prostituierten entstanden ist. Geschockt von dieser Offenbarung, verlässt Frank Alraune, verlobt sich mit einer anderen Frau und setzt sein Studium in Paris fort. Alraune, verletzt durch die Zurückweisung, nutzt ihre ungewöhnliche Ausstrahlung und Schönheit, um Männer gegeneinander auszuspielen, was zu mehreren Todesfällen führt. Als Frank schließlich zurückkehrt und doch beschließt, Alraune zu heiraten, verliert sie ihre magische Wirkung auf andere Menschen durch die Liebe zu ihm. Ihr Erzeuger, Professor ten Brinken, der Alraune nicht verlieren möchte (immerhin scheint sie ihm Glück und Reichtum gebracht zu haben, zumindest für einen Moment), erschießt sie, um die Hochzeit zu verhindern …

Der Mythos der Alraune

Rabenhalts Film war 1952 bereits (mindestens) die fünfte (!) Verfilmung des Alraune-Stoffs (basierend auf dem Buch Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens [1911] von Hanns Heinz Ewers). Davor hatten sich Mihály Kertész (später als Michael Curtiz bekannt) (1918), Nils Chrisander (1919), Henrik Galeen (1928) und Richard Oswald (1930) daran versucht. Doch worauf geht die Legende der Alraune eigentlich zurück? Und worauf bezieht sich der nicht unumstrittene Autor Ewers bei seinem Buch?

Die Alraune (Mandragora) ist eine Pflanze, die seit dem Altertum in der Mythologie eine besondere Rolle spielt. Sie gehört zur Familie der Nachtschattengewächse und ist für ihre halluzinogenen und giftigen Eigenschaften bekannt. Die Legenden um die Alraune sind vielfältig und oft mit Magie und Aberglauben verknüpft. Gerade in Deutschland entwickelte sich eine ausgeprägte Mythologie dazu. Verschiedene deutsche Autoren wie Grimmelshausen und Achim von Arnim nahmen sich dieser Legende in ihren Novellen und Geschichten an. Die Brüder Grimm waren es schließlich, die aus mittelalterlichen Überlieferungen die Sage des „Galgenmännchens“ formten, deren Elemente bis heute im Kulturerbe verankert sind. Laut dieser Sage entsteht die Alraune aus dem Samen eines Hingerichteten, der auf die Erde fällt. Ihre Ernte ist jedoch gefährlich: Wird sie direkt aus der Erde gezogen, so kann ihr Schrei tödlich sein (Harry Potter lässt grüßen!). Um sie sicher zu gewinnen, bedarf es eines komplexen Rituals. Wird das Alraunenmännchen danach sorgfältig gepflegt, in ein sargähnliches Behältnis gelegt und gebadet, verspricht es Wohlstand und Segen für die Ehe. Diese Vorteile sollen sich sogar auf die männlichen Nachfahren des Besitzers erstrecken, wenn die Alraune vererbt wird.

Hanns Heinz Ewers‘ Roman dreht sich um ein solches vererbtes Artefakt. In dieser Geschichte erschafft ein Geheimrat durch künstliche Befruchtung einer Prostituierten mit dem Samen eines zum Tode Verurteilten das Mädchen Alraune. Dieses Hybridwesen bringt ihm zwar fortwährenden Reichtum, führt aber gleichzeitig die Menschen in seinem Umfeld ins Unglück. Ewers‘ Roman, der in den 1920er-Jahren ein großer Erfolg war, hebt das zerstörerische Element der weiblichen Sexualität (für Männer) hervor, indem er Alraune als verführerische und gnadenlose Frau darstellt.

Ein immer noch aktueller Film

Zu den Highlights des Films zählen ohne Zweifel Hildegard Knef, in der Rolle der mysteriösen Alraune, sowie Erich von Stroheim (der fünf Jahre später verstarb) als der geniale, aber ethisch zweifelhafte Professor ten Brinken. Durch seine Forschungen und Experimente greift der Film das damals revolutionäre und umstrittene Thema der künstlichen Befruchtung auf. Die Figur der Femme fatale Alraune, Ergebnis solch ethisch fragwürdiger Wissenschaft, reflektiert bei Rabenalt durchaus die Ängste und Hoffnungen einer Ära, die von den Schatten des Krieges geprägt war.

Heute, in einer Zeit der CRISPR-Technologie und der Stammzellenforschung, wirft ALRAUNE weiterhin wichtige Fragen auf. Die Möglichkeit, Leben zu erschaffen und zu verändern, hat die Grenzen des Vorstellbaren überschritten. Der Film erinnert uns daran, dass jede wissenschaftliche Entdeckung nicht nur ein Fenster, also eine Chance, sondern auch einen Spiegel darstellt: Der Mensch muss sich fragen, was seine Erfindungen über ihn aussagen und wie sie seine Zukunft formen werden. ALRAUNE beleuchtet, wie der Mensch in übertriebenem Selbstvertrauen versucht, die Natur zu seinem Vorteil zu kontrollieren, ein Thema, das heute relevanter ist als je zuvor.

Die Bild- und Tonqualität der Blu-ray-Ausgabe sind bemerkenswert und verleihen dem klassischen Schwarz-Weiß-Film eine beeindruckende Präsenz im Wohnzimmer. Das Bonusmaterial, darunter Kommentare und ein detailliertes Booklet, bietet eine wertvolle Erweiterung für Filmhistoriker und -enthusiasten.

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Alraune | BRD 1952 | Regie: Arthur Maria Rabenalt | Darsteller: Hildegard Knef, Erich von Stroheim, Karlheinz Böhm, Harry Meyen, Harry Halm, Trude Hesterberg u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment