A young man with high potential

A young man with high potential

Von Oliver Schäfer

“A young man with high potential” – so bezeichnet sein Professor den hochintelligenten Informatikstudenten Piet Carnell. Als klassischer Nerd verlässt der bebrillte, rundliche Piet nur selten seine Wohnung, absolviert seine Vorlesungen nach Möglichkeit online und vermeidet generell den Kontakt mit anderen Menschen. Eines Tages bittet ihn die hübsche Kommilitonin Klara um Hilfe bei einem Projekt. Zuerst lehnt Piet ab, willigt aber schließlich ein, als Klara nicht locker lässt. Beide verstehen sich überraschend gut und in Piet keimen langsam Gefühle für Klara, die jedoch lediglich an einer Freundschaft, nicht an einer Beziehung interessiert ist. Piet betäubt seinen Kummer und die damit einhergehende Schlaflosigkeit mit Online-Sexchats und Schlafmitteln. Als eines Abends Klara vor seiner Tür steht, um ein klärendes Gespräch zu führen, trinkt sie versehentlich sein Schlafmittel und liegt plötzlich betäubt auf Piets Sofa. Das bringt Piet auf gefährliche Gedanken und der Abend nimmt einen schrecklichen Verlauf.
Das Beste, was man über dieses Kammerspiel sagen kann, ist, dass es optisch gelungen ist. Klare kühle Bilder, interessante Bildausschnitte, überzeugende Effekte und zum Schluss subtile Veränderungen des Umfeldes, die den Wandel in der Persönlichkeit des Protagonisten unterstreichen. Die Akteure spielen ihre Rollen überwiegend glaubhaft, auch wenn der Rahmen eines Verhörs durch Amanda Plummer irgendwie seltsam ins Leere läuft. Ansonsten hat der Film zwar Potential, nutzt es aber leider nur ungenügend. Angefangen von der klischeehaften Ausgangslage des typischen Computernerds, dem jegliche soziale Kompetenz abgeht, über meilenwert vorhersagbare “Zufälle”, die den titelgebenden Charakter in Bedrängnis bringen, bis hin zu manch vollkommen realitätsbefreiter Aktion, die einen möglichen Spannungsaufbau untergräbt, bleibt hier leider nur ein blasser kleiner Thriller, der als Fingerübung akzeptabel sein mag, die meisten Thrillerfreunde allerdings ziemlich unbefriedigt zurücklassen dürfte.
Zwischendurch fragt man sich da schon mal, ob es sich hier vielleicht um unfreiwillige Satire handeln könnte, aber auch die wäre eher unterentwickelt. Und so mäandert der Film unentschieden vor sich hin und vermag weder Spannung, Witz noch eine ordentliche Charakterisierung zu entwickeln. Alles bleibt an der kühlen grauen Oberfläche, was selbst die sparsamen 86 Minuten erheblich länger erscheinen lässt. Für mich ein klarer Fall von verpasstem Potential.
Sehr lobenswert ist allerdings die von Forgotten Film Entertainment herausgegebene Special Edition im schönen Pappschuber. Neben der Blu-ray des Films enthält sie eine CD mit dem Original Soundtrack, sowie ein hochwertiges und informatives zweiunddreißigseitiges Booklet. An Extras enthält die Blu-ray den Kurzfilm: The Boy Who Wouldn’t Kill, die Featurette „Let the Material Speak“, das Portrait „The Art of Linus de Paoli“, sowie einen Audiokommentar mit Linus & Anna de Paoli und Interviews vom Frightfest und FF Straßburg.

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A young man with high potential | Deutschland 2018 | Regie: Linus de Paoli | Darsteller: Adam Ild Rohweder, Paulina Galazka, Pit Bukowski, Amanda Plummer, Laurence Toothooft, Sheraz Khan u.a.

Anbieter: Forgotten Film Entertainment