Die Frau in Schwarz 2: Engel des Todes

Die Frau in Schwarz 2: Engel des Todes

Von Peter Clasen

Die wiederbelebte britische Horrorfilmschmiede „Hammer“ legt noch eine Schippe drauf: Nach Teil eins, der kurz vor dem Ersten Weltkrieg spielte und mit Daniel „Harry Potter“ Radcliffe einen echten Star hatte (seine Geschichte war leider auserzählt), kommt nun das Sequel, das mitten im Zweiten Weltkrieg spielt. Hauptdarsteller sind die noch unbekannte, aber sehr angenehme Phoebe Fox, Jeremy Irvine, Steven Spielbergs Pferdebursche im Kriegsdrama WAR HORSE (Gefährten; USA 2011) – sowie das titelgebende Schreckgespenst, das einfach keine Ruhe geben will…

die.frau.in.schwarz.2.2014.cover2London 1941, die Stadt wird von den Deutschen bombardiert. Um die Kinder zu retten, werden viele von ihnen evakuiert – in diesem Fall an einen Ort, der nicht minder gefährlich ist, aber das ahnt noch niemand. Die junge Lehrerin Eve Parkins und ihre ältere Kollegin Jean Hogg ziehen mit acht kleinen Schülerinnen und Schülern in eine baufällige Villa in der Marsch – drinnen scheint es zu spuken, draußen droht das gefahrvolle Wechselspiel von Ebbe und Flut, und auf allem drückt der Alb des Krieges. Tatsächlich ertrank hier einst der siebenjährige Nicholas, ein Kreuz im Watt mahnt noch immer an seinen Tod. Folgt Schüler Edward jetzt dessen tragischer Spur? Der im Bombenhagel zur Vollwaise gewordene und darob verstummte Junge hat Nicholas’ Kinderzimmer betreten und ist danach erst recht verstört. „You let him go“ (Du hast ihn im Stich gelassen) schreibt er auf eins seiner Zettelchen und gibt es Eve. Was treibt Edward tatsächlich um, was hat der Alptraum der stets freundlich lächelnden Eve zu bedeuten, welches düstere Geheimnis verbirgt der nette RAF-Pilot Harry, der unweit von hier stationiert ist, und wer ist die geisterhafte Frau in Schwarz, die Eve hier zu sehen glaubt?

Filme wie diesen gibt es fast nicht mehr, das ist wohl auch der Grund dafür, dass Kritiker ihn mit Achselzucken quittieren, Innenstadtkinos ihn gar nicht erst programmieren und Randbezirksmultiplexe ihn in der Nachtschiene versenken. Wieder mal ein tragisches Beispiel dafür, wie vieles, was nicht Hollywood ist, unverstanden bleibt, mies gemacht wird und kommerziell nur noch scheitern kann. Nein, dies ist kein US-Horrorknaller voller Teens und Titten, Gags und Gore, pausenloser Actionorgien und Trickgewitter (auch wenn es hier sehr wohl Paukenschläge setzt), sondern subtiles, behutsam erzähltes britisches Geisterkino, das uns nasskalt die Beine hochzieht, das die Ursachen des Grauens im Verlustschmerz seiner vier hauptsächlichen Protagonisten Edward, Eve, Harry und der Frau in Schwarz findet, das also reale, existenzielle Krisen in filmischen Schrecken ummünzt, ihn dabei aber nicht in krude Schocks übersetzt, sondern in Bilder von lähmendem Entsetzen – und in bestürzend traurige, fast zärtliche Detailaufnahmen von kaputtem, gefleddertem, einst geliebtem Spielzeug, mit dem niemand mehr spielt.

die.frau.in.schwarz.2.2014.still4Vielleicht ist es auch dieser paradoxe Gegensatz, der verstört: Die Stimmung ist düster-poetisch, die armen Menschen sind traumatisiert, doch der Horror ist rabiat und fürchterlich. Auch verletzt der Film das Tabu, tote bzw. sterbende Kinder zu zeigen, auch wenn es hier in keineswegs spekulativer Weise geschieht. Wer keine ständige, laute Ablenkung braucht, wer sich noch auf Bilder und Stimmungen einlassen kann und wem die europäische Geschichte nicht ganz fremd ist, wird mit einem sorgfältig und nicht ganz unaufwendig gestalteten Geisterdrama belohnt, bei dem man sich endlich wieder ein bisschen „zuhause“ fühlen darf.

Der Film pflegt die feine britische Tradition historisierender Spukfilme und Psychothriller wie GASLIGHT (Gaslicht; GB 1940; R: Thorold Dickinson), THE INNOCENTS (Schloß des Schreckens; GB 1961; R: Jack Clayton), HAUNTED (Haunted – Haus der Geister; GB/USA 1995; R: Lewis Gilbert) oder THE AWAKENING (GB 2011; R: Nick Murphy) – nicht zu vergessen den stilbildenden viktorianischen Ladygrusel-Klassiker THE WOMAN IN WHITE nach dem Roman der Britin Wilkie Collins, der freilich in Hollywood erstverfilmt wurde (Das Geheimnis der Frau in Weiß; USA 1948; R: Peter Godfrey), weitere US-Pendants dürften den meisten geläufig sein, vor allem DEAD SILENCE (USA 2007; R: James Wan) wäre hier zu nennen. Für Kenner gibt es übrigens auch leichte Anklänge an den J-Horror à la RING (Ring – Das Original; Japan 1998; R: Hideo Nakata; –> das Loch in der Zimmerdecke!) oder JU-ON (Ju-on – The Grudge; Japan 2002; R: Takashi Shimizu; –> die Bettdecke!).

Lauter gute Empfehlungen also, für sich selbst und für DIE FRAU IN SCHWARZ 2: ENGEL DES TODES. Wie meinte eine Zuschauerin nach Ende meiner Kinovorstellung doch so schön: „Und wir müssen jetzt im Dunkeln nach Hause…“

Erschienen im TV Spielfilm Blog

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The Woman in Black 2: Angel of Death (Die Frau in Schwarz 2: Engel des Todes), Großbritannien/Kanada 2014 | Regie: Tom Harper, Buch: Jon Croker, Susan Hill | Mit: Phoebe Fox, Jeremy Irvine, Helen McCrory, u.a. | Laufzeit: 98 Minuten, Verleih: Concorde (Kinostart: 19.02.2015).