Nocta

Nocta

Von Shamway

Es gibt da diese Kellerparty in NOCTA, in der einzelne Gäste und das Geburtstags-„Kind“ (das Protagonist Ernst trotz 40 Jahren tatsächlich noch ist) auf die Bühne gehen und einen Song zum Besten geben. Dabei handelt es sich um selbst komponierte Songs, absichtlich falsch gesungen vor einem Publikum von guten Freunden. Damit umgeht man nicht nur den Einkauf von Musikrechten, die sich so ein Film nicht leisten kann, zeigt aber zugleich, dass man selbst so gute Kompositionen und Texte hinkriegt, dass die Zuschauer ihren Spass haben können.

Diese Musikszenen in der Mitte des Films sind bezeichnend: So charmant darf man sich nämlich heute eine semiprofessionelle Filmproduktion vorstellen, die früher in Splatting Image unter der Rubrik „Jungmutationen“ besprochen worden wäre. NOCTA ist ein Film, dem man sofort ansieht, dass sich hier Freunde und Bekannte zu einem gemeinsamen Spaß zusammengefunden haben. Ein Spaß, der allerdings sehr gut geplant und durchdacht wurde. Gut getextet, gut ge-FXt, gut gedreht. Ein Spaß, den Crippler Criss und Master W nicht zum ersten Mal durchziehen: Der erste Spielfilm der deutschen P.S.Y.C.H.O. Productions, DAS GEHEIMNIS DER ZAUBERPILZE, datiert auf 2009 zurück und landete damals im Vertrieb von Troma.

Auf diesem Ritterschlag ließ sich aufbauen. Und tatsächlich lässt auch das neueste Werk der deutschen Produktion, NOCTA, keine Langeweile aufkommen. Jedenfalls bei all jenen, die gern viel spritzendes Blut (und noch so einiges Flüssiges mehr) sehen. Ja, NOCTA ist ein exzessiver Blutspritzerfilm, weniger professionell geshootet als etwa Joe Begos’ BLISS, dafür geht er dramaturgisch mit sanfterer Klinge vor. Der Film setzt nicht nach bereits wenigen Minuten mit roten Fontänen ein, sondern baut eine Geschichte auf, der wir auch gern zuschauen. Die Sprechszenen mögen nicht immer perfekt gespielt sein, doch die Dialoge und das Timing sind meist gelungen. Peinlichkeit gibt‘s woanders.

Das eingangs erwähnte 40jährige Söhnchen Ernst (Jim Aal) wohnt mit seinem alleinstehenden Vater in einem höchst christlichen Männerhaushalt. Ernst lebt also enthaltsam. Nicht nur in Bezug auf Alkohol, Freunde oder Drogen – nein, er hatte auch noch nie eine Beziehung zu einer Frau. Als der Schlosser Till (Sebastian Zeglarski) ihm aus dem Nichts heraus vorschlägt, für ihn eine Geburtstagsparty zu organisieren, sagte der naive Ernst zu. Insbesondere freut sich Ernst darüber, dass Till ihm auch noch eine Frau vermitteln will. Dass die Vorstellungen, wie eine Geburtstagsparty aussieht und wie keusch eine Frau zu sein hat, dabei diametral auseinander gehen, muss wohl nicht erwähnt werden.
Dabei ist Tills Wohltätigkeitsverein „From Dusk till Dawn“ kein Gangsterverein, sondern einfach eine fröhliche Truppe unterschiedlicher Charaktere, die gern Party machen, Alkohol in sich reinschütten und Death Metal hören – und sich dafür ebenso gern eine Nacht lang bei fremden Leuten einnisten. Keine bad vibes also, die Truppe vergreift sich nicht einmal an den Heiligenfigürchen im Gebetsraum des Kellers. Dass mit ihrer alten Freundin Nocta (Resa Elstner) etwas nicht stimmt, konnten sie ja auch nicht ahnen. Und dass Ernst sofort verliebt ist, kann den Blutrausch auch nicht mäßigen: „Sie ist nicht wie die anderen Frauen … mehr wie Maria (…) kein Mensch, ein Engel.“

Dass in NOCTA nicht ausschließlich Blut aus pumpenden Adern spritzt, sondern auch ganz andere Körperausscheidungen zum Zug kommen, hat im skatologischen Fall was Urdeutsches, ist in anderen Fällen durchaus überraschend, und wird auch dramaturgisch gut eingesetzt. Besonders die Schlußszene sei hervorgehoben.
Ach ja, dann ist da noch Schabbi (Raping Ras), der dunkelhäutige „Afrogermane“, der einen Großteil des Films mit Witz und seinem guten Spiel zu tragen weiß. Als Muslim mit nicht so dringendem Bedürfnis nach strikten religiösen Regeln ist er der beste Mittelsmann zwischen Ernst und dem Rest der Welt. Er führt den Film und führt durch den Film, und dass er eben gerade dunkelhäutig und nicht-so-islamisch ist, zeigt, dass es auch heute noch Gemeinschaften gibt wie früher in den Achtzigern, in denen sich einfach coole Leute zusammengefunden haben, inklusive schwul, Säufer, dick, versifft, Metalhead, Techno-DJane, Vampir oder Zombie. Nur Nazis kriegen einen Ausschluss.

Der alte Horrorfilmtopos von religiöser Verblendung wird in NOCTA auf durchaus gefällige und liebevolle Weise wahrgenommen. Auch wenn es am Ende nur um das Eine geht: Blut.

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Nocta, Deutschland 201 | Regie, Schnitt: Crippler Criss & Master W | Drehbuch: Master W | Darsteller: Resa Elstner (Nocta), Jim Aal (Ernst), Sebastian Zeglarski (Till), Raping Ras (Shabbi), Willa, Meta Morphosia, Jens Schütte, Marc Gore u.a. | 89min.

Anbieter: P.S.Y.C.H.O. Productions