Mondo Sangue: Giallo come il giorno

Mondo Sangue: Giallo come il giorno

Von Christopher Klaese

Nach L’ISOLA DEI DANNATI (2016) gefeierter Verbeugung vor den Scores italienischer Kannibalenfilme der 70er Jahre, NO PLACE FOR A MAN (2018), Huldigung des ikonischen Sounds der legendären Spaghetti-Western und VEGA-5: AVVENTURE NEL COSMO (2020), Würdigung des klanglichen Kosmos’ kultiger Weltallactioner aus Cinecittà, erschien mit ROSSO COME LA NOTTE (2021) schließlich die Liebeserklärung des Stuttgarter Duos MONDO SANGUE an den stilprägenden Klang der italienischen Psycho- und Krimithriller; exakt gesagt, des Giallo. Da aber dieser immerwährenden Amoure nicht allein mit zwei Schallplattenseiten Genüge getan scheint, gibt es jetzt mit GIALLO COME IL GIORNO eine 10“-EP als ersehnten Nachschlag – und der hat es in sich.

Auch für den fünften Streich aus der Werkstatt der Soundtüftler – in persona Christian ‚Bluthardino‘ Bluthardt und Sängerin Yvy Pop – haben sich MONDO SANGUE wieder eine konzeptionelle Storyline ausgedacht, anhand derer sie nicht nur die Tracklist ihres Albums wie blitzende Kleinode an einer Perlenschnur entlangspinnen, sondern auch den transalpinen Geist einstiger Giallo-Koproduktionen adaptieren, in denen sich selbstungewisse und psychisch derangierte Damen in einer von feindseligen Männern bevölkerten Großstadt ihrer Haut wehren mussten. So irrt Barbera, die Frau ohne Gedächtnis, durch ein malerisches Hamburg, nach einer Hypnosesitzung im Zweifel, ob sie nicht in Wahrheit ein eiskalter Todesengel sein könnte.

Die Schallplatte, die sowohl als Soundtrack zu einem imaginären Horrorfilm wie auch als formidables Konzeptalbum gelesen und gehört werden kann, offenbart erneut Bandbreite und Einfallsreichtum der beiden Urheber. MONDO SANGUE zeigen sich wiederholt als Kenner und Kennerin der Materie, die mit leichter Hand den charakteristischen Sound alter Meister in ihren eigenen Klangraum überführen. Noch dazu emanzipieren sie sich hier – wie ihre einstigen Vorbilder, denen mit ihren Soundtracks stets mehr als „nur“ Filmmusiken, sondern eigenständige Werke gelangen – hin zum selbstbewussten Pop, versprühen herrlich anachronistischen und dennoch heutigen Charme. Elegische Instrumentals mit Cembalo-Triolen und hallverstärkten Mädchenschreien sind dabei, forsche Groovemonster reiten auf den hart geschlagenen Seiten des E-Bass‘ und den forschen Schlägen der Drums auf und davon.

Christian Bluthardt, Multiinstrumentalist und J&B-Gourmet, erweist großen Vorbildern die Ehre und führt sie gekonnt im ganz heutigen Kontext weiter – Ivy Pop, ‚Schwarzwald-Edda‘ und musizierendes Sprachwunder, veredelt mit ihrer warmen und geheimnisvollen Aura die Songs zu flirrenden Perlen voller Überraschungen. Ihre Duette mit den kollaborierenden Genreliebhabern Eric Pfeil („Donna senza memoria“) und Bela B („Pandemonium“) lassen die Hörerschaft dann dahinschmelzen. Bei „Hypnosis“ unterstützt Dirk von Lowtzow – Frontmann der Gruppe Tocotronic – das Gespann, während sich in der Singleauskopplung „Schöne fremde Frau“ niemand geringeres als der mit Croonerqualitäten gesegenete Rocko Schamoni dazugesellt. Im dazugehörigen Videoclip schaut gar Schamonis Studio Braun-Kollege und Langzeitbekannter Heinz Strunk vorbei, der anscheinend die schönsten Urlaubsfotos am sonnendurchfluteten Strand macht.

Das rührige Allscore-Label verpackt all dies erneut stilvoll, die limitierte LP ziert ein extrem fein gezeichnetes und den Geist klassischer Filmplakate aufnehmendes Artwork von Adrian Keindorf. Man lasse also den Tonabnehmer sanft in die Plattenrille gleiten, setze den Kopfhörer auf und lasse sich entführen in eine kraftvoll-elegische Traumwelt aus Noten, Klang und Poesie. Grazie mille, MONDO SANGUE, e continuate così!

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Mondo Sangue – Giallo Come Il Giorno, lim. Vinyl-LP (444 handnummerierte Expl.), LP ASM 052, D 2022

Erschienen bei Allscore