Mondo Sangue - rosso come la notte

Mondo Sangue – rosso come la notte

Von Christopher Klaese

Nach L’ISOLA DEI DANNATI (2016), gefeierter Verbeugung vor den Scores italienischer Kannibalenfilme der 70er Jahre, NO PLACE FOR A MAN (2018), Huldigung des ikonischen Sounds der legendären Spaghetti-Western und VEGA-5: AVVENTURE NEL COSMO (2020), Würdigung des klanglichen Kosmos’ kultiger Weltallactioner aus Cinecittà, erschien nun endlich der vierte Streich des Stuttgarter Duos MONDO SANGUE. Nach schlammigem Urwald, sandversetzter Westernstadt und schwerelosem Weltraum geht es für das neueste Werk aus der Werkstatt der Soundtüftler – in persona Christian Bluthardt und Sängerin Yvy Pop – aus dem urbanen Mailand in den nebelverhangenen Schwarzwald und mitten hinein in den stilprägenden Klang der italienischen Psycho- und Krimithriller; exakt gesagt, des Giallo.

Die Schallplatte, die sowohl als Soundtrack zu einem imaginären Horrorfilm wie auch als formidables Konzeptalbum gelesen und gehört werden kann, offenbart erneut Bandbreite und Einfallsreichtum der beiden Urheber. MONDO SANGUE zeigen sich wiederholt als Kenner und Kennerin der Materie, die mit leichter Hand den charakteristischen Sound alter Meister in ihren eigenen Klangraum überführen. Mag man bei der erdachten Filmidee unwillkürlich an SUSPIRIA (1977) denken und vor dem geistigen Auge Jessica Harper durch ein Technicolor-Freiburg irren sehen, in dem es dauernd wie aus Kübeln regnet, so merkt man schon nach dem Herabsenken des Tonarms in die ersten Plattenrillen, dass hier richtig dick und fett viel Musik drin ist.

Elegische Instrumentals mit Cembalo-Triolen und hallverstärkten Mädchenschreien sind dabei, forsche Groovemonster reiten auf den hart geschlagene Seiten des E-Bass‘ und den forschen Schlägen der Drums auf und davon. Melancholische Klavierakkorde lassen vermuten, Bruno Nicolai habe für ein paar Takte noch einmal seinen Astralleib herabgeschickt, klagende Frauenstimmen könnte hingegen ein mahnender Ennio Morricone hinterherdelegiert haben. Brettharte Prog-Rock-Akzente entführen uns in die wohligen Zeiten der Großtaten Goblins, schummrige Melodiebögen aus der Schreibstube eines Stelvio Cipriani gemahnen an jene Tage, als das Genrekino noch in vollem Saft stand. Vielleicht sollte sich der ein oder andere heutige Filmemacher einfach diese Scheibe auflegen um zu verstehen, worauf es ankommt: auf Emotion, Liebe, Enthusiasmus, Bauchgefühl, Stilsicherheit, Perfektion – MONDO SANGUE könnten, ja sollten Schule machen.

Christian Bluthardt, Multiinstrumentalist und J&B-Gourmet, erweist großen Vorbildern die Ehre und führt sie gekonnt im ganz heutigen Kontext weiter – Ivy Pop, ‚Schwarzwald-Edda‘ und musizierendes Sprachwunder, veredelt mit ihrer warmen und geheimnisvollen Aura die Songs zu flirrenden Perlen voller Überraschungen. Ihre Duette mit den kollaborierenden Genreliebhabern Eric Pfeil („Taxi Auriga“) und Bela B („To Hell“) lassen die Hörerschaft dann endgültig dahinschmelzen – der Mond zieht auf, die Schatten werden länger.

Das rührige Allscore-Label verpackt all dies stilvoll, die LP im Klappcover ziert ein extrem fein gezeichnetes und den Geist der klassischen Gialli aufnehmendes Artwork von Adrian Keindorf – das beigelegte Poster sollte bei Käufern schleunigst den Weg an die Wand finden. Abgerundet durch die im Inlay abgedruckten Songtexte erweist sich die limitierte Edition als unbedingte Anschaffung für alle Fans von MONDO SANGUE und des Giallo-Genres allgemein – und auch für jene, die es werden wollen und solche, die noch gar nicht wissen, dass sie es irgendwann sein werden. Grazie mille, MONDO SANGUE, e continuate così!

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Mondo Sangue – Rosso come la notte | lim. Vinyl-LP (666 handnummerierte Expl.) mit DIN A2-Plakat | LP ASM 050 | D 2021 | erschienen bei Allscore