Monster Dog

Monster Dog

Von Guy Montag

Schon Voltaire und der gute, alte Erasmus von Rotterdam wussten, welchem Tier des Menschen Herz gehört: der Hund kann sich’s stolz an die vom Hecheln bebende Brust heften, dass er seit Jahrhunderten Herrchen und Frauchen liebstes Ding ist. Vom Schnauzer bis zum Mops, vom Dober bis zum Goldie – die Mehrheiten sind klar verteilt. Doch … Spitz, pass auf … wo landet man, wenn man sich in einer spanischen Villa am Hinterteil der Welt einmietet, Alice Cooper den Reiseführer macht, Vollmond ist und Claudio Fragasso als Hundetrainer bereitsteht? Dann wird es neblig, blutig und kreuzgefährlich, denn der MONSTER DOG hat die Nachtwache.

Vince Raven (Alice Cooper), vom Tourneeleben und ewigen Plattenaufnahmen ausgezehrter Rockstar, zieht es zu Erholung und Inspiration mit neuen Ideen „back to the roots“. Mit seiner Freundin Sandra (Victoria Vera) und einem kleinen Filmteam kehrt er zurück in sein Elternhaus, dass jedoch eine düstere Familiengeschichte beherbergt. Denn anstatt der Sommerfrische wird die Gruppe – die eigentlich nebenbei noch ein neues Musikvideo filmen will – nicht nur von düsteren Visionen, Alpträumen und einer ganzen Horde hinterwäldlerischer Dorfbewohner belagert, sondern auch eine Armada freilaufender Hunde ganz ohne Beschützerinstinkt macht sich auf die Jagd nach ihnen … und als der Vollmond im Zenit steht, bekommt der Terror vier Pfoten.

Wenn es „Coming-of-Age“-Filme gibt, existieren dann eigentlich auch „Coming-back-home‘-Streifen? Ein solcher Fall ist wohl MONSTER DOG, denn wenn Alice Cooper in sein Elternhaus heimkehrt, wackelt der neblige Wald und feiern die Exzesse fröhlich Urständ. Mit dem eröffnenden Song „Identity Crisis“ ist im Grunde schon alles gesagt, die Marschrichtung klar. MONSTER DOG, den Regisseur Fragasso mit kleinem Team, aber umso größerem Enthusiasmus in Spanien herunterkurbelte, hat zwar zugegebenermaßen ein paar kleine Logiklöcher im Gepäck und das Design der Titelfigur hätte ruhig für etwas mehr Screentime Anlass gegeben, dennoch kann sich der Film absolut sehen lassen und zeigt, dass Fragasso die Bewerkstelligung von Spannung und Atmosphäre sehr gefällig hinbekam. Im Grunde verziert der Subplot um die Backwood-Bevölkerung, die schlussendlich den Bewohnern des Landhauses mit unzweideutig schlechten Absichten zu Leibe rückt, den Film mit Referenzen an große, zumeist amerikanische Vorbilder, an denen sich von Aldo Lado bis Ferdinando Baldi auch schon viele mal abgearbeitet hatten. Alice Cooper schließlich zeigt, dass er als Schauspieler keine schlechte Figur abgibt und – wenn auch die Rolle sehr stark an seiner eigenen Person orientiert ist und mit den Inszenierungsmerkmalen seiner Bühnenpersönlichkeit genüsslich hantiert – er dem Film ungemein guttut.

Genrefreunde haben einen Regisseur wie Claudio Fragasso natürlich schon von alters her auf dem Zettel, skriptete der Mann doch patente Genreware wie TOTE PFLASTERN SEINEN WEG (1976), DAS SÜSSE LEBEN DER NONNE VON MONZA (1980) oder ZOMBI 3 (1988) und assistierte Schlonzmeistern wie Mario Bianchi und Bruno Mattei bei der Arbeit. Obgleich er mit seinen Inszenierungen in jene Zeit hineingeriet, als der italienische Genrefilm in den Niederungen der Unterfinanzierung jenseits großer vergangener Tage vor sich hinsiechte, ließ es sich Fragasso nicht nehmen, mit Zelluloidexplosionen wie RIFFS III – DIE RATTEN VON MANHATTEN (1984), DAS BÖSE IST WIEDER DA (1989) oder TROLL 2 (1990) ganze Arbeit zu leisten und der direct-to-video-Fraktion ordentlich was zu beißen anzubieten. Dass er darüber hinaus auch immer etwas Sozialkritik in seine Werke einzustreuen wusste, war vielleicht damaligen Zuschauern gar nicht so gegenwärtig, aus heutiger Sicht lässt sich jedoch manches in diesen schnell gefilmten Werken erkennen.

Für viele Fans machte MONSTER DOG einst enormes Videothekenkultpotential aus, erschien er doch im Mai 1987 trotz FSK 18-Freigabe nur zensiert auf VHS-Kassette in Deutschland. Nichtsdestotrotz wurde der Streifen nur ein Jahr später indiziert und verweilte volle 25 Jahre im Giftschrank, eh sich 2013 jemand erbarmte und diesen Hund von der Kette ließ beziehungsweise ihn von der Liste strich.

Als Blu-ray-/DVD-Komboveröffentlichung in zwei Covervarianten hat nun Camera Obscura vor einiger Zeit diese kleine Perle aus den Hochzeiten der Videothekenkultur hochauflösend veröffentlicht – und der erstellte Transfer ist für wahr eine Schau, zeigt er doch zwar immer noch nicht mehr von dem titelgebenden Hund, so aber doch den Film in einer farblichen Brillanz und bildlichen Schärfe, wie man sich es hätte wohl kaum zu träumen gewagt. Neben dem englischen Originalton ist die damalige deutsche, in West-Berlin entstandene Synchronisation an Bord, die dank so hervorragender Sprecher wie Joachim Kerzel als Alice Cooper sowie Helmut Krauss, Friedrich W. Bauschulte, Katja Nottke (Tochter von Sprecherurgestein Joachim Nottke) oder Judith Brandt (Tochter von Ursula Heyer und Rainer Brandt) als sehr gelungen bezeichnet werden kann. Die mit repetitiven Soundeffekten arbeitenden Synthesizerklangflächen kommen druckvoll aus den heimischen Lautsprechern, die selbstironisch gefärbten Songs von Cooper klingen voll und fetzig an die Ohren der Zuschauer.

Als Extras ist die „Ballad Of Vincent Raven“ vertreten, in der ein sehr sympathisch rüberkommender Hauptdarsteller Alice Cooper von seinen Beweggründen und Erfahrungen zum Filmdreh berichtet, während sich für „Lord Of The Dogs“ der Regisseur Claudio Fragasso, seine Ehefrau und Schaffensgefährtin, Drehbuchautorin Rossella Drudi, sowie der damalige Produktionsleiter Roberto Bessi vor die Kamera begeben haben und freimütig über die damaligen Produktionsbedingen und Szenegegebenheiten im dahinsiechenden Italokino berichten. Die kleine Featurette „A Bark From Hell“ mit dem in der Vorproduktion tätigen Creature Designer Antonello Geleng rundet diese Passage ab. Die entfallenen Szenen lassen erkennen, dass diese Straffungen dem Film sicher gutgetan haben. Neben dem deutschen und englischen Trailer sind eine Bildergalerie sowie ein ausführliches Booklet von Christoph N. Kellerbach zur Veröffentlichung gehörig, was insgesamt wieder mal ein Fleißbildchen für das Label rechtfertigt.

MONSTER DOG ist fern davon, ein rubrizierter Klassiker zu sein, doch als unterhaltsames Filmchen, um in Erinnerungen zu schwelgen, ist er gerade richtig – an Zeiten, wo noch eine D-Mark zu löhnen war, wenn die Kassette nicht zurückgespult wurde. Dank Blu-ray kann man sich Alice Cooper nun mit einem Tastendruck immer wieder ansehen. In diesem Sinne: junger Hund zum Mitschauen gesucht.

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Leviatán | ES 1984 | Regie: Claudio Fragasso | Darsteller: Alice Cooper, Victoria Vera, Carlos Santurio, Pepa Jose Sarsa, Pepita James, Emilio Linder u.a.

Anbieter: Camera Obscura