God Loves the Fighter

God Loves the Fighter

Von Christopher Klaese

„Du siehst den Ort, den wir Trinidad nennen. Er ist geteilt: westlich vom Leuchtturm, da hocken die Bonzen. Aber im Osten, da ist das Schlachtfeld; die ‚Blood City‘, die ‚Gun Town‘. Miese Typen – Gangster. Jedermann sieht alles, aber mich sehen sie nicht. Jedermann horcht, aber hören tun sie nicht. Ein schlagendes Herz sollte mehr wert sein als ein ganzer Sack Diamanten. Ja, ich sag‘ euch die Wahrheit!“

Cover-FIGHTERSo spricht King Curtis (Lou Lyons), der vagabundierende Erzähler von GOD LOVES THE FIGHTER. In den Straßen des Armenviertels von Port of Spain ist er nicht weniger als ein König – ein König der Chronisten. Denn er kennt die Geschichten, die dieses Viertel bewegen. Er kennt die Lebensläufe, er sagt die Wahrheit. Er berichtet von Charlie (Muhammad Muwakil), einem der auszog, wenigstens mit krummen Geschäften ein bisschen Geld zu machen. Charlie wendet sich an Stone (Abdi Waithe), einen alten Kumpel, der sich aus demselben Dreck ein Stückchen nach oben geprügelt hat. Ein kleiner Gangster mit dem Finger am Abzug. Er organisiert Charlie einen Job, als Bei-fahrer von Moses (Simon Junior John). Moses ist Taxichauffeur und dem ist egal, was er chauffiert. Er kann es sich denken, denn er beliefert Putao (Darren Cheewah), einen miesen Sack von Zuhälter. Drogendealer, Erpresser. Nichts Besonderes also in ‚Blood City‘. Doch in Putaos Spielhölle trifft Charlie auf Dinah (Jamie Lee Phillips), eine Prostituierte. Sie ist anders als die anderen. Und wie das Schicksal es selbst in der ‚Gun Town‘ so will, kommt dank Dinah auch für Charlie der Augenblick, an dem er sich entscheiden muss – denn „Gott liebt den Kämpfer“!

Willkommen in Port of Spain. In den Elendsvierteln der Hauptstadt von Trinidad-Tobago spielt GOD LOVES THE FIGHTER. Ein bizarrer, wundervoller, glühender, dreckiger, roher, ehrlicher, vibrierender und zutiefst menschlicher Film – voller Gottvertrauen. Mit drastischer Realistik taucht Regisseur Damian Marcano tief ein in dieses Gewirr aus Schicksalen, verknüpft kleine Biographien zu einer spannenden Geschichte. Doch nicht um der Geschichte willen, hier wird nichts aufgesetzt. Es geht um die Menschen, um die kleinen Freuden, alltäglichen Streitereien und lebensbedrohlichen Dramen. Es ist ein Portrait von Lebensverhältnissen, die sich die Bewohner der Ersten Welt wohl nie ausmalen können – doch dies zumindest abstrakt erfahrbar zu machen, soweit es anhand eines Filmes überhaupt nur geht, das gelingt Marcano auf wundersame Weise. Man dringt ein in diesen Moloch, diese düstere Stadt, die für viele zur Nekropole geworden ist und noch oft werden wird – statistisch stirbt hier alle 17 Stunden ein Mensch durch Mord und Totschlag. Doch damit umgehen gelingt nur den Kämpfern – „Gott liebt die Kämpfer!“

FIGHTER-02Denn bei aller Tragik, bei allem Furchtbaren bei allem Kampf um das tägliche Brot – Gott ist da. Ob als Wandmalerei in den finstersten Hinterhöfen, als nickende Figur auf der Taxiarmatur, ob in der nicht mal halbvollen ‚Kathedrale der unbefleckten Empfängnis‘ – Gott ist da. Und es gibt den Pfarrer, der mindestens genauso streetwise ist wie diejenigen, die zu ihm kommen. „Bei alledem, was ich in meinem Leben verbockt habe, weiß ich nicht, ob Gott mich überhaupt liebt“. Das fragt Dinah während der Beichte, mit schlechtem Gewissen und schamerfüllter Stimme. Doch der Pfarrer hat eine Antwort für sie, die ihre ganz persönliche Realität fest im Blick hat: „Das bist nicht Du, die das zu entscheiden hat. Das hier ist ein Haus für die Sünder. Wenn wir alle perfekt wären, brauchte man doch gar keine Kirche. Also betrachte es als ein Servicecenter, dass Gott für Deine Sorgen eingerichtet hat. Denn selbst all unsere Sünden haben Gott nicht abgehalten, uns seinen Sohn zu schenken – und uns zu lieben!“.

Natürlich hat Regisseur Marcano Vorbilder wie CITY OF GOD (2002) fest im Blick, das will er auch gar nicht kaschieren. Und dass speziell die englische Presse über GOD LOVES THE FIGHTER ins Jubeln kam und reihenweise die volle Punktzahl vergab, mag in Anbetracht der Tatsache, dass BUBE, DAME, KÖNIG, GRAS (1998) und SLUMDOG MILLIONÄR (2008) für ihre Subkulturen im Grunde nichts anderes durchexerzieren, nicht verwundern. Doch trotz der schnellen Videoclipästhetik, den Sepiatönen und der sich aufschichtenden Tongestaltung ist GOD LOVES THE FIGHTER frei von überhöhter Künstlichkeit – er setzt nur ins Bild, er wertet nicht. Er beschreibt ohne zu übertreiben. Wenn in kurzen Sequenzen die ansonsten hektische Kamera abstoppt, um Dialoge und Momente des Innehaltens einzufangen, dann ist nicht nur der Film, sind nicht nur die portraitierten Personen, dann ist auch der Zuschauer ganz bei sich.

FIGHTER-03In Deutschland ist GOD LOVES THE FIGHTER – wenn schon nicht im Kino – dankenswerter auf DVD und Blu-ray erschienen. Der Transfer des Filmes zeigt sich in bester Auflösung, scharf und kontrastreich, kann die Bilder mit großem Farbraum wiedergeben. Gleiches gilt für den Ton, der sowohl im englischen Original – das man aufgrund der ursprünglichen Dialekte durchaus antesten sollte – als auch in der hervorragenden deutschen Synchronbearbeitung mehrkanalig vorliegt. Wer die komplette Atmosphäre des Streifens gerne noch über den Abspann hinaus transmittieren möchte, sollte zur schmucken Limited Edition mit separater Soundtrack-CD greifen, auf der die besten Tracks von Freetown, Q Major und Redman enthalten sind. Bis auf einen stabilen Pappschuber ohne FSK-Aufdruck und ein Wendecover ist allerdings leider kein weiteres Bonusmaterial vorhanden.

Was auch immer passiert, wo auch immer es passiert, wem auch immer was passiert – Gott ist da! In der Kirche, in der Taxe, in der Opiumhöhle – Gott ist da! Ob ein Mensch stirbt oder überlebt – Gott ist da! Wenn arme Sünder allen Mut zusammennehmen und um ein kleines Stück von Freiheit kämpfen. Wenn sie schuldig werden, um in Zukunft sündloser zu leben – auch dann ist Gott da! Darauf ein Vaterunser, Brüder & Schwestern! Halleluja in Port of Spain!

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God Loves the Fighter, Trinidad-Tobago 2013, R: Damian Marcano, D: Darren Cheewah, Zion Henry, Simon Junior John, Albert Laveau, Lou Lyons, Muhammad Muwakil

Anbieter: Mad Dimension