Antiviral
Von Oliver Schäfer
In nicht allzu ferner Zukunft wird der Starkult auf die Spitze getrieben, indem sich Fans Krankheitsviren injizieren lassen können, die direkt aus dem Blut oder Gewebe der Stars gewonnen wurden. So kann man die Krankheiten der Stars am eigenen Leib erfahren und sich quasi selbst wie der Star fühlen. Die Viren werden in speziellen Kliniken kultiviert und injiziert – natürlich zu horrenden Preisen. Auf dem Schwarzmarkt wird aus den Genen der Stars auch Fleisch gezüchtet und in exklusiven Restaurants an eine gut zahlende Kundschaft verfüttert.
Syd March (Caleb Landry Jones – THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING MISSOURI) ist ein Virenverkäufer der Lucas-Klinik, die mit verschiedenen Stars und Promis exklusive Verträge zur Lieferung von Viren abgeschlossen hat. Gelegentlich zweigt er Genmaterial ab, spritzt es sich selbst und verkauft einen Teil an einen zwielichtigen Promifleischhersteller. Als Syd in Vertretung für einen gefeuerten Kollegen eine frische Blutentnahme beim größten Star Hannah Geist (Sarah Gadon, A DANGEROUS METHOD) durchführt, spritzt er sich anschließend einen Teil des Blutes selbst. Kurze Zeit später stirbt Hannah und auch bei Syd zeigen sich die ersten Symptome….
Brandon Cronenberg hat offenbar das Faible für Bodyhorror von seinem Vater geerbt, behandelt er doch Themen und Ideen, die man sofort mit David Cronenberg in Verbindung bringt. So geht es in ANTIVIRAL unter anderem um überzogenen Starkult (MAPS TO THE STARS), Sucht und medizinische Experimente (DEAD RINGERS, SCANNERS), Vermischung von DNA-Material (THE FLY) oder Medienkonsum (VIDEODROME, EXISTENZ). Auch die kühle, klinische Atmosphäre findet sich in vielen Filmen des Vaters, allerdings treibt der Sohn es hier etwas zu weit, sowohl mit der optischen Sterilität der Virenklinik, als auch mit der gesamten Künstlichkeit des Films. Zudem fehlt der Geschichte ein zentraler Charakter. Angesichts dessen, was das Drehbuch hergibt, liefert Caleb Landry Jones eine solide Leistung, die aber durch die emotionale Distanz und eine kaum vorhandene Charakterisierung untergraben wird. Seine dahingehauchten Dialoge machen die Sache nicht besser. So geht es auch allen anderen Protagonisten. Sobald sie aus dem Bild verschwinden, hat man sie auch schon vergessen. Die Geschichte kommt nur im Schneckentempo voran und die Tatsache, dass Syd bereits zu Beginn des Films krank ist, macht die nächsten Krankheiten nicht interessanter. Seinem langsamen Niedergang zuzuschauen, trägt schlicht nicht für die Laufzeit des Films. Dass Syd durch seine illegalen Nebengeschäfte in weitere Schwierigkeiten gerät, sorgt für ein wenig Abwechslung, steigert jedoch nicht den grundsätzlichen Unterhaltungswert.
Der Film hat seine Momente und Cronenberg Junior setzt ein paar satirische Seitenhiebe, aber letztlich tritt die Geschichte auf der Stelle. Da bringen auch späte Auftritte von Malcom McDowell und Wendy Crewson die Luft nicht mehr zum Brennen. Für ein Erstlingswerk vielleicht entschuldbar, liefert Cronenberg eine stilistische Fingerübung, die aus ihrer interessanten und durchaus aktuellen Grundidee allerdings zu wenig macht und stattdessen mehr Wert auf ein paar Ekelmomente, als auf das Erzählen einer packenden Geschichte legt.
Gratulation übrigens an die Maskenbildner, die es geschafft haben, dass Landry Jones, der generell immer wirkt, als ob er kurz vor dem Hungertod steht, hier noch ungesünder aussieht als sonst.
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Antiviral | Kanada/Frankreich 2012 | Regie: Brandon Cronenberg | Darsteller: Caleb Landry Jones, Sarah Gadon, Malcom McDowell, Douglas Smith, Nicholas Campbell u.a.
Anbieter: Busch Media Group
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