Die Gentlemen
Von Shamway
In einer Zeit, in der Verbrecher in Filmen immer mehr zu vollidiotischen Prolls verkommen, weil auch die westliche Welt offenbar so einfach funktioniert, erinnert Guy Ritchie an den Style, den Gangster mal hatten und zeichnet sie in eine Welt im Heute. Als ob der stilvollste Gangster derjenige wäre, der überlebt. (Auch wenn das nicht stimmt: Das Verlangen, britische Eleganz im Verbrecherwesen zu sehen, ist gross genug, dass Ritchie THE GENTLEMEN inzwischen zu einer ganzen Netflix-Serie verbraten hat.)
Erzählt wird die Geschichte in vielen Rückblenden, bis beinahe zum Ende des Films. Privatdetektiv Fletcher (ein richtig gealterter, schmierig-cooler Hugh Grant) sucht Raymond-„Ein-Hipsterlook-steht-auch-Verbrechern“-Smith (Charlie Hunnam) eines Nachts in dessen moderner „Wallpaper“-Style-Villa auf, der als rechte Hand für einen grossen Cannabis-Gangsterboss arbeitet. Englands King of Marihuana ist Mickey Pearson (Matthew McConaughey), und Fletcher begann im Auftrag eines düpierten Fleet-Street-Zeitungsherausgebers über ihn zu recherchieren. Dabei fand er doch einige illegale Zusammenhänge heraus und hat in der Folge sein ganzes Recherchedossier zu einem Drehbuch verarbeitet, das er den Gangstern verkaufen will. Um mit Raymond Smith zu verhandeln, verrät Fletcher nach und nach die ganzen Hintergründe des raffinierten illegalen Cannabis-Geschäftsmodells.
Mickey Pearson hat nämlich die Aristokratie gleich in sein Geschäftsmodell mit einbezogen. Verarmte Adelige können ihre Schlösser behalten und dank seinem Geld wieder in Stand setzen, wenn sie ihm auf ihren Ländereien die Möglichkeit geben, unterirdische Cannabisanlagen zu installieren. Die Adeligen erhalten ihre Provisionen, Pearson kann in England produzieren und erhält erst noch Zugang zur Oberschicht. Dementsprechend ist auch seine Frau Rosalind (Michelle Dockery) sehr posh und äußerst durchtrieben. Guy Ritchie zeigt uns dabei auch mit Vergnügen, wie sich eine ehemals oligarche Schicht lieber mit Verbrechern verbindet, als ihren Reichtum abzugeben oder zumindest etwas dafür zu arbeiten.
Angesichts einer drohenden Legalisierung von Marihuana in Großbritannien möchte Pearson nun aber seine illegalen Standorte verkaufen – da er mit seinem Ruf nicht geeignet ist, zum legalen Verkäufer zu werden. Er kommt ins Gespräch mit dem amerikanischen Milliardär Matthew Berger (Jeremy Strong) und dem asiatischen Gangsterboss „Dry Eye“ (Henry Golding), doch dabei beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Denn kurz danach wird eine der unterirdischen Cannabis-Anlagen von jungen Amateurboxern überfallen, die in der irren Location gleich noch ein HipHop-Video drehen, das sie hochladen. Sprich: Beim Clash der Gangsterwelten gewinnt erst mal neue gegen alte. Handelt es sich um einen von einem angehenden Käufer geplanten Überfall, um den Preis zu drücken?
Und als Smith für einen der aristokratischen Plantagenverstecker dessen Tochter aus einem schlechten Quartier aus den Händen ihrer Heroinfreunde befreien soll, fällt unbeabsichtigterweise ein Heroinabhänger aus dem Fenster und seine zerquetschte Leiche wird mitsamt Smiths Truppe von einer Horde delinquenter Jugendlicher gefilmt. Die Verfolgungsjagd der alten Gangster, um die jungen Gangstas zu kriegen, ist von lebhaftem, feinem Humor.
Gegen Ende gehts dann um alles oder nichts, und auch um Frau Rosalind geht (die übrigens eine Karosseriewerkstatt mit ausschließlich weiblichen Mechanikerinnen führt), die entführt wird. Die ist aber kaltschnäuzig und ziemlich patent. Und der Film nimmt auch spannungsmäßig ganz schön Fahrt auf.
Was Ritchies Film oft und sicher auch zurecht angekreidet worden ist, sind die ganzen verbalen rassistischen Ausrutscher. Wo der Gangsterhumor sich manchmal fein und scharfzüngig Situationen und Charaktere fertig macht, kann er es oft nicht lassen, die Asiaten mit plumpsten Schlitzaugen-Stereotypen zu adressieren oder dem jüdischen Milliardär eine schwule Intonation zu geben. All das machen Verbrecher ja vielleicht unter sich, aber im heutigen Kontext wirkt das inzwischen tatsächlich etwas deplatziert. Dagegen ist es wieder „amusing“, wenn Fletcher seine Hand auf Smiths Knie legt und dann dessen Missfallen bemerkt. In bester Hugh Grant-Manier entschlüpft ihm ein „Oopsie“.
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The Gentlemen, UK / USA 2019 | Regie & Drehbuch: Guy Ritchie | Kamera: Alan Steward | Musik: Christopher Benstead | Darsteller: Matthew McConaughey, Charlie Hunnam, Michelle Dockery, Hugh Grant, Jeremy Strong, Colin Farrell, Henry Golding u.a. | Laufzeit: 115 min.
Fotos: Universum
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