Mad Fate

Mad Fate

Von Michael Kathe

MAD FATE ist ziemlich mad. Das kann man mögen oder man findet‘s albern. Ich tendiere zu zweiterem. Doch der Film wurde auf der Berlinale gezeigt, eröffnete das Hong Kong Film Festival, war in Udine und nun auch am Neuchatel International Fantasy Film Festival zu sehen. Geben wir ihm also Kudos.

Gemeinhin wird der Film als „Mystery Thriller“ bezeichnet, was in eine völlig falsche Richtung läuft. Der Film taumelt hin und her zwischen Slapstick- und Slasherfilm. Beginnend mit zweiterem. Der Wahrsager The Master (Gordon Lam) inszeniert ein Fake-Begräbnis für eine Prostituierte (Ng Wing-Sze). Sie wird bei strömendem Regen lebendig begraben, weil nur mit diesem Ritual ihr Schicksal eines nahen Todes abgewendet werden kann. Leider verbrennen nicht alle dazugehörigen Papiere und der zu frühe Abbruch in dieser irrwitzigen Nachtszene bewirkt eine unliebsame Wendung. Die Prostituierte läuft geradezu in die Arme eines Serienmörders (Peter Chan), der von Regengüssen zum Morden getriggert wird und die Frau in ihrem Etablissement auf brutale Weise ausbluten lässt. Damit wäre dann auch die grausame Seite des Films etabliert. Einen Moment zu spät treffen der Wahrsager und ein junger Food-Auslieferer, Siu-Tung (Lokman Yeung), ein. Siu-Tung ist derart fasziniert vom Tatort, dass der Wahrsager ihn schnell als potenziellen Serienmörder erkennt und nun alles daran setzt, ihn vom schlechten Weg abzuhalten.

Back to Comedy. Weil der Wahrsager ein gutmütiger, aber etwas abgedrehter Tölpel ist und der Jugendliche ein schwieriger Gothic-Character, ist die Erziehung zum Nicht-Mörder keine einfache Sache, zumal weitere Morde des Serienkillers das Quartier im Ausnahmezustand halten und Siu-Tung sich daran erinnert, den Mörder einst persönlich gesehen zu haben, als der eine Katze tötete. Das hält die Faszination am Morden aufrecht. Außerdem wendet der Wahrsager nicht etablierte Erziehungsmaßnahmen an, sondern seinen New-Age- und Fortune-Hokuspokus. Denn nicht zuletzt kämpft auch der Wahrsager gegen seine Familiengeschichte an, die von tief irrationalen Verhaltensweisen geprägt ist. Die einzige rational agierende Person ist übrigens ein Kommissar (Berg Ng). Kann man sich anschauen.

Wie bei DETECTIVES VS. SLEUTHS stellt sich auch hier die Frage, ob die neuen Bedingungen für klassische Hong-Kong-Polizeifilme diese völlig übertriebenen Charaktere brauchen, damit sie nicht der Zensur zum Opfer fallen. Dabei dürften Wahrsager und andere irrationale Charaktere so gar nicht dem Gusto der Regierung in Hong Kong entsprechen, ebenso wenig wie die Darstellung von Serienmördern und vor allem jungen Menschen, die Serienmördern nacheifern.

Produziert wurde der Film von Milky Way Image. Johnnie To, einer der beiden Gründer und Mitproduzent des Films, äußerte sich auf der Berlinale über die Filmzensur in Hong Kong, die natürlich zuerst als Selbstzensur beginnt. Der Filmemacher selbst oder spätestens der Investor überlegt sich, was machbar sei. Die Zensur Chinas findet offenbar vor der Zensur Hongkongs statt. Bei beiden ist nicht ganz klar, in welcher Richtung sie noch Schnitte verlangen – d.h. es gibt keine klaren Vorgaben der Zensurbehörden (außer, dass man weiß, dass ein Thema wie die Unruhen in Hongkong 2019 ein sehr heikles Thema ist). Trotzdem nimmt To das Credo von Deng Xiao Ping „One Country, two Systems” in der Zwischenzeit als Lüge wahr. Eine Aussage, die in seiner Heimat Hong Kong für viel Aufsehen und Ärger sorgte.

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Mad Fate, Hong Kong 2023 | Regie: Cheang Pou-soi | Drehbuch: Melvin Li, Nai-Hoi Yau | Kamera: Siu-Keung Cheng | Musik: Ben Cheung, Chi Wing Chung | Darsteller: Gordon Lam, Lokman Yeung, Berg Ng, Peter Chan, Ko Tin Lung, Ng Wing-sze u.a. | Laufzeit: 108 min.