Leise töten die Spione

Leise töten die Spione

Von Michael Kathe

Die spanisch-italienische Eurospy-Produktion LEISE TÖTEN DIE SPIONE ist ein eher durchschnittlicher Agentenfilm im Bond-Stil. Mit einigen geistigen Aussetzern auf der Negativseite, aber durchaus unterhaltsam mit zwei, drei gelungenen Szenen, die zu Buche schlagen. An einem nach Sixties-Standards durchaus adretten Hotelpool in der blühenden libanesischen Hauptstadt Beirut ereignet sich ein Mord. Die Professorentochter Jane Freeman springt ins kühle Nass und taucht kurz darauf mit einem Messer im Bauch tot auf. Und niemand weiß etwas, trotz Vollbelegung der Liegestühle. (Es sei aber erwähnt, dass es zuvor noch einen frechen Zoom auf ein paar übereinandergeschlagene Frauenbeine gab. Auch dieser Eurospy-Film will den neu entblößten Körperteilen der Frauen nicht widerstehen.)

Agent Michael Drum (Lang Jeffries) nimmt sich des Falls an, denn der Vater der ermordeten Frau ist niemand Geringeres als jener Professor Freeman (Umberto Ceriani), der an einem erfolgversprechenden Krebsmittel arbeitet. Der Mord an der Tochter soll ihn endgültig davon abhalten, weiter zu forschen – entsprechende Drohbriefe zuvor hatte er ignoriert. Im Gespräch erfährt Drum von Freeman außerdem, dass auch ein US-Forscher ermordet wurde, weil er seine Forschungen zur Nutzbarmachung der Wüste nicht aufgab, und ein weiterer Mord an einem erfolgreichen sowjetischen Forscher hatte wohl denselben Grund: Er wollte von seinen altruistischen Forschungen nicht die Hände lassen. Die divergierenden Forschungszweige lassen sich nur auf einen sehr großen Nenner bringen: Ein Bösewicht will den Fortschritt der gesamten Menschheit aufhalten. Big thing also.

Im Umkreis von Professor Freeman (was für ein sprechender Name!) lässt es sich gut recherchieren, bewegen sich da doch ein paar dubiose Charaktere. Der anfänglich sehr nette Dr. Rashid (Andrea Bosic) entpuppt sich als ein übler Gauner, der die Weltherrschaft anstrebt, zuerst mit einer Droge, die den Willen der Menschen zerstört. Edward, der Verlobte der ermordeten Jane, scheint seine Augen längst auf die schwarzhaarige und schwarz gekleidete Sekretärin Rashids gerichtet zu haben, Pamela (Erica Blanc). Durchtrieben wie sie ist, nutzt sie Edward aus, steckt aber mit Rashid unter einer Decke – und entpuppt sich als die geheimnisvollste Protagonistin.

Erst einmal geht Drum so einiges durch die Lappen. Er wird von der einheimischen Polizei abgelenkt, währenddessen Freeman ermordet wird. Edward hat sich in der Zwischenzeit im Hotelzimmer erhängt. Wie später auch die attraktive Chinesin Miss Francis – nachdem sie sein Zimmer aufgesucht hatte, allerdings mit bösen Hintergedanken. In der Folge muss Drum auf den norwegischen Wissenschaftler Bergson aufpassen, auf den bereits ein misslungenes Attentat ausgeführt wurde…

Dass wir uns dabei meist im Libanon befinden, bemerkt man höchstens im Bauchtanzclub, in dem arabische Musik läuft (und eine weiße Bauchtänzerin die Show abzieht). Das macht Sinn, denn der Libanon in den Sechzigern war nicht vergleichbar mit Beirut heute, sondern brachte es unter der Politik von Fuad Schihab zu einem nie zuvor und danach erreichten Wohlstand, dank wirtschaftlichen und bildungspolitischen Reformen, Quotenregelungen im Staatsdienst und vielem mehr. Die Hauptstadt Beirut florierte und erhielt damals das Label „Paris des Orients“. Tatsächlich nimmt LEISE TÖTEN DIE SPIONE eine interessante Perspektive auf die aufstrebenden arabischen Staaten (und in einem Interview mit Bergson auf afrikanische Staaten), die mit europäischen Ländern gleichziehen könnten. Der Film nähert sich dem offenen Beirut mit Faszination und einer gewissen Skepsis. Die sehr schöne Verfolgungsjagd im leeren orientalischen Palast mit seinen schönen Ornamenten und seiner eigenen Geometrie wird gegen Ende des Films von einem großen Raum mit Op-Art-Gemälden kontrastiert, in der Drum von Dr. Rashid und Pamela festgehalten wird und mit der ominösen Droge gespritzt. Der weltgewandte, verwestlichte Araber Dr. Rashid entpuppt sich als gefährlich für die Menschheit. Darin zeigte sich durchaus eine gewisse Angst vor den ehemaligen Kolonien, die sich als Bewegung der Blockfreien Staaten (zu denen auch der Libanon gehörte) als dritte Kraft neben den beiden Militärblöcken NATO und Warschauer Pakt hätten etablieren können.

Nun soll Drum per Droge umprogrammiert und auf die Ermordung Bergsons angesetzt werden. Dass später plötzlich eine Röntgenpistole die Waffe des Verderbens ist, zeigt eine gewisse Unsicherheit der Drehbuchschreiber. Und dass der eigentliche weibliche Lead Grace (Emma Danieli) erst nach 45 Filmminuten auch in der Story auftaucht, gleich noch einmal. Viel zu spät, um Filmikone Erika Blanc noch das Wasser zu reichen.

Auch wenn man hin und wieder das Gegenteil liest: LEISE TÖTEN DIE SPIONE ist kein schlechter Film. Schöne Sets, attraktive Dekos und eine Szene lang sogar die Stille, die ein bisschen an die Paranoia-Spionagefilme à la Harry Palmer erinnert. Ausserdem bietet der Eurospy-Film einen recht schönen Vorspann mit Quadratmustern und coolen Duplex-Bildern. Und ein schönes, jazzy-bondiges Musikscore von Francesco de Masi.

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Los espias matan en silencio / Spies strike silently, Italien/Spanien 1966 | Regie: Mario Caiano | Drehbuch: Mario Caiano, Guido Malatesta, David Moreno Mingote | Kamera: Julio Ortas | Darsteller: Lang Jeffries, Emma Danieli, Andrea Bosic, Erika Blanc, Jose Bodalo, Mario Lanfranchi, Jose Marco u.a. | Laufzeit: 86 min.

Anbieter: Endless Classics