Ant-Man

Ant-Man

Von Peter Clasen

Superhelden-Fantasyaction, fast wie gehabt, und doch ganz anders. Was sich ein wenig auch an der ungewöhnlichen Wahl des Hauptdarstellers ablesen lässt: Der leichte Komödiant und charmante Kumpeltyp Paul Rudd, schon seit 1992 im Geschäft, ist eigentlich selten groß aufgefallen (VORBILDER?!, TRAUZEUGE GESUCHT, IMMER ÄRGER MIT 40), das gelingt ihm erst jetzt ganz klein als Ameisen-Mann. Ihm zur Seite: Evangeline Lilly aus LOST und zweimal HOBBIT (dort war sie die Tauriel) als Forschertochter und Oldie Michael Douglas (no credits needed) als genialer Erfinder…

de_antm_mgp_n_47efed46_WEBScott Lang, ein versierter Dieb, der im Knast saß, wird vom genialen, alten Erfinder Hank Pym „rekrutiert“. Als Ant-Man, der blitzschnell zwischen Menschen- und Ameisengröße wechseln kann und als Minimensch überragende Kräfte besitzt, soll er gegen den skrupellosen Darren Cross kämpfen, der Pyms frühere Firma übernommen hat und nun kurz davor ist, Pyms geniale Verkleinerungsformel nachzubilden und eine höllische Kampfmontur namens „Yellowjacket“ an Hydra zu verkaufen. Bevor Hydra die ganze Welt mit Krieg überzieht, soll Scott als Ant-Man gegensteuern – Pyms attraktive, kampfkunstkundige Tochter Hope wird dabei Scotts Lehrmeisterin, und ein paar Ameisenvölkchen seine engsten Verbündeten…

Dass ein Superheldenfilm dem andern gleichen würde, ist ein dummes Pauschalurteil, das in ANT-MAN sein entschiedenstes Gegenbeispiel findet. Im Gegensatz zu opernhaften Großwerken wie den Abenteuern um Superman, Batman, Spider-Man oder den Avengers ist ANT-MAN ein kleines, geradezu intimes Kammerspiel. Es spielt nicht in den Glitzermetropolen der weiten Welt oder auf fernen Planeten, sondern im urbanen San Francisco der verschnörkelten Jahrhundertwendehäuser und modern-gesichtslosen Fabriken (man kennt das Nebeneinander aus Fritz Langs METROPOLIS), es wühlt sich durch die Flusen flauschiger Teppiche, kratzt unter mörderischen Plattenspielernadeln hinweg, stürzt hinab durch den Gullideckel und rauscht – auf einer wogenden Insel hilfreicher roter Feuerameisen! – durch die engen Rohre der Wasserleitung, ehe der winzige Held durchs kleine Sieb am Wasserhahn wieder hinausfindet.

antman2Thema und Form gehen so dicht zusammen, dass sogar die majestätischen Infernos, mit denen die Filme der Kollegen glänzen, in ihr Gegenteil verkehrt werden: Statt riesiger Explosionen gibt’s eine alles vertilgende Implosion – plopp und weg! Selbst die Auswahl der Nebendarsteller und Randfiguren zeugt vom Sinn fürs Minoritäre, Marginale: So viele Hispanos, Osteuropäer und Schwarze wie hier gibt es in Hollywood sonst nur selten.

Die Liste möglicher ikonischer Inspirationen ist lang. Es gibt Szenen und einzelne Bilder, die einen an die großen Klassiker des Geschrumpfte-Menschen-Genres erinnern: THE INCREDIBLE SHRINKING MAN (Die unglaubliche Geschichte des Mr. C; USA 1957; R: Jack Arnold), THE FLY (DIE FLIEGE; USA 1958; R: Kurt Neumann), HONEY, I SHRUNK THE KIDS (LIEBLING, ICH HABE DIE KINDER GESCHRUMPFT; USA 1989, R: Joe Johnston) oder ARTHUR ET LES MINIMOYS (ARTHUR UND DIE MINIMOYS; Frankreich 2006; R: Luc Besson), trotzdem ist ANT-MAN kein postmodernes Zitatekino, sondern ein eigenständiges Abenteuer, das sich eher über die anderen, die „großen“ Helden des Marvel-Universums mokiert und ansonsten einen hübsch selbstironischen Ton anschlägt.

antman3Im ernsten Kern ist der Film genauso anspruchsvoll wie die übrigen Marvel-Epen: Wie schon bei IRON MAN geht es um die Gefahren immer perfekterer Waffen und die Verführungskraft ihrer irrsinnigen Möglichkeiten. Dabei ist das Problem gar nicht mal, dass die Kriegsgeräte in die Hände der Falschen gelangen (in diesem Falle Hydra), sondern dass sie per se so teuflisch sind, dass sie vernichtet gehören. Die alarmierendste Sequenz ist denn auch der unfassbar zynische Film-im-Film, der das „Yellowjacket“-Killerungetüm als Wundermittel weltweiten Friedens preist. Diese absolut kranke Reklame ist beileibe keine „Fantasy“, sondern die zwar satirisch überspitzte, real aber nötige Kritik am militärisch-industriellen Komplex. Genau dafür liebe ich diese sogenannten „Fantasyfilme“ von Marvel – weil sie mehr über die amerikanische Post-9/11-Paranoia und den Aufrüstungswahn erzählen, als man dem vielfach als pubertäres Krawallkino geschmähten Genre gemeinhin zugesteht. Echte Fantasy gibt’s trotzdem, und zwar vom Feinsten. Der irre Trip in die subatomare Welt zum Beispiel hätte sicherlich auch Stanley „2001“ Kubrick gefallen.

Erschienen im TV Spielfilm Blog

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Ant-Man, USA 2015, Regie: Peyton Reed, | Buch: Edgar Wright, Joe Cornish | Mit: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Douglas, Corey Stoll, Judy Greer, Abby Ryder Fortson, Bobby Canavale, Michael Peña, Tip „T.I.“ Harris, David Dastmalchian, Anthony Mackie, Martin Donovan, Stan Lee | Laufzeit:117 Min. | Verleih: Walt Disney