Death Note: Light up the new world.

Death Note: Light up the new world.

Von Michael Kathe

Wer einen Namen in das schwarze Notizbuch schreibt, besiegelt damit das Todesurteil der notierten Person. Das war 2006 eine schaurig-geheimnisvolle Grundidee aus der hohen Zeit der japanischen Horrorfilme, die sich auch an der Kinokasse als überaus erfolgreich erwies.

Poster_Death_Note2Der Grusel kreiste um eine ethische Frage: In den ersten beiden Filmteilen liegt das Notizbuch in den Händen des Studenten Light Yagami, der in bester Absicht fortan die Namen freigelassener Mörder hineinschreibt. Verständlich, dass in Zeiten, in denen vermehrt nach härteren Strafen gerufen wird, im Horrorplot aus Japan ein moralischer Kampf entstand, der sich mit der Jagd nach Light Yagami in einer Kriminalstory auflöste.

Inzwischen sind 10 Jahre vergangen – und 6 neue Death-Note-Notizbücher wurden rund um die Welt verteilt: LIGHT UP THE NEW WORLD wird als dritter Teil des typisch japanischen okkult-modernistischen Horror-Spektakels verkauft. Tatsächlich aber wurde der Mangastoff von Tsugumi Oba und Takeshi Obata aus den Jahren 2003 bis 2006 bereits mehrfach filmisch bearbeitet (nebst Gameification, Merchandising etc.). Im Jahr 2006 gleich zweimal: DEATH NOTE und DEATH NOTE: THE LAST NAME wurden in Japan große Erfolge an der Kinokasse und gelten als Teile 1 und 2. 2006 startete auch eine Anime-TV-Serie, 2007 gab es einen weiteren Realfilm-Ableger fürs Fernsehen (DEATH NOTE: REWRITE), 2008 gesellte sich L CHANGE THE WORLD in die Reihe der Verfilmungen. Dem anhaltenden Erfolg des Stoffes geschuldet folgte in 2016 der dritte Teil. (Und last but not least veröffentlichte Netflix im letzten Jahr eine US-Version.)

Death_Note_1Die Story beginnt damit, dass der Todesengel Shinigami, um Nachschub bemüht, sechs der letalen Notizbücher in die Welt bringt. Doch mit einem russischen Arzt hat er schon mal kein Glück, denn die russische Seele ist eher am Selbstmord als am Tod anderer interessiert. So fokussiert sich die Story schnell auf Japan, wo es völlig verrückte Menschen wie Sakura Aoi (Rina Kawaei) gibt, die gleich die beste, irrste Szene des Films einleitet: Sie steht mitten im nächtlichen Tokyoter Stadtteil Shibuya, der von Menschenmassen überströmt ist, und schreibt im Akkord all die Namen der Passanten auf, die ihr über eine übersinnliche Eingebung („Reapers’ Eyes“) zufliegen. Überall klappen Menschen wie Fliegen zusammen, es entwickelt sich eine Massenpanik, die Polizei sucht die Irre in den Menschenmassen – Panik, die in Japan natürlich an den Giftgasanschlag der Aum-Sekte in der Tokyoter U-Bahn 1995 erinnert und filmisch hier packend eingefangen wird.

Nachdem Sakura Aois Notizbuch sichergestellt wird, ist der aufregende Spuk vorbei und eine allzu breit aufgefächerte, ermüdende Kriminalstory wird losgetreten. Die Polizei setzt eine Task Force ein, die erst ins Rollen kommt, als Interpol-Agent Ryuzaki (Susuke Ikematsu) die Leitung übernimmt. Er nutzt seine Verbindungen zum Reaper Beppo (Tohri Matsuzaka) und Todesengel Kira im Cyberspace. Parallel dazu erweckt Kira-Bewunderer Shien (Mask Suda) die Starsängerin Misa (Erika Toda), die in früheren Filmen ebenfalls ins Death-Notes-Drama verstrickt war. Im Grunde geht es darum, wer die 6 Notizbücher an sich reißen kann, die Polizei oder Shien.

Death_Note_2Alles in allem sind die Regeln des Notizbuches und die verschiedenen Motivationen der Charaktere so komplex, dass es für Neulinge schwierig ist, sich die Zusammenhänge zu erschließen. Übernatürlicher Horror wird in eine Detektivstory gebettet, mit ein paar Superhelden-Fantasyelementen (eine Mischung übrigens, von der die US-Superheldenfilme dramaturgisch profitieren könnten). In dem Fall zu viel des Guten, die Story wird bisweilen zu chaotisch, zu pseudomoralisch und verliert an Spannung.

Dabei wäre das Thema spannend. Denn das Todesnotizbuch ist eine andere Art von Voodoo. Durch die Verschriftlichung eines Namens erhält der Schreibende Macht über eine Person. Tatsächlich arbeitet der japanische Horrorfilm ja oft mit archaischen Versatzstücken, doch der Voodoofluch geht hier noch weiter. Das Archaische ist hier (wie in vielen Japanhorrorfilmen) sehr modern und aktuell gedacht: Wenn man sich das „Reapers’ Eye“, das wissende Auge als eine Art Internet-Allwissenheit vorstellt, dann ist man schnell mal bei der NSA und Google, die genau gleich Individuen in der Masse erkennen und lokalisieren können. Das gibt ihnen strukturell dieselbe Macht über Personen wie den Besitzern der Notizbücher. Was Sakura Aoi in ihrer Massentötung eigentlich tut, ist vielleicht der erste, wenn auch verschlüsselte Big-Data-Massenmord auf Leinwand. Darum ist diese Szene so faszinierend.
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Desu Nōto Light up the NEW world, Japan 2016 | Regie: Shinsuke Sato | Drehbuch: Katsunari Mano, nach dem Manga von Tsugumi Ohba & Takeshi Obata | Musik: Yutaka Yamada | Mit: Masahiro Higashide, Sosuke Ikematsu, Masaki Suda, Mina Fujii, Rina Kawaei, Sota Aoyama, Erika Toda | Laufzeit: 135 Min.