Stoker

Stoker

Von Oliver Schäfer

India Stoker (Mia Wasikowska) verliert bei einem Autounfall ihren Vater und den besten Freund Richard (Dermot Mulroney). India bleibt zurück mit ihrer Mutter, mit der sie sich allerdings nicht sonderlich gut versteht. Zur Trauerfeier erscheint dann der ihr bisher völlig unbekannte Onkel Charlie (Matthew Goode) und zieht „nur für kurze Zeit“ bei dem Mädchen und seiner instabilen Mutter Evie (Nicole Kidman) ein. Doch der mysteriöse und gleichzeitig charmante Mann scheint versteckte, unheilvolle Absichten zu haben. Dennoch nähert sich India dem geheimnisvollen Mann immer mehr an, der gleichzeitig auch eine Beziehung zu Evie beginnt. Bald werden dunkle Familiengeheimnisse gelüftet, Menschen verschwinden und sterben….

Stoker_PosterOLDBOY-Regisseur Park Chan-wook hat hier seinen von Ridley und Tony Scott produzierten US-Erstling abgeliefert und damit ein recht geteiltes Echo ausgelöst. Leider hat er mit einem weltweiten Einspielergebnis von gerade einmal zwölf Millionen Dollar auch einen finanziellen Flop abgeliefert. Dabei gelang Park ein optisch überaus eleganter und atmosphärischer Thriller mit tollen Darstellern. Neben Wasikowska, Mulroney, Kidman und Goode darf man sich noch an Jacki Weaver (ANIMAL KINGDOM), Alden Ehrenreich (der neue Han Solo) und Lucas Till (X-MEN: FIRST CLASS) erfreuen.

Der Film erfordert Aufmerksamkeit und im Idealfall eine gewisse Vorliebe für tiefschwarzen Humor. Das Psycho-Kammerspiel lässt sich Zeit für seine Geschichte, behält jedoch durchgängig die Stimmung unterschwelliger Bedrohung bei, bis hin zum, wahrscheinlich nicht für jeden, überraschenden blutigen Finale. STOKER ist nicht unbedingt der spannendste Thriller aller Zeiten, aber die Kombination der exquisiten Besetzung mit den durchkomponierten Bildern und reichlich Symbolik sorgen in jedem Fall für einen optischen Hochgenuss.

Stoker_2Das verschachtelte Drehbuch stammt überraschend von TV-Serienstar Wentworth Miller (PRISON BREAK), der vor Jahren schon in THE HUMAN STAIN an der Seite Kidmans spielte. Darstellerisch ist Wasikowska perfekt besetzt mit ihrer leicht abwesenden, distanzierten und durch fast nichts zu erschütternden Art, während Kidman überzeugend die psychisch labile Mutter darstellt, deren Nervenenden bloßliegen zwischen der Trauer um ihren Mann und der sexuellen Anziehung zu dessen Bruder. Die interessanteste Rolle hat allerdings Matthew Goode, der sexy und verführerisch, elegant und geheimnisvoll, brutal und bösartig sein darf, mitunter alles innerhalb weniger Momente. Eine kleine aber wichtige Rolle hat Jacki Weaver, die als einzige ahnt, dass die Geschichte nicht gut ausgehen wird. Mulroney, Ehrenreich und Till haben kurze aber prägnante Auftritte.

Stoker_1Für die exquisiten Bilder hat Regisseur Park seinen Stamm-DP Chung-hoon Chung mitgebracht, dessen Bilder von Editor Nicholas de Toth elegant montiert wurden. Die ausgefeilte Ausstattung geht auf das Konto der thrillererfahrenen, leider kürzlich verstorbenen, Therese DePrez (BLACK SWAN), die atmosphärische Musik steuerte Aronofskys Hauskomponist Clint Mansell bei.

Der eigenwillige Arthouse-Thriller kommt als eine Mischung von Lynch und Hitchcock daher und könnte mit etwas mehr nackter Haut auch von Brian de Palma gedreht worden sein, der, sollte er den Film gesehen haben, sicherlich sehr viel Freude an Parks Schnitt- und Kameragimmicks hatte.

Ein unterschätztes Juwel.

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Stoker, USA 2013 | R: Park Chan-wook | D: Mia Wasikowska, Nicole Kidman, Matthew Goode, Jacki Weaver, Dermot Mulroney, Alden Ehrenreich u.a. | 99 min.

Anbieter: Twentieth Century Fox