Metro Manila

Metro Manila

Von Thorsten Krüger

Die britisch-philippinische Produktion ging für England ins Oscarrennen, wurde aber nicht einmal nominiert – dabei hätte das sensibel-bestürzende, sozialrealistische Crime Drama um die Menschenwürde den Preis als bester ausländischer Film wirklich verdient. Sean Ellis, der vor Ort in der Metropolregion Manila auf Tagalog drehte, hat nach dem kleinen Psychohorror THE BROKEN sein vorläufiges Meisterstück vorgelegt.

Mit stillen Augenblicken der Poesie und einer leisen, aber bitteren Eindringlichkeit schildert er das Schicksal einer mittellosen, freundlichen Familie, die von ganz unten den knallharten kapitalistischen Konkurrenzkampf am eigenen Leibe erleiden muss und zur leichten Beute von Betrügern und Miethaien wird. Leicht abgekühlte Bilder erzählen berührend-einfühlsam davon, wie sie versuchen, ihren Glauben an Gott zu bewahren.

Fallende Getreidepreise zwingen den bettelarmen Bauern und hart arbeitenden Familienvater Oscar, mit Frau und Kindern in der Großstadt Manila Arbeit zu suchen. Dort werden sie betrogen und landen auf der Straße, bis der großzügige Ong ihm einen gefährlichen Job als Wachmann für Geldtransporte vermittelt.

metro.manila.2013.coverBald steht Oscar obdachlos mit Kind und Kegel auf der Straße, schroff und unfreundlich wie wertloser Abfall behandelt. Gewinn ist nur eine Illusion, eine ewige Hoffnung – auch der Job, den der liebende Vater aus der Provinz Banaue erhält, hat einen Haken. Denn als Anfänger in dem „fahrenden Sarg“ eines oft überfallenen Geldtransportunternehmen zu arbeiten, verhilft ihm nur zum Schein zur Teilhabe am Glück.

Längst hat sich die Ahnung einer Todesgefahr als beklemmende, subtile Anspannung ausgebreitet. Denn sein Vorgesetzter und erfahrener Partner Ong zieht eine ähnliche Nummer wie in TRAINING DAY durch. Er hilft wie ein echter Freund – aber in dieser Welt gibt es nichts umsonst: Oscar soll ihm beim vorgetäuschten Überfall beistehen, mit dem Ong seine Rente aufzubessern gedenkt. Realistisch nimmt das Verhängnis seinen traurigen Lauf.

Nachdenklich-träumerisch begleitet die Musik Oscar und seine Frau Mai, wie sie sich ihrer selbst schämen, weil sie aus Armut unmoralische und gefährliche Arbeiten verrichten müssen. Eine unfaire Gesellschaft, in der das Unrecht blüht, löst ihre private Tragödie aus, und das ist so gut inszeniert wie gespielt, zeigt biografisch verortet auf, wie Menschen, die ihre Liebe gegen eine unerträgliche Welt schützen wollen, verlieren.

Oscar wird unschuldig in ein Verbrechen hineingezogen, ohne jede Chance, aus der Sache heil herauszukommen. Wie er und Mai als Ehrliche in einer Stadt aus Lügen korrumpiert werden und verzweifelt um die Aufrechterhaltung ihrer Moral kämpfen müssen, ist so archetypisch wie authentisch und in seinem Slow-Burn-Effekt unbedingt ergreifend. Es könnte kaum weiter weg von manischen Genre-Grobheiten wie THE RAID 2 liegen.

Der nach ON THE JOB in kurzer Zeit zweite richtig starke Film aus den Philippinen wurde u.a. beim Filmfest Hamburg ausgezeichnet und bietet ein wenig wie A BETTER LIFE Humanisten-Kino für Denkende und Fühlende. In einer moralisch bankrotten City, in der Kinder Kätzchen zum Spaß totprügeln, muss man rettend eingreifen – und wenn man sich für seine eigene Familie opfert. Dieses Abschiedsgeschenk tritt ins Herz und wühlt auf.

Erschienen auf Komm & Sieh

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Metro Manila, Großbritannien/Philippinen 2013 | Regie/Buch: Sean Ellis | Mit: Jake Macapagal, John Arcilla, Althea Vega, u.a. | Laufzeit: 115 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.