Das alte finstere Haus

Das alte finstere Haus

Von Rolf Giesen

Hammer Film war Ende der 1950er Jahre in aller Munde. Die amerikanischen Verleihfirmen rissen sich um Verträge mit der kleinen englischen Firma und boten ihr Remake-Rechte an, so auch Columbia Pictures, die Rechteinhaber des TV-SHOCK THEATRE-Pakets, die erfolgreich den zweiten Hammer-Frankenstein (THE REVENGE OF FRANKENSTEIN/FRANKENSTEINS RACHE) herausgebracht hatten. Unglücklicherweise hielten die Columbia-Leute ihre eigenen Ideen für besser als die der Briten. Zwar schloss man sogleich einen Vertrag über einen Pilotfilm für eine TV-Serie TALES OF FRANKENSTEIN, aber weder stand für die Hauptrolle Peter Cushing zur Verfügung (Anton Diffring sollte ihn ersetzen) noch wurden die Hammer-Leute angemessen an Skript und Produktion beteiligt. Ein Writer-Director aus der alten Schule, der deutsche Emigrant Curt Siodmak, machte aus dem Pilotfilm THE FACE IN THE TOMBSTONE MIRROR einen hausbackenen Schabernack à la HOUSE OF FRANKENSTEIN, mit Don Megowan als Karloff-Substitut. Der Pilotfilm fand keine Abnehmer. Sodann hatten die Direktoren der Columbia eine noch viel bessere Idee. Ausgerechnet Curt Siodmak scherzte stets, Eiscreme sei doch sehr lecker und Hering schmecke auch, also würden manche Filmleute denken, Hering mit Eiscreme sei die absolute Delikatesse (inzwischen gibt es Matjes-Eis!), somit das beste Geschäftsmodell. Und was lag da näher, als die beiden besten Grusel-Gäule, die sie in ihrem Stall hatten, zusammen an den Start zu schicken: Hammer Films und den Meister der makabren Gimmicks, TINGLER-Regisseur William Castle!

Was eine Sternstunde des Horrorfilms der 1960er-Jahre hätte werden können, geriet aber nur zum Halloween-Ulk einer Murder Mystery-Story von J. B. Priestley, veröffentlicht 1927 und zum ersten Mal verfilmt von James Whale 1932: Nicht länger als einen Tag darf eine merkwürdige Erbengemeinschaft das titelgebende Gruselhaus verlassen. Vor Mitternacht, rechtzeitig zur Geisterstunde, haben sich alle in dem Gemäuer einzufinden. Keine Gänsehaut, kein Schauder, kein Gelächter! urteilte Alan Frank seinerzeit. Offensichtlich hatte der in New York geborene Castle keinen Sinn für britischen Humor, und die Briten brachten kein Verständnis für den Amerikaner auf. Wenigstens hatte die erste Fassung eine erstklassige Besetzung (Boris Karloff, Raymond Massey, Charles Laughton, Melvyn Douglas, Gloria Stuart, Ernest Thesiger) und ist darum immer noch sehenswert, das Remake kann allenfalls mit Robert Morley und Mervyn Johns glänzen (immerhin!).

Und trotzdem kann dieses unscheinbare, vergessene, in Grund und Boden kritisierte Juwel mit meiner immerwährenden Sympathie rechnen, weil es der erste Hammer-Film ist, den ich in meinem Leben sah – und einer der ersten Horrorfilme überhaupt in einem Alter, da man so etwas nicht gesehen haben sollte. DAS ALTE FINSTERE HAUS wurde, neben ABBOTT & COSTELLO MEET FRANKENSTEIN, ein Eckstein meiner Bewunderung für phantastische, makabre Filme und für Hammer, zumal ich merkte, dass man solche Filme nicht allzu ernst nehmen darf. Nein, so schlecht kann er nicht gewesen sein.

Veröffentlicht wurde DAS ALTE FINSTERE HAUS im Rahmen der William-Castle-Collector´s-Edition von Koch Media. Das der Blu-ray-DVD-Edition beiliegende Booklet steuerte Thorsten Hanisch bei. Enthalten ist der Film sowohl in der Farb- wie auch der Schwarz-Weiss-Fassung. Letztere ist qualitativ vorzuziehen. Zwei Features, das knapp halbstündige NOT TOO SPOOKY und das achtminütige HOUSE AND CASTLE bieten willkommene Hintergrundinformationen.

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The Old Dark House | Großbritannien 1963 | Regie: William Castle | Darsteller: Tom Poston, Robert Morley, Janette Scott, Joyce Grenfell, Mervyn Johns, Fenella Fielding, Peter Bull u.a.

Anbieter: Koch Media