Dibbuk – Eine Hochzeit in Polen
Von Oliver Schäfer
Piotr (Itay Tiran) steht kurz vor seiner Hochzeit mit Zaneta (Agnieszka Zulewska), der Tochter eines mächtigen Unternehmers. Der hat ihnen ein Stück Land mit einem renovierungsbedürftigen Haus vermacht. Auf diesem Anwesen soll die Hochzeitsfeier stattfinden. Bei Baggerarbeiten zu dem geplanten Swimmingpool macht Piotr eine schreckliche Entdeckung: Ein menschliches Skelett. Piotr behält seine Entdeckung vorerst für sich und will zuerst die Hochzeit hinter sich bringen. Aber etwas hat ihn aus dem Grab verfolgt und sein Benehmen wird zunehmend seltsam, bis er direkt vor der Hochzeitsgesellschaft einen Anfall erleidet und die Dorfgemeinschaft von der Vergangenheit eingeholt wird.
DEMON ist weniger ein Horrorfilm, als vielmehr ein übernatürliches Drama mit sehr irdischen Konsequenzen. Schon die ersten Szenen deuten subtil das auf Piotr lauernde Unheil an. Auf dem Weg zu seiner Braut gleitet er auf einer Fähre am Ufer vorbei, wo gerade Sanitäter versuchen, eine sich wie wahnsinnig gebärdende Frau aus dem Wasser zu zerren. Ein mulmiges Gefühl bleibt zurück, als sich ihre Blicke treffen. Piotr wird von Zanetas Bruder und dessen Freund abgeholt und zu seinem zukünftigen, der Hochzeit gegenüber skeptischen Schwiegervater gebracht. Beide sehen sich dabei zum ersten Mal, da Piotr bislang in London lebte. Hier wird gleich das erste Glas Wodka getrunken. – eines von sehr vielen, die im Laufe des Films noch geleert werden. Nachdem Piotr beginnt, sich auf der Hochzeitsfeier immer seltsamer zu benehmen, wird mehr Wodka aufgefahren, um die Gäste noch betrunkener zu machen und sie von den merkwürdigen Vorkommnissen abzulenken – sie vergessen zu machen.
Womit wir beim eigentlichen Thema des Films ankommen. Dem Vergessen und Verschweigen von unbequemen Wahrheiten, von schlimmen Taten der Vergangenheit und letztlich dem Umgang der Polen mit ihren jüdischen Mitbürgern während der Herrschaft der Nazis. Das alles wird von Regisseur Wrona und seinen sehr talentierten Darstellern höchst unterhaltsam und kurzweilig, teils dramatisch, teils mit absurd treffendem Humor dargebracht. Wrona überzeichnet dabei bewusst manche Charaktere wie den übermächtigen Schwiegervater, der seinen Sohn unterschwellig für schwul hält; der seine Frau herumkommandiert und seiner Tochter vorwirft, dass man nicht genug über den zukünftigen Schwiegersohn wisse, sonst wäre es nicht zu dem Hochzeitsdebakel gekommen. Der örtliche Pfarrer ist ein Feigling, der sich aus allem heraushalten will und dem einzig anwesenden Juden, dem Piotrs Besessenheit von einem Dibbuk klar ist, will niemand zuhören.
Nach und nach enthüllt der Film die Vergangenheit der Familie, ja der gesamten Dorfgemeinschaft, die hier stellvertretend für die polnische Gesellschaft verstanden werden darf, die die Sünden der Vergangenheit lieber in einem Meer aus Wodka ertränkt, statt sich ihr zu stellen. Herausragend innerhalb des sehr guten Ensembles ist Hauptakteur Itay Tiran in einer darstellerischen Gratwanderung, die jederzeit glaubwürdig bleibt. Regisseur Marcin Wrona hat zusammen mit seinem Kameramann Pawel Flis stimmige Bilder eingefangen, teils kühl und grau, teils in einem warmen Sepiaton. Manches hat die Qualität alter Fotos.
Filme über Besessenheit sind nichts Neues, allerdings dürfte die hier gezeigte Kombination mit Antisemitismus und einer Kritik des Umgangs eines Volkes mit seiner Vergangenheit ziemlich einmalig sein. Leider werden wir von diesem Regisseur keine weiteren Filme zu sehen bekommen, da er sich in der Premierenwoche von DEMON während eines Filmfestivals in seinem Hotelzimmer erhängte.
___________________________________________________________
Demon, Polen/Israel 2015 | Regie: Marcin Wrona | Darsteller: Itay Tiran, Agnieszka Zulewska, Andrzej Grabowski, Tomasz Schuchardt, Katarzyna Herman u.a.
Anbieter: Donau Film
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.