Deadly Games – Stille Nacht, tödliche Nacht
Von Oliver Schäfer
Der neunjährige Thomas (Alain Musy) lebt mit seinem Opa (Louis Ducreux) und Mutter Julie (Brigitte Fossey), der Chefin eines großen Kaufhauses, in einer abgelegenen, riesigen schlossartigen Villa. Thomas vertreibt sich seine Zeit mit Abenteuerspielen, für die er das labyrinthische Innere der Villa mit allerlei Geheimgängen und einem ausgefeilten Überwachungssystem ausgestattet hat.
Thomas glaubt noch an den Weihnachtsmann und will mithilfe seiner Überwachungstechnik sehen, wenn dieser am Weihnachtsabend durch den Kamin gekrochen kommt. Tatsächlich erscheint der Weihnachtsmann, entpuppt sich jedoch als Psychokiller, der als erstes Thomas´ Hund um die Ecke bringt und sich dann auf die Jagd nach Opa und Thomas begibt. So beginnt eine wilde Hatz durch das häusliche Labyrinth, bei der Thomas seine ganze Cleverness aufbieten muss, um dem Irren zu entkommen.
Eine Geschichte wie diese erwartet man eher in einem amerikanischen, als in einem französischen Film. Und so erkennt man im Verlauf des Films auch allerhand Vorbilder und Reminiszenzen an das amerikanische Actionkino der 80er, u.a. RAMBO, PHANTOM KOMMANDO oder STIRB LANGSAM, die hier in mehr oder weniger „kindgerechter“ Form eingearbeitet wurden. Selbst Kubricks SHINING wird hier clever zitiert.
Bei aller Liebe, mit der der Film ganz offensichtlich geschrieben und gedreht wurde, ist jedoch auch deutlich erkennbar, warum DEADLY GAMES 1990 floppte und John Hughes HOME ALONE 1991 ein weltweiter Hit wurde, den Regisseur Manzor übrigens nach wie vor für von seinem Film abgekupfert hält. DEADLY GAMES ist relativ einfach gestrickt und ihm fehlt schlicht der Charme, den John Hughes seinem Film einhauchte. Auch die Finessen ähnlich gelagerter juveniler Abenteuerfilme aus Spielbergs Amblin-Schmiede, wie GREMLINS, GOONIES oder YOUNG SHERLOCK HOLMES, sind diesem Film meilenweit voraus. Die Ausgangssituation ist unglaubwürdig, die Geschichte steckt voller logischer Löcher, der Humor kommt entschieden zu kurz und die darstellerischen Leistungen sind stellenweise auch nicht sonderlich überzeugend.
Dazu kommt die Tatsache, dass Thomas eine dieser neunmalklugen Rotzgören ist, die man seinem ärgsten Feind nicht als Nachwuchs an den Hals wünschen würde. Und mal ganz nebenbei bemerkt – die Frisur des Jungen grenzt an Körperverletzung, selbst für Ende der 80er. Die erste halbe Stunde ist ziemlich träge und auch im weiteren Verlauf überzeugt Regisseur Manzor nicht unbedingt mit Gespür für gutes Timing. So kommt es immer wieder zu Durchhängern und manche Szene mäandert ziellos vor sich hin. Technisch ist der Film trotzdem nicht uninteressant, spielt er doch mit vielen Kameraperspektiven und optischen Gimmicks, die man durchaus auch in einem Film von Brian de Palma finden könnte. Auch die Gestaltung der Sets, die eine künstliche räumliche Tiefe erschaffen, sind hier zu loben. Grundsätzlich wirkt der Film teurer, als er nach Aussagen des Regisseurs tatsächlich war.
Darstellerisch überzeugt eigentlich nur Patrick Floersheim als Psychoweihnachtsmann. Er hat eine unheimliche Präsenz, die dadurch verstärkt wird, dass er praktisch kein Wort sagt. Louis Ducreux als Opa und Brigitte Fossey als Mutter haben recht wenig zu tun, so dass der ganze Film an dem immer leicht überforderten Alain Musy hängt, dem Sohn von Regisseur Manzor. Allerdings sind die Dialoge der deutschen Synchronfassung auch nicht gerade preisverdächtig. Insgesamt haben wir hier ein recht zwiespältiges Vergnügen, dessen Potenzial über gute Ansätze nicht hinauskommt. Nostalgiker dürften dennoch ihr Vergnügen haben.
Das Dreierpack von Camera Obscura ist allerdings über jeden Zweifel erhaben und bietet neben dem optisch sehr gut aufgearbeiteten Film auf DVD und Blu-ray noch eine Bonusdisc mit einem ganzen Haufen Extras, wie einem mehr als ausgiebigem Interview mit dem leicht verbittert wirkenden René Manzor, ein weiteres mit Hauptdarsteller Alain Musy, dem Kurzfilm Synapses, Storyboards, Galerien, Trailer und einem Video mit dem Titelsong von Bonnie Tyler.
Besonders gelungen ist auch der liebevoll gestaltete dreiteilige Discträger mit gemalten Filmmotiven. Hier hat sich jemand viel Arbeit für diese Veröffentlichung gemacht. Als Fan kann man sich da vermutlich nicht mehr wünschen. Der französische Originaltitel ergibt sich übrigens aus einer inzwischen veralteten Technik. Minitel war die französische BTX-Variante, praktisch ein Vorläufer des modernen Internets. Über bestimmte Zifferncodes konnte man dort öffentliche Informationsseiten aufrufen – in diesem Fall unter Code 3615 die Seiten des Weihnachtsmanns.
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3615 code Père Noël | Frankreich 1989 | Regie: René Manzor | Darsteller: Alain Musy, Brigitte Fossey, Patrick Floersheim, Louis Ducreux, Francois-Eric Gendron u.a.
Anbieter: Camera Obscura
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