Life
Von Michael Kathe
Das Drama ereignet sich in der nahen Zukunft und nahe der Erde, auf der Internationalen Raumstation ISS. Ein Team aus 6 Wissenschaftlern und Astronauten untersucht eine Marsprobe, die ihm von einer Raumsonde zugestellt wurde, und stellt fest, dass es sich um die erste ausserirdische Gesteinsprobe mit einer (einst lebendigen) Zelle handelt. Die Wiederbelebung dieser Zelle mit marsianischem Luftgemisch und vor allem Glukose geht nicht nur schnell vonstatten, die Zelle beginnt sich auch unglaublich rasant zu vermehren und zeigt als Zellhaufen faszinierende Eigenschaften: Jede einzelne Zelle ihres Zellkörpers kann alle Eigenschaften, die ein „klassischer“ Körper so braucht, fliessend übernehmen. D.h. eine Zelle kann in einem Moment audiovisuelle Funktionen übernehmen, sofort aber auch zum Muskel werden, oder denken oder Nahrung aufnehmen.
Nachdem der liebenswerte Zellhaufen einem Missgeschick zum Opfer fällt, eingeschlafen oder tot in der Petrischale liegt, versucht vor allem der Mikrobiologe Dr. Derry (Ariyon Bakare) ihn verzweifelt wieder zu beleben. Wohl auf etwas zu brachiale Art, mit kleinen Elektroschocks.
Es passiert, was eben oft passiert, wenn man eine fremde Lebensform mit mittelalterlichen Methoden behandelt: Der inzwischen Calvin getaufte Zellkörper vom Mars schafft es mühelos aus seiner Gefangenschaft, bringt Dr. Derry um, vergnügt sich an einer Laborratte (umschlingen, einsaugen, aussaugen) und schliesslich an Flugingenieur Roy Adams (Ryan Reynolds), der sich in einem irren Stunt in den Laborraum schleuste, um Calvin zu verbrennen. Doch der Superorganismus ist auch nicht brennbar. Und schon beginnt ein erbarmungsloses Hunting-down-Spiel, durchsetzt mit menschlichen Schwächen und Fehlern – während Calvin mächtig und glitschig geworden ist.
Calvin bahnt sich einen Weg durch den Kühlschacht, während vor allem Bordarzt Dr. David Jordan (Jake Gyllenhaal) und die Quarantänebeauftragte und Leiterin der Mission, Dr. Miranda North (Rebecca Fergusson) sich am besten gegen das überlegene Monster wehren können. Trotzdem funktioniert die Aufteilung der Fähigkeiten bei den beiden Menschen im Vergleich geradezu altertümlich. Sie versuchen – oft ohne klare Strategie – als Team zu arbeiten. Was aber in Schächten und luftleeren Räumen nicht immer funktioniert, während Egotrips ohnehin zum Scheitern verurteilt sind.
Und selbst Märtyrertode können dem inzwischen zu einer Art Tintenfisch gewandelten Superparasiten, der selbst eine gewisse Zeit im luftleeren Weltraum aushält, nicht viel anhaben. Regisseur Daniel Espionosas (SAFE HOUSE, KIND 44) ALIEN-Rip-off hat Drive, ist effektreich und gespickt mit relativ neuen Variationen des Jagens und Gejagt-Werdens (im Weltraum).
Wie schon bei Espinosas SAFE HOUSE, geht es auch in LIFE in erster Linie um die clevere Spannung. LIFE ist ein rechtes Stück raffinierter als die übliche Hollywood-Massenware (was ja durchaus zum Kinoerlebnis wird). Weshalb aber zum Beispiel das Alien „Calvin“ genannt wurde – nach dem radikalen Reformator des 16. Jahrhunderts? -, wird nicht ganz klar. Eben so wenig, weshalb Adams ausgerechnet Freuds TRAUMDEUTUNG liest (da wäre doch vielmehr Freuds Essay DAS UNHEIMLICHE angesagt).
Dafür machen die neuen Filmtechnologien den Weltraum wieder ein Stück sexier. In der Eingangsszene fängt Roy Adams auf halsbrecherische Weise den Satelliten vom Mars ein (nicht ganz so faszinierend wie GRAVITY, aber sehenswert). Schön auch, wie schnell und schwerelos die Schauspieler durch die langen Röhren der ISS fliegen.
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Life, USA 2017 | Regie: Daniel Espinosa | Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick | Kamera: Rasmus Videbaek | Musik: Jon Ekstrand | Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rebecca Fergusson, Ryan Reynolds | Laufzeit: 104 Min