Fungus – Pilz des Grauens
Von Alexander “Dr. Monkula“ Iffländer
Mit FUNGUS – PILZ DES GRAUENS gibt es einen neuen Gruselschocker auf die Ohren, und wer erkennt, dass die Herren Bodo Traber und Jörg Buttgereit dahinter stecken, dem ist wahrscheinlich schnell klar, dass dieses Hörspiel etwas mit dem Land der aufgehenden Sonne zu tun haben könnte. Die beiden kennt man als dynamisches Audiokommentar-Duo der „Kaiju Classics Special Editions“ beim Filmlabel ANOLIS Entertainment. Aber auch im Hörspielbereich sind beide seit mehreren Jahren recht umtriebig, wie z.B. für Produktionen des WDR. In der Tat handelt es sich bei FUNGUS um den japanischen Filmklassiker MATANGO (1963) von Godzilla-Godfather Ishirō Honda. Genauer noch basieren Film und Hörspiel eigentlich auf der Kurzgeschichte „The Voice in the Night“ (1907) von William H. Hodgson. Bei allen drei Werken ist die Quintessenz der Geschichte aber recht identisch.
In der Hörspieladaption vergnügen sich die fünf Freunde Takeshi und dessen Verlobte Kumi, Ryoto und dessen Freundin Emiko und ihr guter Freund Kenji in einer Bar in Tokio. Als die Meldung kursiert, dass es wieder zu einen Atomunfall kam und die nukleare Wolke geradewegs auf Tokio zieht, schlägt Kenji vor, der drohenden Gefahr mit der Segelyacht seines Onkels in Richtung Südsee zu den Fidschi-Inseln zu entfliehen. Im darauffolgenden Szenario trifft der liegengebliebene Fischtrawler “Ebirah Maru“ auf ein mysteriöses Schlauchboot; darin sitzt ein Mensch, der aus Krankheitsgründen nicht an Bord kommen möchte und auch sein Antlitz verbirgt. Der Unbekannte bittet nur um etwas zu essen und sagt, er wäre mit seinen Freunden auf einer Insel gestrandet und würde nun dort leben. Die Fischer möchten ihm aber nur Proviant abgeben, wenn er erzählt, was sich ereignet hat. Der Mann im Schlauchboot beginnt zu berichten. Bei dem Unbekannten handelt es sich um den Studenten Takeshi. Doch was war Takeshi und seinen Freunden bei ihrer Segelreise widerfahren? Welche Schrecken und Grauen lauerten auf der Insel? Es soll nicht zu viel verraten werden, das werdet ihr beim Hören herausfinden.
Das Hörspiel ist mit hochkarätigen Sprechern besetzt, die allesamt Phänomenales leisten. Synchronlegende Oliver Rohrbeck („Drei ???“), der den Takeshi spricht, sollte jedem bekannt sein. Sabine Jaeger als Kumi kennt man als Stimme von Lisa Kudrow aus der TV-Show FRIENDS. Als Emiko hören wir Ilona Otto (Brokowski), bekannt für die Stimme der Rory Gilmore aus GILMORE GIRLS. Der Hörspielsprecher, Schauspieler und Drehbuchautor Matthias Bundschuh verleiht Ryoto seine Stimme, während Werbe-, Synchron-, Hörbuch- und Off-Sprecher-Schwergewicht Norman Matt (bekannt als Stimme von Paul Rudd, Mark Ruffalo, Michael Fassbender und sehr vielen mehr) den Kenji spricht.
Ein großes Lob möchte ich den beiden Damen machen, denn in diesem Hörspiel wird des Öfteren von ihnen verlangt, dass sie mit besonders verführerischer Stimme sprechen, als wären sie rollige Katzen. Frau Jaeger und Frau Otto (Brokowski) überspitzen das Betörende und machen dabei einen derart guten Job, dass ihre Stimmen beim Zuhören ein fast fremdartiges Unbehagen auslösen. Die Erotik ist im Hörspiel auch viel stärker vorhanden als in der japanischen MATANGO-Verfilmung; in letzterer wird sie durch eine Montage von Tänzerinnen aus Tokioter Nachtclubszenen nur leicht angedeutet. Zudem ähnelt die Verfilmung in der ersten Stunde einem gesellschaftskritischen Drama, welches sich mit der Befreiung von Zwängen auseinandersetzt: Hier müssen sich die Gestrandeten auf der Insel nicht mehr der Hierarchie ihrer Jobs oder ihrem sozialen Stand unterordnen; es zählt das nackte Überleben, jeder Einzelne muss für Nahrung sorgen. Der Horrorpilz-Terror beschränkt sich auf die letzten 20 Minuten. Da geht das FUNGUS-Hörspiel im Vergleich schneller und geschickter mit der Handlung um.
Besonders hervorzuheben ist auch der exzellente Score und das schaurig-schöne, einen Hauch von Südseeatmosphäre transportierende 60´s Beat-Grusel-Titelthema „Pilz des Grauens“ von Andre Abshagen. Gäbe es diesen Song als 7´inch EP Vinyl, am besten mit einem passenden Cover, gemalt von Rainer Engel, würde ich sofort zuschlagen!
Das FUNGUS-Hörspiel ist ein herrlicher Gruselspaß, welcher sowohl die Kurzgeschichte von William H. Hodgson als auch die Verfilmung von Ishirō Honda souverän in die Gegenwart überführt, dabei interessante Veränderungen vornimmt und insbesondere zum Ende mit einer großen Überraschung aufwartet. Anhören unbedingt empfehlenswert, aber hütet euch vor dem Verzehr von Pilzen!…. Ohhh, ich muss euch warnen vor dem Pilz des Grauens, denn dieser Pilz ist der Tod!
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WDR 2016, Buch und Regie: Jörg Buttgereit & Bodo Traber, Musik: Andre Abshagen, Dramaturgie: Natalie Szallies, Regieassistenz: Luzie Kurth, Sprecher: Oliver Rohrbeck, Sabine Jaeger, Matthias Bundschuh, Ilona Otto (Brokowski), Norman Matt, Robert Kreuzaler, Dirk Müller, Joachim Kerzel, u.v.a.
Fotos: WDR / Matthias Scheuer