Frankensteins Höllenmonster
Von Gerd Naumann
Der nunmehr zwölfte Film, den Anolis in der Hammer-Edition auf Blu-ray veröffentlicht, war bis vor nicht allzu langer Zeit dem deutschen Publikum wenig bekannt. FRANKENSTEIN AND THE MONSTER FROM HELL (1974, FRANKENSTEINS HÖLLENMONSTER) war ehedem in deutschen Kinos nicht zu sehen, auch Fernseh- oder Videoauswertungen blieben dem Frankenstein´schen Schwanengesang von Terence Fisher verwehrt. Dieser abschließende Beitrag zur legendären Frankenstein-Reihe von Hammer war nicht nur für Terence Fisher die letzte Regiearbeit überhaupt, auch Peter Cushing gab mit seinem Auftritt eine letzte Galavorstellung in seiner Paraderolle des von irrsinnigem Ehrgeiz angetriebenen Wissenschaftlers. Was über drei Jahrzehnte brach lag, das gelang Anolis 2004 in der damaligen, auf DVD erschienenen, Hammer-Edition. Aufwendig ließ das Label den Film in deutscher Sprache synchronisieren und es gelang sogar, Friedrich Schoenfelder als Sprecher für Peter Cushing zu engagieren. Dieser synchronisierte Cushing voller Verve und Spielfreude und es war ihm nicht anzumerken, dass er Cushing als Baron Frankenstein zuvor letztmalig in FRANKENSTEIN MUST BE DESTROYED (FRANKENSTEIN MUSS STERBEN, 1969) die Stimme geliehen hatte. Nun, nach über zwölf Jahren, schließt sich der Kreis und Anolis rettet FRANKENSTEIN AND THE MONSTER FROM HELL in das Zeitalter von High Definition und Flachbildfernsehern. Nach THE EVIL OF FRANKENSTEIN (1964, FRANKENSTEINS UNGEHEUER), dem dritten Beitrag aus der langlebigen Filmreihe, tritt der Baron also ein zweites Mal in der Anolis-Blu-ray-Serie in Erscheinung – und er macht eine gute Figur. So schön hat der Film nie zuvor ausgesehen und geklungen.
Mit einer Ausnahme übernahm Genreikone Peter Cushing jeweils die Hauptrolle des Wissenschaftlers Baron Frankenstein. Dieser durchläuft im Hammer-Kanon eine Entwicklung vom redlichen Wissenschaftler, der aus Erkenntnisinteresse ethische Bedenken über Bord wirft, hin zum manischen Verbrecher. Waren die Beweggründe in THE CURSE OF FRANKENSTEIN (1957, FRANKENSTEINS FLUCH), dem Ur-Film der Reihe, vor dem Hintergrund bedingungsloser Hingabe an die Forschung verständlich, zwangen die äußeren Umstände den Baron bereits in der ersten Fortsetzung THE REVENGE OF FRANKENSTEIN (1958, FRANKENSTEINS RACHE) zu einem Leben unter falscher Identität und zu einem ungeplanten Körperwechsel. THE EVIL OF FRANKENSTEIN schloss den Bogen zum ersten Teil, Frankenstein beschließt nach über einem Jahrzehnt wieder nach Karlstadt zurückzukehren, wo er einst seine ersten unseligen Experimente durchführte. FRANKENSTEIN CREATED WOMAN (1967, FRANKENSTEIN SCHUF EIN WEIB) wiederum variierte die bereits in James Whales THE BRIDE OF FRANKENSTEIN (1935, FRANKENSTEINS BRAUT) angedeutete Verschmelzung von Mannmonster und Feminität. FRANKENSTEIN AND THE MONSTER FROM HELL bildet den logischen Abschluss der Cushing-Filme, hier ist unübersehbar, dass der Baron durch die zahlreichen Rückschläge und Entbehrungen nicht nur seine Gesundheit, sondern auch seinen Verstand aufs Spiel gesetzt hat. Mehr noch – der Baron hat letzteren verloren. Zwar agiert er immer noch planerisch, der zwingenden Logik seiner Handlungen entsprechend. Der moralische Kompass, der Ehrenkodex des Wissenschaftlers, der in den Vorgängerfilmen noch minimal vorhanden war, ist hier jedoch verloren gegangen. Entsprechend wird dem Baron mit der Figur des Mediziners Doktor Helder ein junger Gegenentwurf zur Seite gestellt, der als Spiegelbild des Ehrgeizes und des Sinnstrebens des jungen Frankenstein fungiert. Im Gegensatz zu diesem regen sich bei Helder allerdings zunehmend Zweifel am Sinn der Experimente… FRANKENSTEIN AND THE MONSTER FROM HELL ist ein Spiel mit Wahnsinn und Vernunft, entsprechend ist der Schauplatz dieses wahnsinnigen Werks auch eine Irrenanstalt…
Erschienen ist der Film als Mediabook- wie auch als Standardausgabe, der Ton liegt in Deutsch und Englisch vor. Es finden sich neben den gewohnt souveränen Kommentaren von Rolf Giesen und Uwe Sommerlad verschiedene Trailer, zeitgenössisches Pressematerial und Bildergalerien. Von der DVD-Erstveröffentlichung übernommen wurden die Interviews mit den Synchronsprechern Friedrich Schoenfelder und David Nathan. Filmhistorisch interessant ist ein zweiter Audiokommentar, in dem unter anderem die Darsteller Shane Briant und Madeline Smith zu Wort kommen. Zwei ausgezeichnete Dokumentationen seien besonders hervorgehoben. TERENCE FISHER – CHARMING EVIL bietet Hammer-Kennern zwar wenig neue Informationen, jedoch ist diese Dokumentation sehr unterhaltsam und kurzweilig anzusehen. Spannend ist vor allem der fast halbstündige Beitrag TAKING OVER THE ASYLUM, in dem sehr fundiert und charmant über die Produktionsumstände zu Hammers letztem Frankenstein-Film geplaudert wird. Alles in allem also wieder ein gelungene Veröffentlichung, die jedem Liebhaber, Sammler und Filmfreund vorbehaltlos ans Herz gelegt werden darf.
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Frankenstein and the Monster from Hell, Großbritannien 1974, Regie: Terence Fisher, Mit: Peter Cushing, Shane Briant, Madeline Smith, Bernard Lee, David Prowse, John Stratton, Philip Voss u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment
Danke für den schönen Artikel; einziger Wehmutstropfen ist die fehlende Erwähnung von FRANKENSTEIN MUST BE DESTROYED (1969), der vor zwei Jahren sogar in einer sehr schönen Kopie in Wien zu sichten war. (http://www.filmmuseum.at/jart/prj3/filmmuseum/main.jart?rel=de&reserve-mode=active&content-id=1216730387413&veranstaltungen_id=1405330981911&anzeige=)
Liebe Grüße aus dem Wienerwald
Verzeihung, fehlt ja nur unten in der Aufzählung, da lohnt sich doch stets ein zweites Mal zu lesen.