Queen of Earth

Queen of Earth

Von Till Kadritzke

Zwei Frauen am See, der Horror ganz nah: Alex Ross Perry bedient sich in der Motivkiste der Filmgeschichte und erweitert sein pessimistisches Laberkino um ein feines kleines Psychodrama.

Alex Ross Perrys neuester Film ist eine Art weibliches Spin-off des männlichen LISTEN UP PHILIP (2014). Schon dort wurde die Reise des Helden unterbrochen, um bei der verlassenen Freundin zu verharren. Hier nun folgt Perry der verlassenen Catherine, abermals gespielt von Elizabeth Moss, gleich einen ganzen Film lang. Das ist eine interessante Übung, war Perry doch bei aller Solidarität mit den Frauen in seiner formalen Herangehensweise den männlichen Figuren näher: im verspielten Comedy-Modus, stets mit dem smarten Spruch auf den Lippen. QUEEN OF EARTH ist nun eher kreisend denn vorantreibend, eine gehörige Spur langsamer, erinnert in seiner Dialogstruktur und mit seinem Setting an einem einsamen Haus am See eher an Ingmar Bergman als an Woody Allen – und möchte das freilich auch. Schon aus dem Stil der Opening Credits spricht die Cinephilie des Regisseurs, vielleicht auch eine nicht ganz gesunde Ambition, aber QUEEN OF EARTH bleibt trotz der filmhistorischen Anklänge ganz bei seinen Figuren und bei jenen Motiven, die Perry von Beginn an umgetrieben haben. Das Schwelgen im vergangenen Autorenkino ist bei ihm lustvoll aufgeladen und drängt doch nicht in den Vordergrund, verleiht seiner Stimme mehr Kraft, lässt diese Stimme aber stets von gänzlich eigenen Dingen sprechen.

queen.of.earth.2015.still2In einer wunderschönen Sequenz sitzen Catherine und ihre beste Freundin Virginia (Katherine Waterston), auf deren Landhaus sie sich zurückgezogen haben, nebeneinander; die Kamera gleitet von der einen zur anderen; die beiden Frauen erinnern sich an Ex-Freunde, an ihre Wut und Enttäuschung nach der Trennung. Sie interpretieren diese Trennungen, spüren dem damals Gefühlten nach, entwickeln Thesen daraus. Die scharfen, präzisen Gedanken wirken dabei nicht gekünstelt oder vom smarten Regisseur in den Mund gelegt, weil völlig klar ist, dass es Gedanken sind, die in diesem Moment vielleicht das erste Mal artikuliert werden, die aber ein bewegtes präverbales Leben hinter sich haben, tausendmal gedacht worden sind. Und deshalb drücken sie sich hier auch weniger in einem Gespräch aus als in zwei Monologen: nebeneinander, nacheinander. Perry nimmt sich in QUEEN OF EARTH zwar der Verlassenen an, legt aber weiterhin den Finger in die Wunde privilegierter Selbstbezüglichkeit.

Seiner Protagonistin injiziert Perry dann aus dem Bergman-Setting heraus eine gehörige Portion EKEL (Repulsion, 1965). Catherine macht nicht nur einfach eine schwere Phase durch, sie ist kaum lebens- und liebensfähig, abhängig von Menschen, die an ihr nicht mehr hängen, und deshalb in einem Zustand der Indifferenz, der jederzeit in Unberechenbarkeit umschlagen kann. Denn auch die Beziehung zwischen den beiden Frauen ist alles anderes als eine gefestigte Freundschaft, hat geschluckte Enttäuschungen noch nicht verdaut, ist deshalb prekär, hängt am seidenen Faden, oder eher an einem Stück Stacheldraht, das sich immer wieder tief ins Fleisch gräbt. Vor allem wenn ein Dritter hinzukommt, Virginias love interest Rich (Patrick Fugit) etwa. Die labilen Psychen spiegelt der Film in einer Struktur, die selbst immer wieder zusammenbricht. Denn die in verschnörkelter Schrift sich aufs Bild legenden Einblendungen der Wochentage sorgen nur zum Schein für Orientierung, zwischen ihnen ist Patz für Ellipsen und Rückblenden, für Nebenstränge, die wieder im Sande verlaufen, für Andeutungen, die nicht ausgedeutet werden, für Horror-Elemente, die sich zunehmend einschleichen. Auch die formal weniger klaustrophobischen Außenszenen am idyllischen See vermögen die Spannung nicht zu lösen, verstärken sie noch, weil die psychischen Zwänge sich nun auch den Raum der Freiheit erschließen.

Perrys Blick auf diese Frauen ist so erbarmungslos wie sein Blick auf die selbstgerechten Schriftsteller in LISTEN UP PHILIP. Der Regisseur ist nicht nur Kritiker männlichen Geltungsdrangs, sondern radikaler Pessimist, daran führt kein Weg vorbei. Dass seine Filme dank Dialogwitz und dynamischer Inszenierung dabei großen Spaß machen, folgt keinem Trotzdem, sondern gehört zum Prinzip. Comedy als reine Form, von innen ausgehöhlt. Es ist eine Art Miserabilismus zweiter Ordnung, dem sich Perry verschrieben hat. Große Klappe, und nur Abgründe dahinter. Überzeugend ist das deshalb, weil seine Figuren niemals nur Drehbuchgeburten im Dienst eines abstrakten Nihilismus, sondern stets gesellschaftlich und im Hier und Jetzt verankert sind: Manifestationen zeitgenössischer Anforderungen an das freiheitsmüde Subjekt, Produkte spezifischer soziokultureller Milieus und zugleich diesem Sog widerstehende Instanzen. So wie Elizabeth Moss’ Gesicht, auf dem sich ein nicht unerheblicher Teil dieses Films abspielt, zerrissen ist zwischen den unterschiedlichsten Bewegungen und Zuckungen, lagern sich in ihrer Figur soziale, psychische, affektive Schichten ab, ohne sie gleich vollständig zu determinieren. Als derlei unsouveräne, fragmentierte, selbst noch von unserer Unabhängigkeit abhängige Wesen müssen wir dann noch untereinander Beziehungen führen, Empathie empfinden, füreinander da sein, wie soll das gehen?

Erschienen auf Critic.de

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Queen of Earth, USA 2015 | Regie/Buch: Alex Ross Perry | Mit: Katherine Waterston, Elisabeth Moss, Kate Lyn Sheil , u.a. | Laufzeit: 90 Minuten, noch kein deutscher Verleih.