The Railway Man
Von Caroline Lin
England 1980. Der britische Weltkriegsveteran Eric verliebt sich Hals über Kopf in die Ex-Krankenschwester Patti und heiratet sie zwei jahre darauf. Aber der Zug-Enthusiast wird von schweren Kriegstraumata geplagt, die er in japanischer Gefangenschaft während des Zweiten Weltkriegs erlitt. Als sich herausstellt, dass sein japanischer Folterer noch lebt, reist er nach dem Freitod seines Kameraden nach Fernost, um Rache zu nehmen.
Nach der im Erscheinungsjahr des autobiografischen Bestsellers von Eric Lomax 1995 erfolgten TV-Adaption PRISONERS IN TIME mit John Hurt folgt vom Australier Jonathan Teplitzky (BURNING MAN) eine späte, aber bewegende Kinoversion, deren Premiere der Veteran leider nicht mehr erlebte. Bei den in Rückblenden aufgeblätterten Kriegsgräuel-Memoiren stellt die Leistung von Jeremy Irvine (aus Spielbergs GEFÄHRTEN) die der Stars glatt in den Schatten.
Er spielt den jungen Offizier und Ingenieur, dessen Regiment 1942 vor den Japanern in Singapur kapituliert und nach der Deportation in Thailand als brutal misshandelte Sklavenarmee für das rassistische Herrenmenschen-Imperium eine Eisenbahnlinie im Dschungel unter inhumanen Bedingungen errichten muss. Auch über den Fluss Kwai, berühmt geworden durch David Leans Unbeugsamen-Epos DIE BRÜCKE AM KWAI.
In der Gegenwart von 1983 erleidet Colin Firth (A SINGLE MAN) PTSD-Flashbacks, die ihn ins Konzentrationslager zurückversetzen und die dunkle Folterkammer, in die ihn ein sadistischer japanischer Übersetzer zerrt. Was er dort Unaussprechliches erlebt hat, kann er weder seiner frisch Angetrauten (mausgrau, aber innerlich leuchtend: Nicole Kidman) noch seinem Leidensgenossen Finlay (Stellan Skarsgård, jüngst in HECTORS REISE) mitteilen.
Dramaturgisch geschickt enthüllt Teplitzky seine Tortur Stück für Stück, ohne zu deutlich zu werden. Dass die Japaner die Engländer so grausam behandelten wie die Nazis die Osteuropäer, wühlt emotional auf und ist der Anfang eines Martyriums, das mit der Entdeckung eines selbst gebauten Radioempfängers eine Verschärfung erfährt – Eric opfert sich für seine Kameraden, wofür man seine Knochen zu Klump schlägt.
Denn er wird für einen Spion gehalten. Als Zeichen für die Barbarei der Peiniger bricht man ihn mit Waterboarding (was das wohl über die Amis aussagt, die in Guantanamo diesen Wassersport als Standard betreiben?). Soweit das Szenario mit Anklängen an GESPRENGTE KETTEN und MERRY CHRISTMAS MR. LAWRENCE. Als Eric schließlich erfährt, dass sein Quäler Nagase noch lebt und straffrei davonkam, steht Revanche im Raum.
Die Aufarbeitung und Traumabewältigung wählt mithin nicht den (deutschen) Weg des betroffenen Problempornos, sondern den eines menschlich spannenden Rachedramas, das in jedem Aspekt wie ein Thriller wirkt. Auch wenn schockierende Suizide von gequälten Psychen erzählen, von aufgestauten Aggressionen und Seelen, die für immer im Krieg blieben: Es geht darum, sich vor Ort seinem Trauma zu stellen und Frieden zu finden.
All dem verleihen die Mimen Aufrichtigkeit. Direkte Gespräche, gemeinsam mit Patti, stellen Kriegsverbrechen klar, benennen Schuld und Taten, gestatten berührende Gesten von ehrlicher Aussöhnung und Vergebung, wie sie nur zwischen Beteiligten möglich sind. Ein ruhiges, machtvolles Drama gegen den Hass. Beider Treffen findet sich auch in der Doku ENEMEY, MY FRIEND? sowie Takashi Nagases Buch „Crosses and Tigers“.
Erschienen auf Komm & Sieh
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The Railway Man, Australien/Großbritannien/Schweiz 2013 | Regie: Jonathan Teplitzky, Buch: Frank Cottrell Boyce, Andy Paterson, Buchvorlage: Eric Lomax | Mit: Colin Firth, Nicole Kidman, Stellan Skarsgård, u.a. | Laufzeit: 116 Minuten, Verleih: Studiocanal (Kinostart: 02.04.2015).