The English

The English

Von Oliver Schäfer

Das schon x mal totgesagte Westerngenre will einfach nicht sterben. Ganz im Gegenteil. Neben Jane Campions POWER OF THE DOG und kleinen Perlen wie OLD HENRY hat insbesondere Autor, Regisseur und Produzent Taylor Sheridan mit seinem stetig wachsenden YELLOWSTONE-Universum zum aktuellen Western-Revival beigetragen.

Auftritt Hugo Blick. Der britische Autor, Regisseur und Produzent hat sich in den letzten Jahren mit einigen exzellenten Miniserien (BLACK EARTH RISING, THE HONOURABLE WOMAN) einen Namen gemacht. Deren Besonderheit liegt einerseits in den teils hochkomplexen und politischen Geschichten, andererseits in den facettenreichen Rollen, die er seinen Hauptdarstellerinnen auf den Leib geschrieben hat. Beide Qualitäten finden sich auch in dieser ungewöhnlichen und mysteriösen Westernserie, deren 1890 angesiedelte, geheimnisvolle Rachegeschichte sich von Folge zu Folge langsam offenbart, die nebenher aber auch viel über die gesellschaftlichen Zwänge der Zeit, Geschlechterrollen, Rassismus, Liebe und Gewalt erzählt.

Cornelia Locke (Emily Blunt – A QUIET PLACE) ist aus zwei Gründen von England nach Amerika gereist. Einerseits um ihren Verlobten zu finden, andererseits um den Tod ihres Sohnes zu rächen und seinen Mörder umzubringen. Eli Whipp (Chaske Spencer – TWILIGHT) gehört zum Pawnee-Stamm und war jahrelang als Scout im Dienst der Kavallerie, somit mitverantwortlich für viele tote Indianer. Nun, da er nicht mehr in der US-Armee dient, will er das als Belohnung versprochene Land in Besitz nehmen und dort zur Ruhe kommen. Solange er Teil der Armee war, sorgte die Uniform für einen gewissen Schutz, den er nun nicht mehr genießt. Das Leben wird gefährlicher für ihn. Ein zufälliges Treffen bringt Eli und Cornelia zusammen und macht aus ihnen unfreiwillige Gefährten auf einer Reise voller Gefahren und Konfrontationen in denen Eli Cornelia retten muss oder Cornelia Eli retten muss, oder sie sich gegenseitig retten müssen. Der Bodycount steigt stetig, mehr Blut fließt und kaum eine Folge endet, ohne dass Eli und Cornelia weitere Leichen hinter sich lassen.

Emily Blunt porträtiert subtil die innere Trauer ihrer Figur, gepaart mit einem eisernen Willen, auf schnellstem Wege ans Ziel ihrer Reise zu gelangen. Dabei ist sie oft wunderbar hemdsärmelig und pragmatisch und nebenbei auch noch eine ausgezeichnete Schützin, sowohl mit dem Gewehr, als auch mit Pfeil und Bogen. Chaske Spencer steht ihr in nichts nach in seinem Portrait des innerlich zerrissenen Pawnee, der eigentlich anderen Pläne hat, aber doch nicht von Cornelia loskommt und sich dieser Aufgabe mit unnachgiebiger Entschlossenheit stellt. Prägnante und originelle Nebenrollen werden von hochklassigen Charaktermimen wie Ciaran Hinds, Toby Jones und Stephen Rea geadelt, während der sonst auf nette Typen abonnierte Rafe Spall hier als besonders unangenehmer Schurke überrascht.

Das elegante Drehbuch von Hugo Blick setzt überwiegend auf sparsame aber pointierte, manchmal auch schreiend komische Dialoge und eine Menge Bildsprache, die dank der wunderbaren, teils epischen, teils sehr intimen Bilder von Kameramann Arnau Valls Colomer zum schönsten gehören, was man in den letzten Jahren auf dem Bildschirm sehen konnte. Die Farbdramaturgie des in Spanien und USA gedrehten Werks ist atemberaubend. Überhaupt ist die gesamte Ästhetik und Detailfreude dieser Produktion bemerkenswert, angefangen bei der tollen Titelsequenz, über die sich mit Fortschreiten der Reise verändernden Kostüme, die gut gewählten Schauplätze und das prägnante Produktionsdesign bis zum Morricone-inspirierten Score von Federico Jusid.

Die ersten beiden Folgen können die Geduld der Zuschauer etwas auf die Probe stellen – hier hilft es, einfach die Schauspielkunst der Hauptdarsteller zu genießen. Spätestens ab Folge drei entfaltet die Serie jedoch ihr volles Potential und aus der anfangs verworrenen Geschichte entwickelt sich ein fesselndes und emotionales Abenteuer voller darstellerischer und kreativer Highlights und einer absolut unerwarteten Auflösung.

Insgesamt ist diese Serie ein ebensolcher Genuss, wie es 2021 Craig Zobels MARE OF EASTTOWN mit Kate Winslet war. Sie ist auf DVD und Blu-ray über Polyband erhältlich.

___________________________________________________________________

The English | GB/USA 2022 | Regie: Hugo Blick | Darsteller: Emily Blunt, Chaske Spencer, Rafe Spall, Ciaran Hinds, Tom Hughes, Stephen Rea, Steve Wall, Valerie Pachner, Nichola McAuliffe, Toby Jones, Forrest Goodluck u.a. | – 6 Folgen à 48-70 Minuten

Anbieter: Polyband