Yellowstone, 1. + 2. Staffel
Von Michael Kathe
Wer hätte gedacht, wieder mal voller Begeisterung einen Film mit Kevin Costner zu schauen bzw. eine Serie? In Taylor Sheridans Serienopus YELLOWSTONE spielt er überzeugend und mit der passenden Mischung aus Väterlichkeit und Bestimmtheit den reichen Ranchbesitzer John Dutton. Sein ungeheuer großes Land, das an den Nationalpark angrenzt, versucht er mit Hilfe seiner Kinder vor dem Zugriff verschiedener Mächte zu verteidigen. Dutton ist der King des Bundesstaates Montana. Nichts geschieht im gesamten Tal ohne seine Zustimmung.
John Duttons Art von Ranchbesitzern eignete sich ihr Land in der Zeit nach dem US-Bürgerkrieg an, in den 1870er und 1880er Jahren und viele Nachfahren dieser Rancher sind heute Besitzer in der siebten, achten Generation. Ironie also, dass einer der Kämpfer um das Land der Leiter des Indianerreservats und damit verknüpft Casinobesitzer Chief Thomas Rainwater (Gil Birmingham) ist, der sich zurückholen will, was vor vielen, vielen Monden nicht den Weißen gehörte, sondern seinem Volk. Rainwater verbündet sich mit dem kalifornischen Bauunternehmer Dan Jenkins (Danny Huston, Sohn von John und Halbbruder von Anjelica), der nach Montana kam, um Condos für reiche Amerikaner zu bauen. Ein Trend, der in den USA offenbar in vollem Gange ist und den Taylor Sheridan als „Gentrification of the West“ bezeichnet.
Mit der Modernisierung Montanas hat Dutton auch in seiner Familie zu kämpfen. Keiner seiner Söhne ist wie er. Lee (Dave Annable) ist zumindest ein kerniger Cowboy, der am ehesten John nachschlägt. Sein Tod bedeutet allerdings das Ende der naheliegendsten Nachfolgeregelung. Es bleiben Kayce (Luke Grimes) und Jamie (Wes Bentley), beide etwas zu sehr beeinflusst von der Welt des 21. Jahrhunderts. Jamie ist ein trockener Jurist, kein Macher. Stets vom Vater als minderwertig erachtet, scheitert er an seinen Versuchen, sich von der Familie zu emanzipieren. Kayce hat sich von der Familie losgesagt, um mit der Indianerin Monica (Kelsey Asbille) und ihrem gemeinsamen Sohn Tate in bescheidenen Verhältnissen in einem Trailer zu leben. Und dann ist da noch die Tochter, Beth (Kelly Reilly). Sie sorgt für extrem viel Unterhaltung im YELLOWSTONE-Universum. Sie sieht blendend aus und weiß alle Tricks und Vorzüge einer reichen Tochter aus einflussreicher Familie – manchmal auf sehr unkonventionelle Weise – einzusetzen. Gleichzeitig fehlt ihr der Sinn des Daseins. Trotz ihrer großen Smartness und Skrupellosigkeit zieht sie es oft vor, sich halb bewusstlos zu trinken und dann irgendwelche Männer abzuschleppen. Was die Zuschauer schnell einmal ahnen: Sie ist der gefallene Engel, der mit etwas Sinngebung die perfekte Nachfolge des nicht minder skrupellosen Vaters antreten könnte. Denn It’s all about the Family bei John Dutton, und der familiäre Machterhalt wird auch für Beth zum Antrieb, ihre ungenutzten Kräfte zu mobilisieren.
Daneben zeigt YELLOWSTONE auch immer das Leben der Cowboys, die sich um Rinder und Pferde kümmern. Angeführt von Rip Wheeler (Cole Hauser), der – von John Dutton als Waisenkind aufgenommen – für seinen Boss alles tun würde. Rip leitet die Horde Cowboys, die in einem Massenschlag bei der Ranch essen und schlafen – alles ehemalige Sträflinge, denen Dutton ab Gefängnisaustritt eine Chance gibt und denen als Zeichen ihrer Zugehörigkeit ein grosses „Y“ auf die Brust gebranded wird. Auch wenn so das Gefängnis in gewisser Weise fortgesetzt wird, genießen die Jungs doch viele Freiheiten, Kumpanei und Zusammenhalt. Die Sinngebung für Ex-Gefangene funktioniert meistens, doch Probleme ergeben sich daraus allemal auch. Allein der junge Jimmy (Jefferson Hurdstrom), schlaksig, ungeschickt und verstört, sorgt für genügend Probleme – und als schließlich noch seine Eltern von anderen Ex-Zuchthäuslern ermordet werden, weil er noch Geld schuldet, greift Rip ein. Im Sinne der Cowboy-Familie.
In der ersten Staffel fühlt sich die Bedrohung der Dutton-Ranch noch etwas zahm an, hier werden eher die Figuren brillant eingeführt. DALLAS fürs neue Jahrtausend. Regie führte in jeder der Staffeln der Schöpfer von YELLOWSTONE selbst, Taylor Sheridan, der ja als Drehbuchautor und Regisseur von WIND RIVER und als Drehbuchautor von HELL OR HIGH WATER sich bereits mit dem US-Landleben und der Rolle der Indianer in den Reservaten in famosen Portraits auseinandergesetzt hat. Hier ist die Indianerproblematik zwar nebensächlich, aber immer wieder auf eine Art präsent, die glaubwürdig und keinesfalls beschönigend dargestellt wird. Auch wenn die feine Linie zwischen einer kritischen Darstellung des Machterhalts einer weißen Herrscherfamilie und deren Heroisierung bisweilen ins Zweitere kippt (ganz einfach, weil man die Protagonisten und ihre Probleme zu lieben beginnt), arbeitet Sheridan doch immer wieder einen Realismus in der Darstellung der Gesellschaft heraus, der fasziniert. Tatsächlich wird der Erhalt des ländlichen Status Quo zum Hauptmotiv der Serie, das sich durch viele der großen und kleinen Geschichten zieht, ob nun Yuppie-Wohnungen im prachtvoll gefilmten, naturbelassenen Tal gebaut werden sollen oder ob Monica die Chance ergreifen soll, statt die Kids im Reservat als Lehrerin zu unterstützen, als Dozentin für Native American History an der Universität zu lehren.
Als dann aber in der zweiten Staffel ein Brüderpaar auftaucht, das sich als unabhängige weitere Gruppe die Dutton Ranch unter den Nagel reißen will, beginnt ein Reigen aus Blut und Gewalt. Und Spannung. Wirkten alle Aktionen in der ersten Staffel noch etwas ländlich-rüde, aber zivilisiert, wird man beim Anschauen der zweiten Staffel plötzlich von der Drastik der Ereignisse überrumpelt. Die Beck Brothers verlassen sich nicht auf vertragstechnische Tricks und Bestechung, um an ihr Ziel zu kommen, sondern setzen bewusst Entführungen und Morde ein. Mit ihnen kommt ein dicker Hauch New Yorker Gangsterwelt in die Prärie des US-Nordens. Das verlangt nach ganz neuen Allianzen und einer geschlossenen Front der Familienmitglieder.
Doch die Staffel ist nicht ausschließlich von der brutalen Auseinandersetzung verschiedener Parteien geprägt. Dem gegenüber zieht Taylor Sheridan auch die Melodram-Schraube fest an. Die Eheprobleme und Trennung von Kayce und Monica, eine Schwangerschaft von Jamies Ex-Freundin, die ihn zu einem anderen Menschen macht, die Jungendliebe von Beth und (nein, kein Spoiler hier) sind einige der Substories, die den Soap-Faktor hochschnellen lassen. Vielleicht gerade wegen der Übertreibungen allerorten ist YELLOWSTONE eine der packendsten und unterhaltsamsten Serien der letzten Jahre.
Ab der zweiten Staffel gab Sheridan die Regie ab. Regie führten nun nicht nur Stephen Kay (GET CARTER, BOOGEYMAN) und serienerprobte Regisseure wie Ed Bianchi und Guy Ferland, sondern auch der einst brillante John Dahl (u.a. RED ROCK WEST, THE LAST SEDUCTION), der sich leider seit 2007 auch nur mit der Umsetzung einzelner Serienepisoden abgeben muss (z.B. CALIFORNACATION, TRUE BLOOD, DEXTER). Dahl, der in den Neunzigern bereits die außergewöhnlich coolsten Frauenfiguren zeichnete, kann jedenfalls mit Beths Charakter umgehen, ihre Härte und Konsequenz überzeugend darstellen. Wobei die Frage aufgeworfen sei, wie wichtig Regisseure in brillant orchestrierten TV-Serien überhaupt noch sind. Bei den erstklassigen Serien liegt Auteurship längst nicht mehr beim Regisseur, sondern beim (irgendwie gearteten) „Creator“. Taylor Sheridan schafft es, seine Auteurship als Scriptwriter von SICARIO (eigenwillig und brillant gedreht vom Regie-Autor par exellence, Denis Villeneuve), genauso ins Bewusstsein zu rücken wie als Erschaffer der Serie YELLOWSTONE. Das wiederum nennt sich auch Marketing.
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Yellowstone, USA 2018/19 | Regie: Taylor Sheridan u.a. | Idee: Taylor Sheridan, John Linson | Darsteller: Kevin Costner, Luke Grimes, Kelly Reilly, Wes Bentley, Cole Hauser, Kelsey Asbille, Danny Huston, Gil Birmingham u.a. | Laufzeit: 19 x 40 bis 90 min
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