Zoolander No. 2

Zoolander No. 2

Von Peter Clasen

15 geschlagene Jahre nach Ben Stillers genialer Modewelt- und Agentenfilm-Satire von 2001 kommt nun seine ebenso geniale Fortsetzung ins Kino, wieder mit ihm selbst, Owen Wilson, Will Ferrell und erstmals Penélope Cruz in den Hauptrollen – dazu mit Dutzenden von (Mode-) Stars in Miniauftritten (z.B. Tommy Hilfiger, Anna Wintour, Billy Zane)…

Zoolander2_PosterDerek Zoolander, einst das berühmteste Model der Welt, hält sich für den totalen Versager, der er tatsächlich ist, und hat sich in die Einsamkeit verkrochen. Er ist nicht nur schuld am Tod seiner Frau und an den schweren Verletzungen von Hansel McDonald, sondern auch daran, dass ihm der Sohn genommen wurde. Freund und Kollege Hansel wollte nie wieder mit Derek zu tun haben, doch eine Einladung zu einem Mode-Event in Rom führt sie beide wieder zusammen. Dort ist kurz zuvor Justin Bieber erschossen worden – und starb mit einem besonders coolen Blick. Doch was hat der nur zu bedeuten?

Valentina Valencia, Fashion-Polizistin von Interpol, weiß, hier kann nur Derek Zoolander helfen: Mit seinen legendären Blick-Kreationen schlug er einst nicht nur Modewelt und Werbeindustrie in seinen Bann – er stoppte damit gar einen chinesischen Wurfstern! Dereks und Hansels Rückkehr auf den Laufsteg erweist sich als Lachnummer – und Dereks endlich gefundener Sohn Derek Junior als Dickerchen, das seinen Vater hasst. Dafür sind Derek und Hansel als Agenten nicht schlecht: Als Derek Jr. gekidnappt wird, nehmen sie gemeinsam mit Valentina die Spur auf. Dabei spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass Derek eigentlich strohdumm ist und Hansel ständig an Orgien denkt. Aber: Können die Fashion-Oldies wirklich wieder zu Glanz und Gloria finden?

zoo3Ein unablässiger Quell der Erheiterung – und des Staunens: Wie hier Modezirkus und Agentenfilm aufs Korn genommen werden, ist bewundernswert einfallsreich, treffend, höchst amüsant und technisch makellos umgesetzt – hier stimmt einfach jedes Detail. Wie „typische“ Hollywood-Momente von Besinnung, Verzweiflung oder Triumph mit übertrieben pathetischer Musik karikiert werden, zeigt einerseits, wie perfekt Ben Stiller als Regisseur arbeitet, könnte andererseits auch als Hinweis dienen, wie groß seine Hassliebe zum eigenen Metier bzw. zum üblichen Blockbuster-Kino ist (Supermodels sind ja eigentlich auch nichts anderes als Superhelden, ihre Klamotten können es mit den Capes und Uniformen von Avengers oder Batman allemal aufnehmen).

Wie der Film ständig zwischen absurd, grotesk, manieriert, exaltiert, lächerlich, glamourös und trashig hin- und hertaumelt und dabei seinen ganz eigenen Stil findet, hat große Klasse. Pausenlos wird an Filme der Bond-Serie, an DAS PHANTOM DER OPER, DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER oder Dan-Brown-Adaptionen wie ILLUMINATI angeknüpft, allerdings nie als billige Parodie, sondern als eigenständige Variante bzw. Persiflage.

zoo2Noch eine Spur interessanter als die genremäßigen Verflechtungen ist der Umgang mit der nicht so einfach fassbaren Sexualität seiner Hauptfiguren: Weder Derek Zoolander noch Hansel McDonald sind weder eindeutig dies noch das, beide sind besonders. Derek ist trotz seiner zahlreichen, unvergessenen Jobs in schwulen Saunen (ein Running Gag des Films) zum Ehemann und Vater geworden, und auch wenn er die üppigen Brüste von Valentina Valencia „eklig“ findet, straft ihn der Blick auf seine gespannte Hose Lügen. Ist er bisexuell, das Dritte Geschlecht, oder macht er sich gar keine Gedanken? Am wahrscheinlichsten ist, dass er nur sich selbst liebt (jedenfalls vor seiner großen Krise).

Derek gerät spätestens dann an die Grenze seines knappen Verstandes – und seines Begehrens, wenn er einem androgynen Wesen wie dem Topmodel „Alles“ begegnet (das Benedict Cumberbatch mit sinistrer Grandezza spielt): Weder Mann noch Frau, nur rätselhaft-verwirrend (auch anmaßend und doof). Für Derek müssen die Dinge klar sein – er versteht sie ja trotzdem nicht.

zoo1Während Derek also den schwer Introvertierten, in jeder Hinsicht Beschränkten abgibt, ist Hansel der offene, luftige Typ, der sich an alle und jeden verschenkt. Als Mitglied eines Kollektivs – gemischt aus Frauen und Männern, Weißen und Exoten, Normalos und Zwergen, Menschen und Tieren – hat er (fast) alle geschwängert – selbst Kiefer Sutherland (der „24“-Star spielt sich selbst)! Dass man das dekadent oder pervers nennen könnte, kommt niemandem in den Sinn: Hansel mag obsessiv sein, aber das sind andere auch. Und dass Kinder unterwegs sind, ist doch schön, oder? Hansel ist ganz einfach polymorph pervers…

Viel Futter also für Queer-Theoretiker, der Rest im Saal ist auch so vergnügt. Man hüte sich nur vor ausgestopften Pudeln!

Erschienen im TV Spielfilm Blog.

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Zoolander No. 2, USA 2016 | Regie: Ben Stiller | Drehbuch: Justin Theroux, Ben Stiller, Nicholas Stoller, John Hamburg | Kamera: Dan Mindel | Musik: Theodore Shapiro | Mit: Ben Stiller, Owen Wilson, Penélope Cruz, Will Ferrell, Cyrus Arnold, Kyle Mooney, Kristen Wiig, Christine Taylor, Benedict Cumberbatch | Laufzeit: 102 Min | Verleih: Paramount