Krampus
Von Peter Clasen
Weihnachtlicher Konsumterror und Präsentestress, Christenkitsch und Familienzwist – immer wieder Stoff genug für ein saftiges Kinokontrastprogramm. Aber witzig sollte es schon sein! Genau das ist die Horrorsatire KRAMPUS mit Adam Scott und Toni Collette leider nicht…
Erst fetzen sich Kinder und Erwachsene beim Geschenke-Rennen im Kaufhaus, wobei sich der kleine Max ein blaues Auge holt. Dann kriegen seine Eltern den alljährlichen Horrorbesuch von Mutters Schwester Sarah und ihrer satanischen Brut, die ganze drei Tage bleiben soll. Vater Tom und Onkel Howard können sich nicht riechen, der rotblonde Fettklops Howard junior ist die Blödheit in Person, die widerwärtigen Cousinen Jordan und Stevie, die lieber Jungs wären, pesten in einer Tour, und Tante Dorothy, die sich selbst eingeladen hat, ist erst recht eine Strafe.
Das Fest der Liebe ist ein Hohn, die Stimmung steht auf Krieg, Max ist der einzige, der noch fromme Wünsche hat, doch die bösen Cousinen machen ihm auch das kaputt. Enttäuscht zerreißt er seinen Brief an den Weihnachtsmann und wirft ihn in die Nacht hinaus – in der sich nun Böses zusammenbraut. Plötzlich versinkt das ganze Viertel im Schneesturm, alle Energie fällt aus, und niemand ist auf den Straßen. Niemand? Nicht ganz, denn ein gehörntes Monster springt mit scheppernden Ketten von Dach zu Dach, und allein ist es auch nicht…
Als Max’ ältere Schwester Beth ihren Boyfriend besuchen will und nicht wiederkehrt, wagen sich die Väter hinaus – und nur die in einem alpenländischen Idiom sprechende Omi scheint zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. „Kümmert euch um das Feuer!“ rät sie, denn wenn es erlischt, senkt sich die absolute Dunkelheit herab…
Einer jener Filme, die auf den ersten Blick die „richtige“ Einstellung zu haben scheinen, dann aber nicht richtig aus dem Quark kommen, die Peilung verlieren und letztlich enttäuschen. Wie gern hätte ich mal wieder ein richtig verlogenes Christfest erlebt, das in Blut und Asche endet – alle hier versammelten Schallerfressen hätten es verdient. Auch das blanke Gegenteil hätte Spaß machen können: Alle Arschlöcher finden Frieden und Glück! Doch irgendwie weiß der Film nicht, was er sein möchte: Komödie? Satire? Horror? Fantasy? Schräger Monsterfilm? Kesser Familienfilm? Moderater Teensplatter?
Alles ganz egal, der Film ist weder sonderlich witzig, noch übermäßig gruselig, und die satirischen Elemente rauschen irgendwann durch den Kamin. Dass Onkel Howard ein reaktionärer Knochen ist, der den Klimawandel abstreitet und auf Knarren steht, spielt keine Rolle mehr, wenn seine Scheißschusswaffen tatsächlich das einzige Mittel sind, mit dem sich auch die liberalen, feine Küche schätzenden Eltern von Max gegen den „Schatten des Weihnachtsmanns“ und dessen mörderische Pfefferkuchenmänner oder Elfen wehren können – wobei gesagt sei, dass banales Pengpengpeng auf mythische Wesen stets die billigste aller Lösungen war.
Auch die sagenhafte Geschichte vom Krampus, die Omi noch aus ihrer ungenannten europäischen Heimat kennt, will nicht recht überzeugen: In ihren Erinnerungen (hübsch eingespielt als Puppentrickfilm) entsteht eine schwere Vergangenheit, in der (wenn ich richtig gesehen habe) der Zweite Weltkrieg die armen Menschen ihrer Hoffnungen beraubte – muss das ernsthaft mit Monsterhorror bestraft werden?
Selbst als nach außen gekehrte Angstphantasie des kleinen Max ist der Krampuskrempel irgendwann nicht mehr zu gebrauchen: Das Thema vom betrogenen Glauben des Jungen an das Gute ist schon da in eisigen Grund und höllischen Boden gerammt, wo abstruse, aus allen Zusammenhängen gerissene Terrorpuppen die Geschichte an sich reißen, und allerspätestens dann, wenn viele Zuschauer schon zum Ausgang rennen, der unvermeidliche finale Twist aber erst noch kommt und den letzten Funken Hoffnung an ein „Gag-Ende“ verrät, das nur sich selbst genügt.
Heute wird mit Bildern geballert, und wo sie einschlagen, ist dann wurscht. Der geneigte Genrekenner wird VERSPROCHEN IST VERSPROCHEN mit Arnold Schwarzenegger, Stuart Gordons DOLLS, Dantes GREMLINS oder die Raketenwürmer aus TREMORS wiedererkennen, vielleicht war auch der Finnenknaller RARE EXPORTS von 2010 ein Vorbild, aber die eigentliche Geschichte macht keinen großen Sinn mehr. Hauptsache, Regisseur und Drehbuchautor können sich tüchtig austoben. Leider fällt dabei weder befreiender Splatter noch tröstlicher Kitsch ab, nur Nihilismus und Zynismus.
Das wahre Drama des kleinen Max nämlich war, dass er schon wusste, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt, und so wollte er denn an das Gute im Menschen glauben. Dass es weder den einen noch das andere gibt, ist schließlich so wenig witzig wie der witzig gemeinte Schluss, und so endet alles in völliger Witzlosigkeit. Ehrlich gesagt, hat schon vorher niemand im Publikum gelacht. Traurige Weihnachten.
Erschienen im TV Spielfilm Blog.
___________________________________________________________
Krampus, USA 2015 | Regie: Michael Dougherty | Buch: Todd Casey, Michael Dougherty, Zach Shields | Musik: Douglas Pipes | Kamera: Jules O’Loughlin | Mit: Emjay Anthony, Adam Scott, Toni Collette, David Koechner, Stefania Owen, Krista Stadler, Conchata Ferrell, Allison Tolman, Queenie Samuel, Lolo Owen, Maverick Flack, Luke Hawker | Laufzeit: 98 Min., Verleih: UPI