Un bianco vestito per Marialé - Spirits of Death

Un bianco vestito per Marialé – Spirits of Death

Von Christopher Klaese

Alles beginnt mit der Liebe – und alles endet mit dem Tod. So wie das Leben, ist auch dieser Film; allerdings in einer extremen Form, die einem das hier gezeigte Leben weniger erstrebenswert erscheinen lässt als die ‚Ruhe in Frieden‘.

spirits.fo.death.1972.coverVor den schockgeweiteten Kulleraugen der kleinen Marialé bricht eine Welt zusammen. Nachdem ihr gehörnter Vater den Liebhaber über den Haufen geschossen hat, reicht er nicht nur per Revolver die Scheidung ein sondern verabschiedet sich auch selbst in andere Sphären. Jahre später findet sich auf dem Landsitz der nunmehr selbst erwachsenen, durch ihren Ehemann weitestgehend von der Außenwelt abgeschirmten Marialé eine Freundesriege ein, die das verwunschene Schloss für eine zügellose Feierei okkupiert. Als das Gelage mehr und mehr orgiastische Züge annimmt und Freund Hein sich unter die Anwesenden mischt, wächst sich das Treiben zu einer höchst ultimativen ‚Diskussion‘ über den Sinn des Lebens aus. Schatten der Vergangenheit werden offenbar, die Reihen lichten sich, der Schlussakkord schwillt an.

Dieser bisher nur schwer erhältliche und rare Genrebeitrag von Romano Scavolini, Bruder des bekannten Regisseurs/Drehbuchautors Sauro Scavolini (dessen famoser AMORE E MORTE NEL GIARDINO DEGLI DIE / LIEBE UND TOD IM GARTEN DER GÖTTER (1972) ebenfalls vor kurzem zu deutschen DVD-Ehren kam), ist eine wahre Perle seiner Zeit. Denn Scavolini setzt weniger auf den inneren Kontext der Geschichte oder die logische Umsetzung einer Erzählung, die sich in der Tat recht frei von wirklichen Überraschungen zeigt. Dafür ist UN BIANCO VESTITO PER MARIALE / SPIRITS OF DEATH formal ein absoluter Hingucker, eine geschickt aufgebaute Versuchsanordnung, die ständig neue Kameraperspektiven und adrette Farbkombinationen aufzeigt.

spirits.fo.death.1972.still3Neben okkultischen Einschüben ist es vor allem die raumgreifende Dekadenz der Figuren, die hier für Atmosphäre sorgt und von Scavolini nicht nur entsprechend bebildert wird. Auch in der ‚Bestrafung‘ des ungebührlichen Verhaltens – für Sinnesfreude setzt es nach Genreregeln nun mal das Fallbeil – gibt sich der Film zum Teil sehr graphisch und zeigefreudig; dass Scavolini nicht nur Regie geführt sondern auch die Kamera bedient hat, ist dem Film deutlich anzumerken und bürgt für handwerkliche Qualität. Das Spukschloss wird zum Höllentor, alle Anwesenden bekommen ob ihres Lebenswandels über kurz oder lang die entsprechende Rechnung präsentiert; Trinkgeld wird nicht gegeben, das letzte weiße Tuch hat bekanntlich keine Taschen.

Die Darsteller sind allesamt eine Schau. Die bezaubernd hübsche Ida Galli firmiert unter ihrem Pseudonym Evelyn Stewart in den Credits und schwebt traumwandlerisch durch die Inszenierung, während Genregröße Luigi Pistilli ihren Ehemann mit feiner Mimik ausstattet – im Finale geht es für ihn dann ordentlich zur Sache. Ivan Rassimovs Filmographie dürfte Seiten füllen und seine hier präsentierte Rolle des Beaus reiht sich nahtlos ein, wird von ihm aber auch immer wieder überzeugend vorgetragen. Shawn Robinson, Pilar Velázquez, Giancarlo Bonuglia und Ezio Marano ergänzen das Darstellerensemble und zeigen inspirierte Darstellungen. Eine besondere Erwähnung mag Carla Mancini finden, die ‚berühmte‘ „C.S.C.-Carla“, durch deren genannte oder ungenannte Anwesenheit über Jahrzehnte hunderte italienischer Film- und Fernsehproduktionen geadelt wurden.

spirits.fo.death.1972.still4Das Fass der Emotionen quillt endgültig über, sobald sich der Soundtrack auf die Tonspur schiebt. Fiorenzo Carpi nahm Notenpapier und Bleistift zur Hand, verfertigte eine Filmmusik, die für alle Fans des italienischen Kinos goldwert ist: da schlängelt sich eine lyrische Hauptmelodie in unterschiedlichsten Variationen durch den Film, verpackt im feschen Popsound der frühen 1970er Jahre – für ein deftiges Gelage ‚schmult‘ Carpi gar bei Iron Butterflys „In-A-Gadda-Da-Vida“. Arrangements und Orchesterleitung oblagen dem genialen Morricone-Partner Bruno Nicolai, dessen Einfluss auf den Score absolut spürbar ist und dank der CD-Veröffentlichung bei Digitmovies auch abseits des Filmes nachgehört werden sollte.

Die technische Präsentation aus dem Hause Camera Obscura ist wiederholt mustergültig. Bereits Mitte 2013 innerhalb der Italian Genre Cinema Collection auf DVD erschienen, führte ein Wasserschaden im Obscura-Warenlager (wodurch der verbliebene Restbestand der „Marialé“-DVDs wortwörtlich ‚über die Wupper‘ ging) dazu, dass vor kurzem eine Blu-ray des Titels nachgeschoben wurde. Glück im Unglück, denn der wundervolle Transfer kommt nun noch prächtiger zur Geltung, das originale Cinemascope erstrahlt in ganzem Glanz. Als informative Dreingabe setzt es einen wie immer unterhaltsamen Audiokommentar der Genrekenner Christian Keßler und Dr. Marcus Stiglegger, wobei zwischen Entertainment (Keßler) und Infotainment (Stiglegger) gekonnt gependelt wird. Ebenfalls informativ gestalten sich eine exklusive Featurette mit dem Regisseur sowie ein Booklet von ‚The Mighty‘ Kai Naumann, entfallene Szenen sowie eine umfangreiche Bildergalerie und Trailer runden das Paket ab.

spirits.fo.death.1972.still2Unterm Strich eine Pflichtanschaffung für alle Italofans und bestens präsentierte Genreware mit dem ganz gewissen Etwas. Wer schon immer mal sehen wollte, was der Regisseur des Axt-Schockers NIGHTMARE IN A DAMAGED BRAIN (1981) denn früher so getrieben hat, wird hier perfekt bedient. Kreisklasse geht anders – das hier ist filmische Champions League! Eine Gothic-Grusel-Giallo-Granate für den gelungenen Fernsehabend – es darf in weißem Tuch getanzt werden.

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Un Bianco Vestito Per Marialé, Italien 1972, Regie: Romano Scavolini, Mit: Ida Galli, Ivan Rassimov, Luigi Pistilli, Pilar Velázquez, Ezio Marano, Giancarlo Bonuglia u.a.

Anbieter: Camera Obscura