The Ice Road
Von Shamway
THE ICE ROAD ist so einer dieser Liam Neeson Filme, in denen er mehr Actionheld als großer Schauspieler ist. Ob man den Vielarbeiter und fantastischen Schaupieler Neeson wirklich mag als Actionstar, ist wohl Geschmackssache – sicher aber verkörpert er perfekt den unscheinbaren Durchschnittsmenschen, der auf einmal über sich hinauswächst. Er ist nicht shiny-smiley wie Dwayne Johnson und nicht so proletariermäßig-trainiert wie Seagal oder Willis. Er ist einfach ein unauffälliger guter Kerl.
In THE ICE ROAD ist er der erfahrene, außergewöhnlich gute Truckerfahrer Mike, der aber immer wieder ohne Job dasteht, weil sein Bruder Gurty (Marcus Thomas), ein talentierter Mechaniker, wegen posttraumatischen Anfällen und Aphasie irgendwas verkackt und Mike dann mit Gurtys Rausschmiß auch gleich kündigt. Das ist auch der Grund, dass sie mitten in einer Vollbeschäftigung Zeit haben, einen Spezialauftrag anzunehmen.
Im Norden Kanadas wurden Minenleute verschüttet. Nur wenige Tage, bis die Luft ausgeht. Retten kann man sie nur, wenn schwere Bohrlochköpfe in den Norden gebracht werden. Geht aber nicht per Flugzeug oder Helikopter, sondern nur mit Sattelschleppern. Und – natürlich – ist auch das äußerst riskant: Im April ist die Eisschicht des Lake Winnipeg nur noch knapp dick genug, dass man mit einem 38-Tönner über das Eis brausen kann. Einbrechen jederzeit möglich. Und die alte Manitoba-Brücke kurz vor der Mine ist eigentlich nur für 34 Tonnen zugelassen. Ein gefährliches Unterfangen also, für das Notfall-Projektleiter Goldenrod (Laurence Fishburn) innerhalb eines Tages ein Team zusammentrommeln muss. Er findet noch die schnoddrige Truckerin Tantoo (Amber Midthunder), deren Bruder unter den Verschütteten ist, und als Zwangsbegleitung den Versicherungsmathematiker Varnay (Benjamin Walker), der als Risikobeurteiler für die betroffene Bergbaufirma Katka arbeitet. Die Truppe fährt mit drei Sattelschleppern. Jeder hat die nötigen Bohrlochköpfe dabei, so dass man den Verlust von zwei Sattelschleppern verkraften kann. Und soviel sei verraten: Mindestens zwei Sattelschlepper werden es nicht schaffen.
Die Fahrt über die Eisstraße des Sees lässt sich nur kurze Zeit gut an. Bald schon stimmt etwas mit Goldenrods Motor nicht, und beim Versuch, das zu reparieren, bricht das Eis. Der Laster versinkt und zieht Goldenrod mit in die Tiefe. Tantoo wird beschuldigt, das absichtlich provoziert zu haben. Bis Varnay Mike und Gurty in den Container sperrt und mit der gefesselten Tantoo losbraust. Dann ist der Bösewicht klar: Der Versicherungsheini und Eingeweihte der Minenfirma, die hinter ihm steht, die auf das Leben der Bergleute pfeifen zugunsten der Versicherungssumme. Er wird den Erfolg der Aktion sabotieren – koste es, was es wolle.
Diese erste Aktion auf dem Eis ist der Startschuss für eine Story, die von da an nur noch Action und Spannung ist. Keine Charakterzeichnung (höchstens -überzeichnung), keine Sensibilitäten. Und natürlich: wer gern „realistische“ Action sehen will, der wird hier auch enttäuscht. Die Trucks in der Eiswüste sind zwar lange nicht so durchgeknallt wie Mad Max auf der FURY ROAD, aber vieles ist möglich mit so Lastern, um die Spannung hoch zu halten. Ganz im Sinne von Neesons Lieblingsregisseur Jaume Collet-Serra, bzw. ganz im Sinne Neesons als Actionstar.
Regie in THE ICE ROAD führte Jonathan Hensleigh, der sich vor allem als Drehbuchautor von Actionknallern wie DIE HARD WITH A VENGEANCE, ARMAGEDDON oder NEXT einen Namen machte, daneben aber bereits auch dreimal Regie führte. THE ICE ROAD mag kein Geniestreich sein, doch die 5,6 Bewertung auf imdb.com ist beinahe etwas wenig dafür, dass man sich kaum langweilt.
Ach ja, interessanterweise wird unter den Verschütteten immer wieder die Triage diskutiert. Die selbsternannten „Stärkeren“ wollen die angeblich „Schwächeren“ umbringen, damit sie mehr Luft haben, um länger zu überleben. Die „Gesellschaft“ von Bergleuten im Bergwerk bildet also einen kleinen Ausschnitt der Gesellschaft während der Pandemie und es braucht auch in diesem Soziotop nicht nur eine Stimme der Vernunft, sondern eine mächtige Stimme der Vernunft.
Das Feindbild ist mehr den je die Corporate World der Globalisierung und des Neoliberalismus. Reichtum ist auch: über Leichen zu gehen. Genauso handeln der Risikoabwäger des Unternehmens und die leitenden Personen des Unternehmens. Wie (um die Pandemie noch einmal hervorzukramen) die Fleischproduktionsstätten, die sich nicht um die Arbeitenden, nicht um die Löhne, nicht um die Tiere kümmern, sondern nur um den Gewinn.
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The Ice Road, USA 2021 | Regie & Drehbuch: Jonathan Hensleigh | Kamera: Tom Stern | Musik: Max Aruj | Darsteller: Liam Neeson, Laurence Fishburn, Marcus Thomas, Benjamin Walker, Amber Midthunder u.a. | Laufzeit: 109 min.
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