Cold in July
Von Gnaghi
Der sanftmütige Richard erschießt hypernervös und im Affekt einen nächtlichen Einbrecher. Daraufhin kündigt dessen Verbrechervater Russel Rache an und bedroht seine Familie. Als Richard entdeckt, dass der Tote gar nicht Russels Sohn war und die Polizei nicht nur einiges vertuscht, sondern Russel liquidieren will, rettet er den feindseligen Mann und forscht ihm und dessen Bekannten, Privatdetektiv Jim, genauer nach.
Auch nach dem Hinterland-Kannibalendrama WE ARE WHAT WE ARE setzt Jim Mickle seinen Kurs der Unberechenbarkeit fort und dient den in Osttexas 1989 spielenden Roman von Joe R. Lansdale an, der auch die Vorlage für BUBBA HO-TEP schrieb. Das Verbrechensdrama hat ein namhaftes Darsteller-Trio, einigen Suspense sowie einen hörenswerten 80er-Synthie-Mystery-Score, der zu feiner Film-Noir-Atmosphäre verhilft.
Michael C. Hall verzichtet auf seine aus DEXTER und SIX FEET UNDER bekannten Neurosen als ein braver Familienmensch, vor dem finstere Abgründe klaffen. Zuerst nagt das Gewissen für einen unabsichtlichen Kopfschuss an ihm, wobei Mickle die Anspannung spüren lässt und wie schwer Richard an dem Mord trägt. Als die dreiköpfige Familie vom Tätervater Mordrohungen erhält, soll sie für die Polizei den Lockvogel spielen.
Damit verdichtet Mickle die zermürbende, kräftezehrende Spannung und thrillt ausgeprägt. Nur um nach einem Twist, der Machenschaften der texanischen Mafia und mörderische Vertuschungen der Behörden offenlegt, in einen unnötigen Männerfilm-Roadmovie-Modus zu schalten, wo ein Trio (Veteran Sam Shepard, neulich in MUD und MIAMI VICE-Macho Don Johnson als Cowboy) auf eigene Faust nach einem Beteiligten sucht.
Was direkt zu Snuff-Pornoproduzenten führt, womit der stockende Mittelteil in einen brenzligen Selbstjustizthriller übergeht. Diese dreiteilige Dramaturgie fügt genreübergreifend Psychothriller eines A HISTORY OF VIOLENCE, Südstaaten-Krimi und Rachefeldzug nach 8MM-Manier nicht übermäßig passgenau zusammen. Dennoch kann Mickle mit einigem Gespür inhaltliche Mängel und jene an der Figurenzeichnung kompensieren.
Wohl bleiben die Enthüllungen über mit dem Staat alliierte Syndikate auf halber Strecke stecken, um zur privaten (Familien)Angelegenheit zu werden, die sowohl Männertaufe als auch Anti-Waffen-Statement ist. Es geht um die Notwendigkeit zu verbrennen, was verbrannt werden muss, wenn sich herausstellt, dass der eigene Sohn ein perverser Mörder ist. Insgesamt ansehnlich, dem deutlich besseren BLUE RUIN aber unterlegen.
Erschienen auf Komm & Sieh
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