Die teuflische Maske

Die teuflische Maske

Von B. Traber

Das Szenenfoto des gigantischen Maskenaltars zierte das Cover des Kultbuchs „Incredibly Strange Films“ schon vor 25 Jahren, während der zugehörige Film zumindest dem deutschen Fan bis heute vorenthalten blieb, wenn er nicht einer Generation angehörte, die THE MASK bei dessen deutscher Kinoauswertung anno 1962 sehen konnte. Für die „Psychotronic“-Apologeten um Michael Weldon, die so einige heute als Klassiker akzeptierte Genre-Kleinodien aus der Obskurität holten, gehörte der surreale – angeblich erste – kanadische Horrorfilm zum Kern einer versunkenen Epoche. Mit Filmen, die damals niemand kannte, im Gepäck – etwa DAUGHTER OF HORROR und CARNIVAL OF SOULS – zog Michael Weldon zu jener Zeit um die Welt (das kleine Filmfestival gastierte 1987 auch in West-Berlin) und bereitete der Entdeckung eines vergessenen Exploitation-Kinos mit unbestreitbarem Kunstwert den Weg.

Vorbild für THE MASK dürften die Gimmick-Filme William Castles gewesen sein, insbesondere THE TINGLER und 13 GHOSTS, die als Höhepunkte einer besonders imaginativen Spielart des „Audience Participation Event“ im Medium Film Geschichte schrieben, in der filmische Narration bewusst zugunsten (pseudo-)authentischer Attraktion aufgegeben und der Zuschauer in ein vermeintlich aktuelles Live-Geschehen miteinbezogen wird. Und dennoch steht sogar darin THE MASK als faszinierender Sonderfall – kein Horrorfilm dieser Zeit ging soweit, das Medium selbst zum Thema zu machen, auch wenn sich eine kleine Modewelle hypnotischen Spuks, beginnend mit Roger Cormans THE UNDEAD über Jahre hinweg hielt. Arthur Crabtrees HORRORS OF THE BLACK MUSEUM und Cormans X erhielten teilweise pseudohypnotische Prologe.

die.teuflische.maske.1961.coverAuch hier gibt eine Einführung die Gebrauchsanweisung für den Film vor (die zugehörige 3-D-Brille bitte aufzusetzen, sobald sich der Protagonist im Film die allgegenwärtige Maske über den Kopf stülpt) und definiert damit gleichzeitig das Kino selten deutlich als intentionale Traumatisierungsmaschine, denn die 3-D-Sequenzen, in die Protagonist und Zuschauer gestoßen werden, verstehen sich als psychonautische (und hypnotische) Erfahrung: Garstige Mädelmorde erschüttern die Umgebung des Campus, die offenbar auf das Konto eines eigentlich freundlichen Anthropologie-Studenten gehen, der sich alsbald das Leben nimmt. Tags darauf erhält der Psychiater Dr. Barnes ein Paket des Verstorbenen, der ihm eine archaische, einem Indianergrab entstammende Maske hinterlassen hat. Sie führt jeden, der sie zu tragen wagt, in die Abgründe des menschlichen Unterbewusstseins – und entfesselt seine dämonischsten Triebe. Letzteres ist im puritanischen Verständnis natürlich Sexualmord und in uns allen angelegt, bereit, beim geringsten Anlass hervorzubrechen. Auch Dr. Barnes wird der Maske verfallen wie einer Droge… thematisch liegt der Film auf einer klassischen Entwicklungslinie somatisierter Triebe, die von ORLACS HÄNDE (1924) bis zu THE EVIL DEAD (1982 ff.) und DEMONI (1986 ff.) reicht, stilistisch hingegen haben sich Regisseur Julian Roffman (1915-2000) und sein Team (als Autor der „Traumsequenzen“ ist ein Slavko Vorkapich genannt) wohl eher an Salvador Dalís Beitrag zu Hitchcocks SPELLBOUND und die klassischen surrealistischen Filme der 30er Jahre angelehnt. Dennoch bleibt die Reise ins Unterbewusste gleichsam Teil einer metaphysischen Inszenierung (als ob unsere mörderischen Triebe nicht uns gehörten, sondern von einer fremden, dämonischen Macht verantwortet würden) und wird damit auch zu einem Exkurs in eine spartanisch eingerichtete Studiolandschaft – zum Skelett des Kinos selbst.

Außergewöhnlich ist auch die liebevolle DVD-Präsentation dieses in jedem Fall entdeckungswürdigen kleinen Films, der es gelingt, die historischen 3-D-Sequenzen der Leinwandaufführung ins Heimkino hinüber zu retten. Die beiliegenden klassischen Rot-Blau-Brillen schaffen (dank einer so präzisen wie brillanten Transferierung des Bildmaterials) tatsächlich einen effektiven dreidimensionalen Eindruck und vermitteln dabei mehr als nur einen Hauch authentischen Sixties-Popcorn-Kino. Ob die vorliegende Fassung des Films die ursprüngliche ist oder THE MASK schon seinerzeit in den USA und Kanada gekürzt verliehen wurde, steht nicht ganz fest; in jedem Fall scheint die hier offenbar verwendete deutsche Kopie die weltweit längste zu sein. Erschienen ebenfalls als limitierte Hartbox-Edition mit zusätzlicher Ausstattung.

die.teuflische.maske.1961.still

___________________________________________________________

The Mask, Kanada 1961, Regie: Julian Roffman, Mit: Paul Stevens, Claudette Nevins, Bill Walker, Martin Lavut, u.a.

Anbieter: Big Ben Movies (Media Target)