Knight Rider, die 1980er, die Alster-Studios und die Synchronisation

Knight Rider, die 1980er, die Alster-Studios und die Synchronisation

Von Martin Schowanek

Es war im Sommer des Jahres 1985, als sich der Privatsender RTL (damals noch RTLplus mit Firmensitz in Luxemburg) auf der alljährlich in Los Angeles stattfindenden Messe „L.A. Screenings“, wo die größten amerikanischen TV-Stationen und Studios ihre Produktionen zum Verkauf anbieten, die Ausstrahlungsrechte an KNIGHT RIDER sicherte. Die Serie, die erst zum Geheimtipp und später zum Kult werden sollte, war die erste große Serienattraktion des damals noch jungen Senders.

Nicht zuletzt der in Deutschland durchschlagende Erfolg machte David Hasselhoff zum Star. Nachdem er in einer weiteren Kultserie (nämlich BAYWATCH) eine sehr ähnlich gestrickte Rolle spielte, durfte er sogar durch sein Lied „Looking For Freedom“ die Berliner Mauer zum Einsturz singen, wie es eine charmante Legende will.
Kabelfernsehen war Anfang der 1980er noch kaum verbreitet, so dass die Erstausstrahlung von KNIGHT RIDER de facto unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Die meisten hatten zunächst nur durch den auf Video erschienenen Pilotfilm Zugang zu der Serie.

Glücklicherweise war es aber üblich, dass TV-Serien schon nach kürzester Zeit mehrfach wiederholt wurden. Auch die Zahl der Haushalte mit Kabelanschluss stieg gegen Ende des Jahrzehnts deutlich an, so dass immer mehr Zuschauer in den Genuss der Abenteuer des einsamen Rächers mit dem Superauto kommen konnten. In Süddeutschland hatte man zudem das Privileg die Serie im österreichischen Fernsehen verfolgen zu können, wo viele Produktionen, die hierzulande nur im Privatfernsehen liefen, über Antenne ausgestrahlt wurden.

Dass eine amerikanische TV-Serie innerhalb kurzer Zeit den Weg ins deutsche Fernsehen fand, war, anders als heute, keineswegs der Normalfall. Viele Serien wurden entweder gar nicht erst eingekauft oder man zeigte nur ausgewählte Folgen in meist willkürlicher Reihenfolge. Dadurch, dass KNIGHT RIDER bei einem Privatsender gelandet war, entging die Serie wohl diesem Schicksal. Alle Folgen wurden ausgestrahlt und das in gleicher Abfolge wie in ihrem Herkunftsland.

Da KNIGHT RIDER zu einem Paketdeal mit den Universal-Studios gehörte, landete der Synchronauftrag bei den Hamburger Alster-Studios. Diese waren im Nachkriegsdeutschland der 1940er-Jahre gegründet worden. In einem ehemaligen Gasthof wurde mit gebrauchten Geräten aus dem Nachlass der UFA-Ateliers und den aufgelösten Bildstellen von Heer und Luftwaffe ein „Synchronisierungs-Atelier inklusive einschlägiger Nebenbetriebe“ eingerichtet. Die britische Besatzungs¬macht unterstützte einen solchen Betrieb, um eigene Produktionen kostengünstig vor Ort herstellen lassen zu können. Außerdem war man daran interessiert, dem deutschen Publikum englischsprachige Werke in der Muttersprache zugänglich zu machen, um dadurch mehr Einnahmen zu generieren – bis heute einer der Hauptgründe für die Erstellung von Synchronfassungen ausländischer Filme.

Trotz einiger früher Filmsynchronisationen wie dem Hitchcock-Klassiker RIFF-PIRATEN oder dem Humphrey-Bogart-Streifen DIE MASKE RUNTER verbindet man mit den Alster-Studios vor allem Eindeutschungen von TV-Serien. Zu den bekanntesten gehören GEHEIMAUFTRAG FÜR JOHN DRAKE, MONDBASIS ALPHA 1, TIME TUNNEL, CATWEAZLE und etwa ein Viertel der Westernserie BONANZA, deren Stars zunächst in Hamburg lernten, Deutsch zu sprechen, bevor die Reihe später in Berlin weiterbearbeitet wurde, was zu zahlreichen Wechseln der deutschen Stimmen führte. Der Hamburger Schauspieler und Mitbegründer des Ernst-Deutsch-Theaters, Friedrich Schütter, blieb jedoch bis zum Ende der Serie Stammsprecher des Patriarchen Ben Cartwright (Lorne Green).

Als Medienstadt von Weltruf war man in Hamburg von Anfang an in der Lage, nicht nur bekannte Bühnenschauspieler, sondern auch jede Menge deutsche Filmstars ins Synchronstudio zu holen: Heinz Drache, Ruth Leuwerik, Joseph Offenbach, Harry Meyen, Ilse Bally, Volker Lechtenbrink, Wolfgang Kieling, Paul Edwin Roth, aber auch die Tagesschau-Sprecherin Dagmar Berghoff oder die Musicalsängerin Angelika Milster – sie alle standen mehr als einmal in Hamburg hinter dem Mikro.

Ende der 1970er-Jahre gerieten die Alster-Studios in eine wirtschaftliche Krise. Die Konkurrenz durch die beiden anderen Synchronmetropolen Berlin und München war zu groß geworden. Durch die starke Präsenz des US-Starkinos etablierten sich dort immer mehr Stammsprecher, die dafür sorgten, dass ein Großteil der Aufträge nicht mehr nach Hamburg vergeben wurde, und der Boom, der die Synchronbranche im folgenden Jahrzehnt erfassen sollte, war noch nicht abzusehen. So kam es, dass die Alster-Studios im Jahr 1982 nach fast 40 Betriebsjahren Konkurs anmelden mussten. Nachdem es gelang, die insolvente Firma kurzfristig zu sanieren, wurde sie von dem US-Filmvertrieb Cinema International Corporation (CIC) aufgekauft, der für die Home-Entertainment-Sparte des Paramount und Universal-Verleihs ein eigenes Synchronstudio aufbauen wollte.

In dieser Zeit blühten die Alster-Studios noch einmal richtig auf. Bevor die ersten Privatsender RTLplus und Sat.1 (anfangs noch PKS) ihren Betrieb aufnahmen, wodurch sich die Zahl fremdsprachiger Serien auf deutschen Bildschirmen schlagartig erhöhte, erlebte hierzulande zunächst der Videomarkt einen rasanten Höhenflug. Neben Heimkinoauswertungen von Kinofilmen erschienen viele Produktionen, die von den öffentlich-rechtlichen Sendern ausgeschlagen worden waren, in Form von Videokassetten. Dazu zählten AIRWOLF, STREET HAWK, POLICE SQUAD (Vorläufer der Filmreihe DIE NACKTE KANONE), DER ZEITSPRUNG (späterer TV-Titel: ZURÜCK IN DIE VERGANGENHEIT), STAR TREK – THE NEXT GENERATION und die Fortsetzung der von der ARD längst abgesetzten COLUMBO-Krimireihe. Zu den selteneren Aufträgen fürs Fernsehen gehörte neben KNIGHT RIDER vor allem die Actionserie MIAMI VICE, die allerdings nicht im Privat-fernsehen, sondern im Abendprogramm der ARD ausgestrahlt wurde.
Zu hören waren fast ausschließlich Hamburger Stimmen. Diese verortete man zwar weniger bei Film und Fernsehen, dafür aber sehr stark bei den bis heute erfolgreichen Hörspielserien des Europa-Labels, das seinen Sitz ebenfalls in Hamburg hatte. Für Kinder der 1980er-Jahre gehörten Reihen wie „Hanni und Nanni“, „Hui Buh“, „Die Hexe Schrumpeldei“, „Fünf Freunde“, die „Gruselserie“ und natürlich der Sensationskult „Die drei ???“ zu ihrem Alltag und die Stimmen von Hans Paetsch, Reinhilt Schneider, Gabriele Libbach, Lutz Mackensy, Horst Stark, Peter Kirchberger, Heidi Berndt, Marianne Kehlau, Michael Harck, Jens Wawrczeck, Helmut Zierl, Franz-Josef Steffens, Gottfried Kramer und Andreas von der Meden waren allen „Kassettenkindern“ durch viele Hörspiele vertraut und ans Herz gewachsen. Andreas von der Meden und Gottfried Kramer waren es auch, deren Stimmen bei KNIGHT RIDER in den beiden Hauptrollen ertönten. Die Serie war einer der ersten großen Einkäufe des neuen Privatsenders RTLplus und wurde, da es sich um eine Universal-Produktion handelte, direkt beim Lizenzgeber synchronisiert – also den Alster-Studios. Hörspielfans war Andreas von der Medens Stimme bestens aus der „Drei ???“-Serie bekannt, wo er gleich zwei wiederkehrende, höchst gegensätzliche Nebenrollen sprach: den stets distinguierten Chauffeur Morton und Skinny Norris, den prolligen Erzfeind der Detektive. Während von der Meden für die Rolle des Michael Knight besetzt wurde, was ihn bis zu seinem Ruhestand zur Stammstimme von David Hasselhoff machen sollte, wurde das Superauto K.I.T.T. von Gottfried Kramer gesprochen, der in DER PATE und APOCALYPSE NOW Marlon Brando kongenial eingedeutscht hatte. Der jungen Generation war er vor allem durch den Fluch „Hunderttausend Höllenhunde!“ des Kapitäns Haddock aus den „Tim und Struppi“-Hörspielen ein Begriff.

Die deutschen Dialoge verfasste Matthias Grimm; Synchronregie führte seine spätere Ehefrau Renate Pichler. Als erfahrene Synchronsprecher waren auch beide in mehreren Nebenrollen der Serie zu hören. Die deutschen Folgentitel wurden ebenfalls von den beiden beigesteuert.

Die Synchro war solide und wurde von den Fans durchweg akzeptiert, wenn auch einige Texte aus heutiger Sicht etwas „speziell“ wirken. Zum einen setzte man – damals völlig unüblich – auf Anglizismen, vor allem was KITTs Technik anbelangte, während zum anderen viele inzwischen selbstverständliche Ausdrücke wörtlich aus dem Englischen übersetzt wurden.

Die deutschen Sprachaufnahmen fanden in der Regel erst einen Monat vor dem Sendetermin statt. Entsprechend hektisch ging es bei der Produktion zu. Tage mit bis zu 16 Stunden im Studio waren keine Seltenheit. Mehrere Texte, die in der deutschen Fassung durchaus bemerkbar aus dem Rahmen fallen, sollen erst während der Aufnahme improvisiert worden sein. Auch kam es vor, dass Stellen übersehen wurden, wo sich daher in der deutschen Fassung nur stumm die Lippen bewegten.

Obwohl die Serie auf einem Privatsender lief, wo es also Werbepausen gab, entfernte man bei RTLplus alle Pausenabblenden zwischen den Akten, bei denen im Original stets für ein paar Sekunden KITT zu sehen war. Dies hatte zur Folge, dass mehrere Dialogfragmente an diesen Stellen ebenfalls der Schere zum Opfer fielen, die deshalb gar nicht erst synchronisiert wurden. Bei späteren Wiederholungen wurden einzelne Folgen immer wieder willkürlich gekürzt und um Nebenhandlungen erleichtert. Durch intensive Recherche gelang es Turbine Medien für ihre vor kurzem erschienene Gesamtausgabe auf Blu-ray, sämtliche bei der Erstausstrahlung eingedeutschten Szenen wiederzufinden und so die längstmögliche Fassung zu rekonstruieren. Die fehlenden Stellen zwischen den Akten und sonstige noch vorhandene Lücken wurden aufwändig nachsynchronisiert.

Bei der Suche nach Stimmdoubles (beide Originalsprecher sind bereits verstorben) profitierte man von einem kürzlich produzierten Werbespot für ein deutsches Gebrauchtwagenportal, bei dem David Hasselhoff höchstpersönlich seine Rolle in KNIGHT RIDER parodierte. Die deutsche Bearbeitung für „The Hoff“ und sein sprechendes Moped (sic!) war täuschend echt, so dass manch einer sogar glaubte, man habe Originalschnipsel aus der Seriensynchronisation verwendet. Tatsächlich standen aber Uwe Büschken und Holger Löwenberg hinter dem Mikro, und zum Glück konnten beide auch für die anstehenden Nachsynchros gewonnen werden. Unter der Regie des in Voice-Match-Synchros sehr erfahrenen Dr. Gerd Naumann wurden auch alle anderen Stellen vollständig eingesprochen, wobei großer Wert darauf gelegt wurde, dass man sowohl bei den Texten als auch beim Schauspiel dem Duktus der 1980er-Jahre so nah wie möglich kam.

Während die traditionsreichen Alster-Studios, die im Jahr 1994 nach beinahe 50 Betriebsjahren endgültig ihre Pforten schließen mussten, nur noch als ruhmreiche Erinnerung fortbestehen, erstrahlen einige ihrer beliebtesten Produktionen heute, im Jahr 2023, wieder in neuem Glanz. Und KNIGHT RIDER gehört ganz sicher dazu.
(Quellen: Till Heidenheim, Volker Reißmann: Die Geschichte der Alster-Studios Hamburg)

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Knight Rider | USA 1982-1968 | Darsteller: David Hasselhoff, William Daniels, Edward Mulhare, Patricia McPherson u.a.

Anbieter: Turbine Medien