OSS 117: Heisse Hölle Bangkok
Von Michael Kathe
André Hunebelles zweiter OSS 117-Film, nun in Farbe, beginnt mit einer schönen nächtlichen Autofahrt durch Bangkok mit klassischer Série-Noir-Rückprojektion. Der folgende Mord an einem Agenten setzt OSS 117 auf den Plan, der wie schon im schwarzweiss gedrehten OSS 117 GREIFT EIN von Kerwin Mathews gespielt wird. Mit der Farbe kommt auch die James-Bond-Exotik ins Spiel – auch wenn der Film ausschließlich Bangkok und Umgebung als Handlungsort vorzuweisen hat. Doch die sind landschaftlich abwechslungsreich. So weit, so gut. Was den Film vom Europsy-Mainstream etwas unterscheidet, ist die Präferenz für Nachtszenen.
Das Abenteuer unseres Spions Hubert Bonisseur de la Bath aka OSS 117, der in Bangkok unter dem Pseudonym Robert Barton agiert, ist nicht sein bestes, doch, weil Hunebelle den Plot als einen detektivischen Thriller aufbaut, durchaus ansprechend. Indien hat viele Tote zu beklagen, wegen eines Impfstoffs aus Bangkok. Dem muss Barton nachgehen. Wie sich herausstellt, soll damit die Weltbevölkerung so reduziert werden, dass weniger Menschen, und nur die intelligenten, überleben. Dabei scheint es aber nicht um den Vorzug aller akademisch gebildeten Menschen zu gehen, denn der Teil der Intelligentsija, der mit Atombomben alles vernichten will, wird explizit ausgeschlossen. Also nicht einfach ein ‚Survival of the Mentally Fittest‘, sondern ein Ansinnen mit dem durchaus moralischen Anspruch, die Gefahren von Nuklearwaffen zu eliminieren. Diese Auslöschung von gezielt ausgewählten Menschengruppen ist ein gängiges Motiv des Spionagefilms der Sechziger, auf die Spitze getrieben in der Bond-Parodie CASINO ROYALE (1969), in der Dr. Noah (Woody Allen) mit einer Biowaffe alle Frauen hübsch machen und alle Männer über 1,37m vernichten würde (was ihn zum begehrtesten Mann machte).
Hinter dem seriösen Plan zur Ausradierung der Atombombenfreunde steht ein „Bund der Auserwählten“, geleitet von einem durchaus sympathischen Bösewicht. Oder jedenfalls nicht gerade vom furchteinflößendsten aller Bösewichte. Dr. Sinn (Robert Hossein) arbeitet vordergründig als Arzt für die US-Expats in Bangkok, ist nebenbei ein Heiler, Zauberer und Hypnotiseur, durchaus liebenswert – und damit ein sehr früher jener Softie-Bösewichte, wie sie in den 1970er und 80er Jahren ausgeprägter z.B. in James-Bond-Filmen zu sehen waren (wunderbar etwa Klaus-Maria Brandauer 1983 in NEVER SAY NEVER AGAIN). Nicht ganz zufällig hängt in der Praxis von Dr. Sinn das Bild eines gehörnten Menschen: Satan und Betrogener.
Gewitzter ist natürlich unser Held. Dass Robert Barton bei Frauen punktet, ist klar. Nicht mit Softness allerdings, sondern mit Bestimmtheit. Der James-Bond-Machismo ist in der Anmache draufgängerisch und direkt. „Sie gehen aber forsch ran“, sagt Sekretärin Eva (Dominique Wilms), und Barton entgegnet: „Wer weiss, was morgen sein wird? Vielleicht deckt mich dann schon der kühle Rasen.“ Bartons Memento-mori-Hedonismus hängt mit seinem Druck zusammen, stets an anderen Orten sein zu müssen, keine Wurzeln im Leben zu haben, keinen Besitz sein eigen zu nennen (sondern nur Leihgaben von der Regierung) und permanent unter Gefahr zu stehen. Was die Bartons und Bonds tun mussten, war damals schon gelebter Neoliberalismus (ante Milton Friedman), allerdings verbunden mit dem epikuräischen Lebensstil der Oberklasse (ansonsten hätte sich der Spionage-Lifestyle nie so gut verkauft). Frauen, Landschaften, Erlebnisse sind die Shopping-Zutaten der Bartons und Bonds – Menschen, in deren Leben „vor allem die Gegenwart zählt“ (Zitat Barton, der das Thema öfter aufnimmt).
Meist aber gegen Ende der Eurospy-Filme dringt die gute alte Welt der 1950er-Ideale, der Familienwerte, der monogamen Beziehung, der Aussicht auf eine Zukunft durch. Am deutlichsten wird das im Bond-Film IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT (1969), als James Bond Teresa di Vincenzo (Diana Rigg) heiratet (natürlich Adel). Passend dazu das Zitat unseres Helden Barton, dass in „der Zukunft eine wunderbare Wirklichkeit liegt.“ Das bezieht sich auf die elegante, nicht aufgedonnerte Schwester von Dr. Sinn, Lila (Pier Angeli), der Barton in mehreren Situationen fast vollkommen vertraut, selbst bei der großen Flucht aus einer gut bewachten Hütte an einem Fluss. Eine gewisse Ichbezogenheit bleibt ihm aber zu eigen: „Sie bringen mir Glück, da bin ich ganz sicher.“ Nicht zuletzt endet der Film mit einem Kuss der beiden. Fifties eben.
Nicht Sixties. Dass sich die sexuell attraktive, „gefährliche“ Eva nach langem Hin und Her im Finale mit Lila zusammenschließt, eröffnete einen Moment lang die Option, dass ja mal ein flotter Dreier am Ende eines Eurospy-Films stehen könnte, doch das geschieht weder bei Bond noch bei Barton (noch sonst in einem Eurospy-Film). Mehr Machismo als Bond mit zwei Frauen gleichzeitig ginge ja eigentlich nicht, wäre perfekt. Aber offensichtlich war das Genre erpicht darauf, das ein Heldenspion Frauen nur nacheinander, also seriell, vernaschen darf. Das normale Leben in beschleunigter Form. Von Ort zu Ort, von Frau zu Frau, von Job zu Job.
Oft bildet diese Serialität das dramaturgische Problem in (Euro-)Spy-Filmen. Die McGuffins können den Plot oft nicht durchgehend tragen. Hunebelle umgeht diese Problematik, indem er in manchen Szenen des Films in sich spannende Szenen platziert. Wenn zum Beispiel eine Sprengladung in Bartons Auto angebracht wird, die auf 15 Minuten Fahrt eingestellt ist (Countdown geht immer) oder wenn Barton und Lila aus einer schwer bewachten Holzhütte fliehen, sind das kleine Subplots, die durchaus gut die Handlung weitertragen. Natürlich ist Hunebelle bei weitem nicht der einzige Regisseur, der die Problematik des Genres erkannt hat und so umschifft.
Zum Schluss noch zum Finale. Wir befinden uns in einem abgelegenen buddhistischen Kloster, dessen alte Gemäuer (und Höhlen) im Innern zum High-Tech-Zentrum ausgebaut wurden. Viel Forschung mit einem Superlabor mit tausenden Ratten, geheimem War Room, viel militärisch ausgebildetem Personal. Der geheim gehaltenen Location ist die Neunutzung des Klosters geschuldet. Als würde die Religion, die ausgedient hat in der Welt (dachte man in den 1960ern), nun zu einer neuen religiösen Stätte, die das Gute will, aber das Böse schafft.
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Banco à Bangkok pour OSS 117, Frankreich 1964 | Regie: André Hunebelle | Drehbuch: Pierre Foucaud, Michel Lebrun, André Hunebelle | Kamera: Raymond Lemoigne | Musik: Michel Magne | Darsteller: Kerwin Mathews, Pier Angeli, Robert Hossein, Dominique Wilms u.a. | Laufzeit: 118 min.
Anbieter: Pidax
Fotos: Pidax
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