Mad Max: Fury Road
Von Peter Clasen
Endzeit-Überlebenskünstler und Mel-Gibson-Nachfolger Tom Hardy muss eine immerhin durchlässigere Maske als in THE DARK KNIGHT RISES tragen, Herrscherhof-Abtrünnige Charlize Theron sieht noch männlicher aus als in MONSTER, Fußvolk-Soldat Nicholas Hoult ist erneut eine Art lebender Zombie wie in WARM BODIES, und Regisseur George Miller toppt nicht nur seine legendären drei MAD-MAX-Filme von 1979, 1981 und 1985, sondern räsoniert erneut über Themen wie persönliche Freiheit und Gruppendruck wie in seinen beiden SCHWEINCHEN-BABE- und den beiden HAPPY-FEET-Filmen – allerdings kapiert das nicht jeder…
„Meine Welt ist Feuer und Blut“, beschreibt Ex-Polizist Max die postatomare Wüste, er selbst sei „reduziert auf einen einzigen Instinkt: Überleben.“ Gefangen genommen vom schrecklichen Warlord Immortan Joe und dessen Barbaren, muss er als „Universalspender“ dienen, die Flucht ist aussichtslos. Doch Max ist nicht der einzige, der hier darbt. Imperatorin Furiosa verlässt die Zitadelle im Tanklastzug, um Benzin in Gas Town und Munition auf der Bullet Farm zu holen – so scheint es. Tatsächlich reißt sie das Lenkrad nach Osten um, um mit ihrem Konvoi den „grünen Ort der vier Mütter“ zu erreichen – zusammen mit fünf jungen, attraktiven „Brütern“, eine davon schwanger, nämlich Splendid, die Lieblingsfrau – nein, der liebste Besitz – von Immortan Joe. Als der mit seinen Kriegstruppen die Verfolgung aufnimmt, muss auch Max mit – als lebender „Blutbeutel“ für den geschwächten Warboy Nux – und wird als Galionsfigur vor dessen Gefährt geschnallt. Auf der langen Jagd werden die Karten neu gemischt, bald sitzt Max bei den Flüchtigen – erst als Feind, dann als Verbündeter…
Reines, physisches Kino par excellence, purer Wahnwitz, ein rabiater, brachialer, furios-rasanter Actionknaller, der alles bisher Gesehene übertrumpft, ein filmischer Comic, ein Live-Action-Cartoon, der bei strahlender Sonne absolut finster wirkt und trotz grotesker Grausamkeiten morbid-witzig (nebenbei handelt es sich auch um einen der bestkonvertierten 3D-Filme ever). Letztendlich ein Film über die Kunst und die Notwendigkeit zu überleben und sich mit Macht gegen sein vermeintliches Schicksal zu stemmen. Spannend wird die Sache dadurch, dass jeder zuerst ein Einzelkämpfer ist, der den anderen bitter bekriegt oder sich selbst mit Begeisterung in die Luft jagen möchte, dann aber merkt, dass man – nicht nur aufgrund schwerer Ketten – voneinander abhängt und sieht, dass man zusammen etwas erreichen kann.
Sympathisch wird der Film dadurch, dass er uns die Gefühle und die „Moral“ ohne kitschige Überhöhung nahebringt: Natürlich ist der Film auch eine (krasse) Liebesgeschichte zwischen Max und Furiosa, gleichwohl kann er ohne weiteres auf zarte Worte oder Küsse verzichten, denn so wie jeder am Ende um das Leben des anderen kämpft (erst sie um ihn, dann er um sie), kann es gar keine stärkeren Liebesbeweise geben. Und natürlich findet der verpeilte Nux, der doch nur heldenhaft in Walhalla einziehen wollte, mit der rothaarigen „Brüterin“ eine völlig neue Idee für seine Existenz auf Erden. Aber auch hier sind George Miller und Co. schlau genug, nicht länger die Kraft der zwei Herzen zu besingen, denn man SIEHT ganz einfach, dass dieser Selbstmordattentäter in eigener Sache am Ende ein anderer ist, dass der gehirngewaschene Kriegsjunge zum empathiefähigen Menschen geworden ist. Man darf gewiss sein, dass Menschen wie diese nun eine andere, bessere Welt erschaffen werden…
Wer NICHT hinsieht, sondern nur glotzt, wild assoziiert und für schäbige Gags seinen Ruf aufs Spiel setzt, ist DER SPIEGEL, der diese Endzeitkrieger allen Ernstes mit der Terrormiliz IS vergleicht (Heft 20 vom 9. Mai 2015, Seite 124), quasi Regisseur George Miller islamistische Propaganda unterstellt. Das stimmt schon ikonographisch nicht, und falls hier überhaupt jemand jemanden imitieren wollte, dann wäre der zweite, über 30 (!) Jahre alte Mad-Max-Film THE ROAD WARRIOR das Vorbild, aber das ist natürlich grober Unfug, da sich 1981 niemand auch nur im Entferntesten so etwas wie den IS hätte ausdenken können.
Lasse sich also niemand von deutschen Nachrichtenmagazinen oder ähnlichen Schöngeistern verrückt machen: Bei aller Martialität und Gewalttätigkeit hat MAD MAX: FURY ROAD doch eine menschliche Seele und eine friedliebende Botschaft. Man muss nur ein wenig hinter all die wilden Krieger, fulminanten Jagden, irren Stunts und Explosionen gucken. Eigentlich ist das gar nicht so schwer.
Erschienen im TV Spielfilm Blog
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Mad Max: Fury Road, Australien/USA 2015 | Regie: George Miller, Buch: George Miller, Brendan McCarthy, Nick Lathouris | Mit: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Hugh Keays-Byrne, Zoe Kravitz, u.a. | Laufzeit: 120 Min. Verleih: Warner (Kinostart: 14.05.2015)
Hat das misanthropische Züge oder handelt es sich schlichtweg um Gedankenlosigkeit: Warum werden eminent wichtige Plot-Twists bereits mit der Inhaltsangabe des Films herausgegeben? Der Spassfaktor vertschüsst sich um einiges, wenn man zuviel von dem genialen Drehbuch weiß, das man in einem solchen Actioner nicht unbedingt selbstverständlich erwarten darf. Bereits die halbes Dutzend Trailer und Teaser über den Zeitraum der letzten zwei Jahre haben der Ausnahmestellung dieses Hammerfilms Rechnung getragen, indem sie Lust auf alles und noch viel mehr gemacht haben, ohne Essenzielles preiszugeben … um dann im Kino nach 10 Minuten immer noch zu glauben, dass man im falschen Film sitzt. Grandios.
Schön und gut, flotte Fanschreibe mit vielen herzdramatischen Adjektiven, hach, da geht über dem Film gleich nochmal eine glorreiche Staubwolke der Euphorie auf. Was mir aber wirklich den Lesespaß vergällt, ist dieses anmaßende Zwinkern mit dem „allerdings kapiert das nicht jeder…“ Hoffentlich sagt man dir das mal nicht auch, lieber Peter.
Und noch etwas: DER SPIEGEL liegt gar nicht so falsch, wenn er Parallelen zur IS-Propaganda sieht. Nur dass Miller da nicht naiv beliefert, sondern mit seinen durchgeknallten, chromverschmierten, walahallakreischenden Freaks einen bitteren Kommentar auf den realen IS-Fanatiker serviert. What a lovely day!
Wer diesem auf Celuloid gebannte Schundwerk nur im geringsten irgendetwas abgewinnen kann hat meiner Meinung nach Lack gesoffen!
Das ist DRECK par excelance!
Kunst, in diesem Fall einem Film, kann nicht mehr Ehrerbietung zu teil werden, als wenn sie polarisiert. Nice.