Die Ringe der Macht, 1. Staffel

Die Ringe der Macht, 1. Staffel

Von Oliver Schäfer

Jeff Bezos` Amazon hat angeblich hunderte von Millionen Dollar in seine „Herr der Ringe“ Prequel-Serie investiert. Das schürt natürlich Erwartungen, die zwar optisch eingelöst werden, erzählerisch jedoch allerhand Wünsche offenlassen. So ist unter der Aufsicht der Showrunner J.D. Payne und Patrick McKay eine zwar hübsch anzuschauende, insgesamt aber überraschend uninspirierte erste Staffel entstanden, die erheblich Luft nach oben für die weiteren Staffeln lässt. Vergleicht man die Serie mit den beiden Filmtrilogien, so liegen DIE RINGE DER MACHT leider eher auf dem Niveau der HOBBIT-Trilogie.

Neben dem eher gemächlichen Tempo fehlt es auch den Charakteren an Tiefe und einprägsamen Eigenschaften. Zudem sind Sympathieträger hier ausgesprochen dünn gesät. So mäandert die Serie trotz einiger guter Actionsequenzen von Folge zu Folge vor sich hin, verliert sich teilweise in schwerfälligen Nebensträngen und ist an anderen Stellen so durchsichtig, dass man spätestens ab der dritten Folge schon problemlos vorhersagen kann, welche Figur sich tatsächlich später als altbekannter Bösewicht oder altbekannter Magier entpuppen wird. Das Überraschungsmoment liegt hier also sehr niedrig. Insgesamt bleibt daher vieles flach und vorhersagbar, manchmal sogar unlogisch, die Geschichte entwickelt sich oft unausgewogen, teils träge, teils überhastet und nur wenige Charaktere laden zum Mitfiebern ein.

Trotz üppiger Bilder und eines opulenten Scores von Bear McCreary kommt nur selten das Gefühl einer epischen Erzählung auf. Manche Szenen wirken seltsam untervölkert, anderen fehlt jegliches Zeitgefühl und die Motivationen für verschiedene Handlungen sind schlicht nicht nachvollziehbar. Gelegentlich wirkt es, als ob die Autoren sich beim Schreiben in eine Ecke manövriert hatten, aus der sie nur mit einem billigen Trick wieder herauskamen. Darstellerisch wirkt zudem vieles übertrieben und auf eher mittelmäßigem Niveau.

Morfydd Clark (SAINT MAUDE) als Galadriel ist stoisch, zornig und undiplomatisch und damit weit weg von Cate Blanchetts Filmversion. Sicher, sie ist hier jünger und unerfahrener, aber acht Folgen lang mit zusammengepressten Lippen durch die Südlande zu ziehen, ist auf Dauer doch ermüdend. Eine weitaus spannendere Rolle hat Joseph Mawle (RIPPER STREET) als abtrünniger Elb Adar, der hier die Orks anführt und den Boden bereitet für die Rückkehr Saurons. Ismael Cruz Córdova (MARY QUEEN OF SCOTS) als farbiger Elb Arondir hat insgesamt die interessanteste Geschichte und auch darstellerisch am meisten zu bieten.

Und damit kommen wir kurz zum Thema Diversität oder Colorblind Casting, an dem sich die notorisch unzufriedenen Fanboys im Internet ja schon fleißig abgearbeitet haben. Grundsätzlich begrüße ich den Gedanken dahinter, siehe z.B. die Netflix-Serie BRIDGERTON, in der das fabelhaft funktioniert, allerdings finde ich die Umsetzung hier teilweise doch sehr gewollt, insbesondere wenn man Tolkiens Beschreibungen berücksichtigt. Das hätte an mancher Stelle sicher eleganter und nachvollziehbarer gelöst werden können, zumal sich hier ja genügend verschiedene Völker aus diversen Ecken von Mittelerde tummeln, um für einen bunten Mix zu sorgen. Und für mich sind z.B. Elben nun mal groß, schlank, gutaussehend und mit langer silbriger Haarpracht ausgestattet.
Mein Fazit nach Staffel 1:

Schöne Bilder, ein üppiger Score und eine tolle Ausstattung sorgen zumindest für optischen und akustischen Genuss. Trotz vieler Unzulänglichkeiten ist die Serie durchweg unterhaltsam, bietet allerdings auch reichlich Verbesserungspotential für die weiteren geplanten Staffeln.
Vielleicht sollte man keinen Vergleich anstellen, aber parallel habe ich die erste Staffel von HOUSE OF THE DRAGON geschaut, was die Defizite der RINGE DER MACHT nochmal verdeutlichte. Alles an dem GAME-OF-THRONES-Prequel stellt das Amazon-Projekt leider locker in den Schatten, angefangen von den Sets, den Charakteren, der Story, über die ausgefeilten Dialoge bis zu den exzellenten Darstellerleistungen, allen voran der famose Paddy Considine als Viserys Targaryen. Für das Erreichen dieser Qualität werden sich Payne, McKay und alle anderen am „Ring“ Beteiligten noch ordentlich ins Zeug legen müssen.

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The Lord of the Rings: The Rings of Power | USA 2022 | Regie: Regie: J.A. Bayona, Charlotte Brandstrom, Wayne Yip | Darsteller: Morfydd Clark, Ismael Cruz Córdova, Joseph Mawle, Charlie Vickers, Markella Kavenagh, Daniel Weyman, Lenny Henry, Robert Aramayo, Nazanin Boniadi, Lloyd Owen, Maxim Baldry, Benjamin Walker, Peter Mullan u.a.

Anbieter: Amazon Prime Video