Black Emanuelle – Stunden wilder Lust

Black Emanuelle – Stunden wilder Lust

Von Guy Montag

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm könnte man denken: eine sehr erfolgreiche Filmreihe aus Frankreich (EMMANUELLE) gebiert bei den italienischen Nachbarn einen epigonalen Ableger (EMANUELLE, damals aus lizenzrechtlichen Gründen um ein ‚M‘ erleichtert), der seinerseits ebenfalls Kasse macht und zum Kult wird. Fertig ist der simple Abklatsch, Haken dran. Oder ist es gar nicht so einfach, wie man denken mag? Sicherlich nicht, wenn der Regisseur auf den Namen Joe D’Amato hört.

„I Celebrate Myself“; im Grunde liest sich dieser hypnotische Titelsong wie ein Hymnus an die Frauen im Allgemeinen und an die Protagonistin Emanuelle im Besonderen. Jene schwarze Emanuelle, ikonisch portraitiert von der exotischen Aktrice Laura Gemser, rückt D’Amato ins Zentrum seines filmischen Kosmos‘. D’Amato zelebriert sie, Gemser zelebriert sich selbst – was um sie herum passiert, verkommt manchmal fast zur Nebensache. Es scheint viel instinktives Schauspiel am Werk, Gemser und ihr Ehemann Gabriele Tinti agieren ungezwungen natürlich und blind aufeinander getimt – die restlichen Akteure sind entweder Manns und Fraus genug, sich ihre Parts locker von der Leber weg zu spielen (Roger Browne, Lars Bloch), oder mit der nötigen Selbstironie drauflos zu arbeiten, komme wer da wolle (Paola Senatore, Riccardo Salvino).

Natürlich gilt auch für den cleveren Geschäftsmann und Regisseur das alte Sex-sells-Prinzip und somit wird an Soft- und Hardcore nicht gespart, doch D’Amato wäre nicht D’Amato, wüsste er nicht stets an richtiger Stelle zu überraschen, zu schocken. Das untergründige Transgressionspotential zieht sich wie ein roter Faden durch seine Regiearbeiten, er gibt den Affen dieser Welt ordentlich Zucker. Über den wiehernden Zeitgenossen dieses Films ist viel geschrieben worden (auch der Autor dieser Zeilen vermochte es nicht, sich einige Plattheiten hierüber zu verkneifen) – dass Zoophilie in Filmen selten thematisiert wird mag seine Gründe haben. Die ungemein-hundsgemein realistisch dargebotene Snuff-Episode versteht es auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung, dem geneigten Zuschauer den gefühlten und von D’Amato intendierten Schlag in die Magengrube zu versetzen. Durch solche Verknüpfungen mit dem Mondo- und Sleaze-Genre beackerte der Regisseur in seinen Erotikfilmen klare Grenzüberschreitungen, die ihrer Wirkung nicht fehl gehen. Die Sittenwächter riefen Zeter und Mordio, die Kinobillets gingen hingegen weg wie warme Semmeln.

All das wird eingehüllt und verpackt von Nico Fidencos lüstern-lullender Musik, die es auch in Plattensammlerkreisen zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Neben ein bisschen jazziger Big-Band-Archivmusik von Armando Trovajoli – die aus Sergio Griecos stimmigem Eurospy-Reißer DER BOSS STIRBT NOCH VOR 12 (1968) stammt – fiedelt der ehemalige Sänger ein buntes Melodienpotpourri zusammen, kleistert die Liebesszenen mit sanften Slowtempogroovern zu, grundiert den Sex in Venedig mit barocken Vivaldi-Anklängen, lässt Streicher schubbern und Posaunen blasen. Der Komponist weiß, was er den Bildern schuldig ist; mit diesem Score wird noch jede schale Stadtansicht zum fiebrigen Tagtraum, noch jeder schnöde Meter, den Laura Gemser traumwandlerisch macht, zum elegischen Walk of Fame.

Bei der in verschiedenen Covervarianten erschienenen Mediabook-Ausgabe aus dem Hause Excessive Pictures erstrahlt der Film in neuem Glanz, die Abtastung macht einen blitzblanken Eindruck und lässt den Streifen – den man als jahrelanger Fan schon in den abgeschrabbelsten Überspielungen bewundern musste – in einer Pracht erscheinen, die einem für solche Filme mittlerweile fast ‚zu gut‘ aussieht (Die Luxusprobleme für Filmfreunde nehmen kein Ende). Neben dem italienischen Originalton ist die deutsche Synchronfassung enthalten, deren Line-Up sich wie ein Who-is-who aus damaligen Granden der Berliner Branche liest (Christian Brückner, Dagmar Biener, Edgar Ott, Ursula Heyer, Thomas Danneberg – um nur einige zu nennen). Lediglich in einem Punkt irrt das ansonsten tadellose Booklet: Laura Gemser wird hier von Evamaria Miner synchronisiert, nicht von Brigitte Grothum, die sie in der sympathischen Spencer-Hill-Komödie ZWEI AUSSER RAND UND BAND gesprochen hatte.

An Extras wird bei diesem Release ebenfalls nicht gegeizt. Neben dem erwähnten Booklet, in dem die Autoren David Renske und Martin Beine (tenebrarum) in bewährter Weise zum Film und seinen Hintergründen ausführen, ist der einstige Schnitt der deutschen Kinofassung enthalten. Sehr informativ gestalten sich die Audiokommentare von Lars Dreyer-Winkelmann und eine Tonspur mit der Kombination Bruce Holecheck & Nathaniel Thompson – letztere hat man dankenswerter Weise von der Mondo Macabro-Scheibe übernommen. Nicht ganz ohne Längen – die den Erinnerungslücken und Abschweifungen der Interviewten geschuldet sind – und doch sehr unterhaltsam ist die vor einigen Jahren im Auftrag von KochMedia entstandene, fast spielfilmlange Dokumentation „Blue Extasy“, in der neben der vor einiger Zeit abgedankten wahl-römischen ‚Nordmanntanne‘ Lars Bloch (der D’Amato aufgrund dessen oftmaliger US-Filmabenteuer witzelnd ‚Aristide Massachusetts‘ nannte) und der Schauspielerin Maria Piera Regoli auch der Schauspielagent und Teilzeitmime Tony Askin sowie die beiden Make-up-/Special Effects-Handwerker Maurizio Trani und Giannetto de Rossi zu Wort kommen. Für Historiker und Retrosexuelle ist die nostalgische Super-8 Fassung enthalten, die damals ehrlicherweise den Titel „Halbe Stunde wilder Lust“ hätte erhalten müssen, sowie obligate Dreingaben wie verschiedene Trailer und umfangreiche Bildergalerien.

Man mag von den erotischen Techtelmechteln, den mit Macht dargebotenen Skandalszenen, der flutschigen Rudimenthandlung und dem stilsicheren Anpeilen von Postkartenmotiven halten was man will – es sei jedem ungeübten Zuschauer verziehen, der im Laufe der Filmhandlung mal kurz wegnickt. Doch für Genrefreunde, die sich am hemmungslosen Zeitkolorit erfreuen, die sich auf diesen wilden Kuddelmuddel an Stilismen und Genreversatzstücken einlassen können, die eventuell auch nur einen Sprung in den filmischen Zeittunnel wagen wollen, ist BLACK EMANUELLE – STUNDEN WILDER LUST ein Kleinod unwiederbringlich vergangener Kinotage. Man mache sich die heimische Bude getrost zum Bahnhofskino und lasse den Regenmantel an der Garderobe hängen – mit Joe D’Amato als Stationsvorsteher verpasst man gerne seinen Zug. Zum Schluss muss ich dennoch noch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit beklagen: Keiner hat das Pferd geküsst! Wolfgang Fierek, bitte melden!

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Emanuelle in America | I 1976 | Regie: Joe D’Amato | Darsteller: Laura Gemser, Gabriele Tinti, Roger Browne, Paola Senatore, Lars Bloch, Riccardo Salvino u.a.

Anbieter: Excessive Pictures