Black Earth Rising

Black Earth Rising

Von Oliver Schäfer

Kate Ashby (Michaela Coel – I MAY DESTROY YOU) ist eine britische Ermittlerin, die für die internationale Anwaltskanzlei ihrer Adoptivmutter Eve (Harriet Walter – THE CROWN) arbeitet. Kate ist aber auch eine Überlebende des ruandischen Völkermords der Hutu an den Tutsi Anfang der 1990er Jahre, die seinerzeit von Eve gerettet und anschließend adoptiert wurde. Eve Ashby ist auf die Verfolgung von Kriegsverbrechen spezialisiert und übernimmt die Anklage gegen den Tutsi-General Simon Nyamoya (Danny Sapani – PENNY DREADFUL) vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Nyamoya wird zwar eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Völkermords zugeschrieben, dennoch wird er wegen anderer, bisher unbekannter Kriegsverbrechen angeklagt.
Kate ist entsetzt, dass ihre Mutter, auch auf ihre Bitte hin, nicht von diesem Fall zurücktritt. Kurz vor Eve’s Abreise nach Den Haag, kommt es zu einem heftigen Streit, weil Eve aus Vertraulichkeitsgründen keine befriedigende Erklärung dafür geben kann, warum gerade sie diese Anklage führen muss. Auch Eve’s amerikanischer Kollege Michael Ennis (John Goodman – ARGO) kann oder will Kate nicht weiterhelfen. Kurz nach der ersten Sitzung des Verfahrens, kommt es zu einem tödlichen Anschlag, der in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem Fall steht. Und Kate steht plötzlich im Mittelpunkt einer internationalen Verschwörung, deren Ursprünge Jahrzehnte zurück liegen.
Was nun folgt, ist ein grandioses, internationales Politdrama, in dem verschiedene Fraktionen ihre Interessen ausspielen, geopolitische Zusammenhänge sichtbar werden und persönliche Verstrickungen aus der Vergangenheit zu Tragödien in der Gegenwart führen. Das Ganze wirkt wie ein Schachspiel, dessen Figuren jedoch erst im Verlauf des Spiels nach und nach sichtbar werden. Kate steht nun vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe, die Hintergründe des Anschlags mit den Untaten vergangener Zeiten in Verbindung zu bringen, ohne dabei die unsichere Zukunft ihres Heimatlandes Ruanda zu gefährden. Dabei setzt sie sich selbst tödlicher Gefahr aus, findet aber auch Unterstützung von unerwarteter Seite. Wie so oft, verändert manchmal ein einzelner Satz oder ein plötzlich auftauchendes altes Foto den bisher als sicher erachteten Blickwinkel auf vergangene Ereignisse. In Kate´s Fall bedeutet dies, dass sie sowohl ihr Wissen um den Genozid, als auch ihr Selbstbild mehrfach revidieren muss, um letztlich mit beidem abschließen zu können.
Nach seinem ebenso sehenswerten Thrillerdrama THE HONOURABLE WOMAN, in dem sich die wunderbare Maggie Gyllenhaal als Erbin eines Waffenhändlers zwischen Saudis, Israelis und der Weltpolitik aufreibt, schickt Autor und Regisseur Hugo Blick diesmal die grandiose Michaela Coel als Kate Ashby auf eine Reise in die blutige Vergangenheit ihres Geburtslandes. Die Serie fordert vom Zuschauer Aufmerksamkeit ein, allerdings ist Hugo Blick auch ein Meister darin, vielschichtige Handlungen und eine große Anzahl wichtiger Akteure im richtigen Tempo so zu arrangieren, dass trotz aller Wendungen die Übersicht nicht verloren geht. Dabei ist er nicht zimperlich und mutet dem Zuschauer auch manches unschöne Bild zu. Für die Darstellung der blutigen Taten des ruandischen Völkermords hat er sich eines originellen Kniffs bedient, indem er diese Geschehnisse als Animationssequenzen gestaltet hat, statt sie in blutiger Detailtreue nachspielen zu lassen.
Auch sonst ist die Serie optisch sehr ansprechend und technisch erstklassig umgesetzt. Neben der klugen Story und der eleganten Umsetzung steht jedoch die phänomenale Michaela Coel im Zentrum dieses politischen und persönlichen Sturms. Ihrem ausdrucksstarken Gesicht kann man jede Nuance von Kates komplizierter Gefühlswelt ablesen, sie überzeugt in körperbetonten Szenen und greift nebenbei auch noch auf ein umfangreiches Repertoire an mal mehr, mal weniger feinsinnigen Beleidigungen und sarkastischen Onelinern zurück. Mit dieser Serie und ihrem mit Preisen überhäuften Folgeprojekt I MAY DESTROY YOU dürfte sie bei einem großen Publikum angekommen sein.
Trotz ihrer intensiven Präsenz, lässt sie ihren Mitspielern genug Entfaltungsspielraum. So ist hier besonders John Goodman zu erwähnen, der mit einer schönen Balance zwischen seiner ungewöhnlich verletzlichen und seiner gewohnt humorigen Seite überrascht, die er besonders in den Dialogen mit Tamara Tunie (FLIGHT) voll ausspielen kann. Weitere Highlights sind Noma Dumezweni (THE UNDOING) und Lucian Msmati (GANGS OF LONDON), sowie die stets verlässliche Harriet Walter.
Trotz des schwierigen Themas, bietet die Netflix-BBC Koproduktion acht Stunden intelligente, emotionale und mitreißende Unterhaltung, ohne plumpe Antworten auf die komplexen Fragen zu liefern, denen sich Kate im Laufe der Handlung stellen muss. Dabei gelingt den Machern eine feine Balance zwischen der persönlichen und der politischen Seite des Dramas. Ein echtes TV-Highlight.

___________________________________________________________________

Black Earth Rising | Großbritannien 2019 | Regie: Hugo Blick Darsteller: Michaela Coel, John Goodman, Noma Dumezweni, Lucian Msamati, Tamara Tunie, Emmanuel Imani, Harriet Walter u. a.

Anbieter: Netflix