Feinde aus dem Nichts

Feinde aus dem Nichts

Von Bodo Traber

Es war der Überraschungserfolg des QUATERMASS EXPERIMENT 1955, der tatsächlich die Weichen für die Zukunft der Hammer Films stellte. Schon zuvor hatte sich die Adaption populärer (Radio- bzw. TV-) Serien als profitabel erwiesen, aber der Schwerpunkt der Produktion lag auf historischen Stoffen, etwa um „Robin Hood“, für den jugendlichen Markt. Das änderte sich drastisch mit dem ersten QUATERMASS-Film und Hammer (und diverse andere britische Firmen) schwenkten auf SF- und Gruselstoffe um. Kultautor Nigel Kneale hatte mit den zugrunde liegenden Serien die ersten TV-Straßenfeger geschaffen, und der Erfolg wiederholte sich an der Kinokasse. Für QUATERMASS 2 (1957) wurde das Budget aufgestockt; man verließ die kleinen Bray-Studios und drehte auf Sets in Pinewood und an imposanten Außenschauplätzen.

Sei es die Rakete, die mitten im Wohngebiet vom Himmel fällt, das Mars-Raumschiff, das bei Bauarbeiten nebenan gefunden wird, oder das Regierungsprojekt hinter dem Hügel, das sich als Nest außerirdischer Parasiten entpuppt: Die Quatermass-Geschichten spielten in heimischen Gefilden, gleichsam vor der Haustür, und vermittelten englischen Zuschauern eine Authentizität und Unmittelbarkeit, die amerikanische Filme selten erreichten, die vielfach eher wie Werbefilme der U.S. Air Force wirkten. Hier wird Professor Quatermass auf der Landstraße fast von einem anderen Wagen gerammt, dessen Fahrerin schnelle Hilfe für ihren Freund sucht. Der Freund hat ein Brandmal im Gesicht und ist im Delirium, seit er beim Picknick einen seltsamen Stein aufgelesen hat, der – wie sich herausstellt – vom Himmel gefallen ist. Bis dem Team des Professors klar wird, dass die Meteorbrocken Leben enthalten, haben die Außerirdischen bereits Teile der britischen Regierung übernommen und beginnen, sich immer weiter auszubreiten.

Die Ähnlichkeiten mit Don Siegels fast parallel entstandenem INVASION OF THE BODY SNATCHERS liegen im Geist der Zeit begründet; die Unterwanderungsfantasien aber sind als Metaphern längst zeitlos geworden. Bei Kneale, der kurz zuvor George Orwells „1984“ in einer viel beachteten Version für die BBC adaptiert hatte, wird sie zur Paraphrase auf Totalitarismus und Polizeistaat, die bereits das Klima politisch dezidierter Anti-Utopien späterer Jahre (SIE SIND VERDAMMT, PRIVILEGE, PUNISHMENT PARK) vorwegnimmt. (Für ausführlichere Hintergrundinformationen sei auf den Artikel „Das Quatermass-Dossier“ verwiesen, ebenfalls exklusiv auf dieser Webseite.)

Inzwischen sind auch die deutschen Synchronfassungen der ersten beiden Filme wiedergefunden worden, die jahrzehntelang als verschollen galten, ebenso wie der größte Teil der Original-Serials der BBC. Man erinnert sich, wie kostbar eine VHS-Kopie von QUATERMASS 2 einst war – zu einer Zeit, als man noch las, der Film sei unwiederbringlich verloren, denn Nigel Kneale habe alles daran gesetzt, ihn vom Erdboden zu tilgen, weil er mit den Drehbuchänderungen und der Umsetzung durch den (ebenso legendären) Regisseur Val Guest nicht einverstanden war und auch die Besetzung seiner Hauptfigur mit dem ehemaligen Gangsterdarsteller Brian Donlevy für unglücklich hielt. Tatsächlich sind die Quatermass-Filme weit besser gealtert als manch andere Genreproduktion ihrer Epoche, bleiben dank der Begabung und Imagination aller Beteiligten bis heute faszinierende Visionen realer Alpträume inmitten biederer Alltäglichkeit – was ihnen zudem eine makabre Aktualität verleiht.

Erschienen ist der Film vor kurzem in der Hammer-Edition von Anolis Entertainment. An Bonusmaterial wird nicht gespart. Filmhistorisch von großem Interesse ist der englischsprachige Audiokommentar von Nigel Kneale und Val Guest. Das Duo Rolf Giesen und Volker Kronz steuert einen englisch- wie auch einen deutschsprachigen Kommentar bei. Erfreulich ist, dass die mittlerweile selbst als historisch zu bezeichnende World-of-Hammer-Episode zum Thema „Science Fiction“ ebenfalls enthalten ist. Neben Werbematerial, Trailern und der Super-8-Fassung findet sich auch die deutsche Kinofassung, die das wohlige Gefühl alter Leinwandvorführungen verströmt. Bild und Ton der Hauptfassung sind über jeden Zweifel erhaben, es finden sich sowohl der englische Ton wie auch die deutsche Synchronisation.

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Quatermass 2 | GB 1957 | Regie: Val Guest | Drehbuch: Nigel Kneale, Val Guest | Kamera: Gerald Gibbs | Musik: James Bernard | Darsteller: Brian Dolevy, Bryan Forbes, Sidney James, John Longden, Vera Day u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment