Nevada Pass
Von Gerd Naumann
Der schottische Thriller-Autor Alistair MacLean war kein Unbekannter seiner Zunft. Viele seiner Bücher sind vor allem auch durch aufwendig produzierte Hollywoodadaptionen in Erinnerung geblieben. So basierten etwa J. Lee Thompsons THE GUNS OF NAVARONE (DIE KANONEN VON NAVARONE / 1961) oder Michael Tuchners FEAR IS THE KEY (ANGST IST DER SCHLÜSSEL / 1972) auf gleichnamigen Romanvorlagen MacLeans. Für BREAKHEART PASS (NEVAVA PASS / 1975) verfasste er das Drehbuch basierend auf seinem eigenen Roman. Ebenso standen die Produzenten des Films für Kontinuität. So hatten Jerry Gershwin und Elliott Kastner mit WHERE EAGLES DARE (AGENTEN STERBEN EINSAM / 1968) und WHEN EIGHT BELLS TOLL (DAS MÖRDERSCHIFF / 1971) bereits Erfahrungen mit MacLean-Adaptionen gesammelt.
Regisseur Tom Gries arbeitete mit Bronson zeitnah zu BREAKHEART PASS noch an einem weiteren Film. Dieser ist der zwar ebenfalls unterhaltsame, aber weniger im kollektiven Gedächtnis gebliebene BREAKOUT (DER MANN OHNE NERVEN). Auch hier gab Bronson die für ihn charakteristische Darstellung des undurchsichtigen Raubeines, dessen innerer moralischer Kompass über weite Strecken nicht eindeutig festzumachen ist. Der Schauspieler war zur Entstehungszeit beider Produktionen auf dem Zenit seines Erfolgs, bekam hohe Gagen und mitunter eine Gewinnbeteiligung. Im Falle der MacLean-Verfilmung lag diese bei zehn Prozent und einer zusätzlichen Grundgage von einer Million Dollar. Für die Produzenten dennoch ein einträgliches Geschäft, denn Bronsons Name zog an den Kinokassen.
BREAKHEART PASS ist einer der schönsten und visuell beeindruckendsten Westernfilme der 1970er Jahre. Mehr noch, er überschreitet fließend-elegant die festgefahrenen Genregrenzen und wird mehr und mehr zu einem fesselnden Thriller mit bei Jack London entliehenen Abenteuerelementen. Bronson, oder mit richtigem Namen Charles Dennis Buchinsky, verglich seine schauspielerische Arbeit einmal mit einem Stück Seife. Das Publikum habe das Recht, das zu bekommen, was es erwarte. Sei es nun Seife oder ein typischer Bronson-Film. Es ist Alistair MacLeans Vorlage zu verdanken, dass sie die kantig-melancholische Erscheinung dieses so untypischen Actionhelden in ein straffes dramaturgisches Korsett zwängt.
Der wortkarge Held des Westens wie der amerikanischen Großstädte findet hier in der Einsamkeit keinen Rückzugsort, denn die Handlung spielt örtlich geographisch über weite Strecken in der bedrückenden Enge eines Zuges. Der Falschspieler John Deakin, so Bronsons Rollenname, steht unter Verdacht, einen Anschlag auf einen Militärtransport verübt zu haben. Er wird festgenommen und auf einen Zug verfrachtet, der mit Versorgungsgütern auf dem Weg zu einem Militärstützpunkt ist. Schnell wird klar, dass einige der mitreisenden Offiziellen nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Es verschwinden und sterben Menschen, die überlebensnotwendige Telegraphenverbindung fällt aus. In dieser Situation wird Deakin Freiraum zur Ermittlung gegeben…
Für die exzellente Kameraarbeit verantwortlich zeichnet Lucien Ballard, dessen Karriere eine Zeitspanne von Ende der 1920er bis Ende der 1970er Jahre umfasst. Ballard arbeitete frühzeitig mit einer Vielzahl der großen Regisseure der Goldenen Ära zusammen, unter anderem mehrfach mit Ernst Lubitsch und Josef von Sternberg. Im Laufe der Jahrzehnte deckte Ballard nahezu jede filmische Spielart ab und schaffte es, hier eigene Akzente zu setzen. Dabei beherrschte er sowohl die für klassische Hollywood-Großproduktionen charakteristischen Atelieraufnahmen, beispielsweise für Henry Hathaways PRINCE VALIANT (PRINZ EISENHERZ / 1954), wie auch die für die Übergangsfilme hin zum „New Hollywood“ typischen Außenaufnahmen. Das signifikanteste Beispiel ist sicherlich Sam Peckinpahs THE WILD BUNCH (THE WILD BUNCH – SIE KANNTEN KEIN GESETZ / 1968). Hier gelang Ballard das Kunststück, die latente Aggression des amerikanischen Westens durch, im wahrsten Sinne des Wortes, staubtrockene Bilder einzufangen. BREAKHEART PASS vereint sowohl die Tugenden des studioerfahrenen Kameramannes wie auch die Dreherfordernisse neuerer Inszenierungsformen. Die Innenaufnahmen während der Zugfahrt sind dynamisch aufgelöst und die Landschaftsbilder atemberaubend. Die beeindruckenden Außenaufnahmen entstanden überwiegend in North Central Idaho, speziell die Städte Pierce und Reubens. Über ähnlich imposante Landschaftsaufnahmen verfügte auch Bronsons einige Jahre später entstandener DEATH HUNT (EIN MANN WIRD ZUR BESTIE / 1981).
BREAKHEART PASS und DEATH HUNT haben zudem starke Nebenrollenbesetzungen, was in späteren Bronson-Filmen nicht immer eine Selbstverständlichkeit war. Es darf gemutmaßt werden, ob der Hauptdarsteller hier Einfluss auf die Besetzungspolitik der Produktionsfirmen hatte. Augenfällig ist jedoch, dass ab Mitte der 1970er seine Gegenparts oftmals etwas die schauspielerische Güte vermissen lassen. Anders jedoch in besagten Filmen. In DEATH HUNT steht Bronson der charismatische Lee Marvin zur Seite. Beide Produktionen wertet zudem das vertraute Gesicht Ed Lauters in einer wichtigen Nebenrolle auf. Überhaupt ist BREAKHEART PASS erstaunlich treffend besetzt; zu sehen sind unter anderem die Hollywoodveteranen Richard Crenna, Charles Durning und die markante Westernikone Ben Johnson. Wie in vielen Filmen spielt auch hier die zerbrechlich-filigrane Jill Ireland eine große Rolle an der Seite ihres zweiten Ehemannes Charles Bronson.
Viele vertraute Gesichter also in einem Film, der einer der großen, wenngleich oft unterschätzten Spannungsfilme der 1970er Jahre ist. Der Zahn der Zeit konnte diesem kleinen Juwel nichts anhaben. Unter seiner rauen Schale funkelt es nach wie vor vibrierend und atemlos. Zugleich macht es auch etwas wehmütig. Wenn Regisseur Tom Gries nicht wenig später überraschend verstorben wäre, welche Filme hätte er noch drehen können…
Erschienen ist der Film über NSM Records sowohl auf Blu-ray wie auch als DVD. An Extras finden sich der Trailer sowie eine Bildergalerie.
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Breakheart Pass | USA 1975 | Regie: Tom Gries | Darsteller: Charles Bronson, Richard Crenna, Ed Lauter, Ben Johnson, Jill Ireland, Charles Durning u.a.
Anbieter: NSM Records
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