Schlock – Das Bananenmonster
Von Matthias Künnecke
Ist schon erstaunlich, woran man sich so erinnert. Große Teile meiner Jugend sind in der Erinnerung verblasst oder ganz verschwunden, aber Momente wie diesen kann ich noch kristallklar abrufen: es ist Anfang der Achtziger, ich stehe vor den Aushangkästen eines Hamburger Vorortkinos und betrachte ein Filmplakat mit einer Art Gorilla, der eine bewusstlose Schönheit trägt. Ich bin noch recht jung, deshalb gruselt es mich ein bisschen, obwohl die Gestaltung mir kommuniziert, dass es sich um eine Komödie handelt. „Schlock“, denke ich, „wie kann man nur so heißen?“.
Heute weiß ich natürlich mehr, kenne John Landis, Rick Baker, und sogar einen misslungenen britischen Affenmonsterfilm namens TROG. Und ich weiß, dass das Wort „Schlock“ in der amerikanischen Umgangssprache etwas Minderwertiges, Hingerotztes beschreibt. Was die wesentlichen Koordinaten von John Landis‘ Erstlingswerk, entstanden 1971 und erst zehn Jahre später in die deutschen Kinos gekommen, gut umreißt.
21 Jahre jung war der Regisseur, Autor und Affenhauptdarsteller, als er SCHLOCK komplett im Alleingang und selbstfinanziert stemmte. Der Film machte zunächst hier und da die Runde und fand prominente Fans wie TV-Talkmaster Johnny Carson, aber erst zwei Jahre später kam es zu einer größeren US-Kinoauswertung, nachdem Produzent und Verleiher Jack H. Harris von Landis zusätzliche Szenen drehen ließ, um den Film auf Länge zu bringen.
Nachdem John Landis 1978 mit ANIMAL HOUSE einen Riesenhit gelandet hatte, brachte Harris SCHLOCK noch einmal heraus, diesmal BANANA MONSTER betitelt, mit schreierischem Hinweis auf Landis‘ aktuellen Erfolgsfilm. Ein paar weitere Jahre später wurde dann auch endlich der deutsche Filmmarkt auf SCHLOCK aufmerksam, 1982 brachte Erwin C. Dietrichs Ascot-Verleih ihn als SCHLOCK – DAS BANANENMONSTER in die Kinos und konnte auf dem Plakat auf einen noch größeren Landis-Erfolg verweisen: die BLUES BROTHERS.
Eine ziemlich komplizierte Veröffentlichungsgeschichte also, die Turbine Media Group jetzt mit einer vorbildlichen Blu-ray-DVD-Edition des Filmes krönt. Selbst John Landis, der mit einem Audiokommentar und längeren Interviews tatkräftig mitgewirkt hat, scheint kaum glauben zu können, dass sein in zwei Wochen und für 60.000 $ heruntergekurbeltes Erstlingswerk solch eine Deluxe-Behandlung erfährt. Verdient hat der Film es aber außer Frage, steht er doch ziemlich einzigartig in der Filmlandschaft herum.
Die Handlung ist schnell erzählt: ein Exemplar des legendären „Missing Link“, ein Wesen auf dem Evolutionsstatus zwischen Affe und Mensch, hat die Eiszeit in einer kalifornischen Höhle überlebt und macht nun die Gegend unsicher. Lange Zeit entwischt er allen Ordnungshütern, erst die Liebe zu einem Mädchen führt zu seinem tragischen Ende. Natürlich stand hier KING KONG Pate, aber auch der zurecht weniger bekannte britische Film TROG (1969) von Hammer-Regisseur Freddie Francis, der – komplett ernst gemeint – eine ähnliche Geschichte erzählt und heutzutage nur noch erinnert wird, da er der letzte Film von Joan Crawford war.
Neben Regiedebütant John Landis war mit Rick Baker, dem Schöpfer des Affenkostüms, ein weiteres Junggenie am Film beteiligt. Der inzwischen legendäre Make-up-Artist, siebenfacher Oscar-Gewinner, hatte erst kurz zuvor beim Low-Budget-Schocker OCTAMAN seinen Einstand gegeben. Ursprünglich war Landis davon ausgegangen, aus Kostengründen mit einem Gorilla-Anzug aus dem Kostümverleih arbeiten zu müssen, traf dann aber durch einen glücklichen Zufall auf den zwanzigjährigen Baker, dessen für nur 4.000 $ geschaffenes Kostüm erstaunlich überzeugend ausfiel. Das von Landis brillant verkörperte Monster ist auch Dank Rick Bakers Arbeit komisch, rührend und furchterregend zugleich. Aus dem Gegensatz von schamloser Blödelei und hin und wieder ans Gruselige grenzenden Szenen zieht SCHLOCK seinen Reiz.
Dass SCHLOCK kaum als zusammenhängender Erzählfilm durchgeht, sondern vielmehr aus einer Kette von Sketchen und Parodien besteht, sollte man ihm nicht ankreiden. In vielen Szenen, z.B. die in denen ein TV-Reporter namens Joe Putzman die Vorgänge kommentiert, scheint sich Landis schon für seinen Nachfolgefilm KENTUCKY FRIED MOVIE warm zu laufen.
Turbine präsentiert den in 35 Millimeter gedrehten No-Budget-Film in einer knackscharfen, farbenfrohen Abtastung. Diverse Trailer künden von den unterschiedlichen Auswertungen des Streifens. Der bereits für eine amerikanische DVD aufgenommene Audiokommentar mit Landis und Baker macht Riesenspaß, Landis ist immer eine Gagkanone. Das gilt auch für ein exklusives Interview mit ihm. Exklusiv auch ist ein zweiter Audiokommentar mit den Herren Torsten Sträter, Hennes Bender und Gerry Streberg vom Podcast „Lutsch mich rund und nenn mich Bärbel“, denen ich aber nicht so an den Lippen hing wie Landis und Baker. Natürlich kann man den drei sympathischen Nerds nichts krumm nehmen, aber es zeigt sich, dass es vielleicht keine ganz so gute Idee ist, einen Comedyfilm von Comedians kommentieren zu lassen, 1 + 1 ergibt nicht immer 2. Lieber würde ich die drei Mal auf einem ernstgemeinten Film durchdrehen hören.
Inzwischen erscheint ja alles was nicht bis Drei auf den Bäumen ist im Mediabook. Den Booklets merkt man dabei oft an, wie Labels versuchen, mit Großdrucktexten und Screenshots Seiten zu schinden. Nicht hier, zwei wie zu erwarten kompetente, infostrotzende Texte von Dr. Rolf Giesen und Gorillaexperte Ingo Strecker sowie viele seltene Fotos und Plakate runden das affenstarke Paket ab.
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Schlock | USA 1973 | Regie: John Landis | Darsteller: John Landis, Saul Kahan, Joseph Piantadosi, Eliza Roberts, Tom Alvich, Walter Levine, Harriet Medin u.a.
Anbieter: Turbine Media Group
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