Lucky M. füllt alle Särge
Von Christopher Klaese
„Lucky – bambam!“ dröhnt es aus den Lautsprechern. Wenn Alessandro Alessandronis sonore Bassstimme mit seiner ‚Cantori moderni‘ den Titelhelden besingt, schaltet die Farfisa-Orgel automatisch in den Wohlfühlmodus. Wenn dann auch noch Jess Franco als Regisseur am Ruder ist, klingeln bei Fans des Abseitigen endgültig alle Glocken – aufgepasst, es wird grell & bunt!
Lucky M., „Lucky, das Wunder“ wie er sich nennt, ist nicht nur imprägniert gegen blaue Bohnen, sondern braucht auch für sein loses Mundwerk einen Waffenschein. Angeheuert durch eine Wall Street-Geheimloge der Erzengel düst er durch Italien, Albanien und Spanien, saust mit seinem Kompagnon Michele (Dante Posani) hinter Dollarfälschern drein, macht Bekanntschaft mit der süßen Poliziantin Beba (Beba Loncar) und vernascht die eisenharte Geheimdienstchefin Yaka (Rosalba Neri). Doch als er dem Superschurken Goldbrille (Marcelo Arroita-Jáuregui) gegenübersteht, braucht es schon ein Wunder mehr um „Lucky, dem Wunder“ aus der Patsche zu helfen.
Jess Franco, der rastlose Allesfilmer mit deutlichem Hang zum Obsessiven, drehte LUCKY M. FÜLLT ALLE SÄRGE zu einer Zeit, als er mit seinen Werken das große Publikum zu erreichen vermochte. Im Gegensatz zu späteren Jahren, wo er mit schmalem Budget kleinere Brötchen backen musste, bringt der Spanier hier ‚maxi im motion‘. Überhaupt ist man versucht zu fragen, ob denn Franco je etwas anderes als Spionagepersiflagen gedreht hätte; so stimmig, überdreht und temporeich, doch dabei mit sicherer Hand, ist LUCKY M. FÜLLT ALLE SÄRGE inszeniert. Entstanden als obskure Artur-Brauner-Koproduktion warf der Regisseur seine Erfahrungen aus den schwarzweißen Agentenstreifen mit Eddie Constantine in die Filmdose, versah diese Parodie mit Standbildschriften alter Comic-Strips und versuchte erst gar nicht, irgendetwas von der flippigen Handlung für bare Münze zu nehmen. Als Zuschauer sollte man das übrigens ebenso wenig tun; Ernst, Plan und Logik können getrost zuhause bleiben.
Mit Ray Danton in der Titelrolle hatte man zudem einen Hauptdarsteller in petto, der seine maskuline Ausstrahlung bewusst – oder unbewusst – durch den Fleischwolf der Selbstironie zwängte und dadurch zwar aussah wie James Bond, aber eher wie Buster Keaton agierte. Dass er und sein augenzwinkernder Sparringspartner Dante Posani dabei leichtfüßig in dieselbe ‚Buddy‘-Liga wie Joe Walker und Tom Rowland aus den zeitgleich entstandenen KOMMISSAR X-Filmen aufstiegen, sammelte für den Unterhaltungsfaktor des Streifens zusätzliche Bonuspunkte. Aparte Weiblichkeit verstand sich durch Rosalba Neri und Beba Lonćar quasi von selbst, der Kurzauftritt von Teresa Gimpera sorgte bei den Herren der Schöpfung ebenfalls für Behaglichkeit. Regisseur Jess Franco, immer gerne für Cameos und kleine Rollen in seinen eigenen Filmen zu haben, trieb es hier schon fast auf die Spitze, tobte er doch in drei verschiedenen Rollen – eine skurriler als die andere – durch die Szenerie und ließ keinen Zweifel daran, dass es bei LUCKY M. FÜLLT ALLE SÄRGE um pures Entertainment ging.
Für Bruno Nicolai, damals als ständiger Begleiter Ennio Morricones bereits etabliert, bedeutete LUCKY M. FÜLLT ALLE SÄRGE den Erstkontakt mit dem spanischen Inszenierungswunder Franco. Dankenswerter Weise folgten in den kommenden Jahren kongeniale und stilistisch breitgefächerte Zusammenarbeiten wie MARQUIS DE SADE: JUSTINE (1968) und EUGENIE DE SADE 70 (1970), NIGHTMARES COME AT NIGHT (1972) oder EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES (1973). Gesegnet mit Solovokalistin Edda dell’Orso verzierte Nicolais charmanter Dibidibidubdubdua-Pop den ausgeflippten Agentenspaß mit Bossa-, Blues- und Beatnuancen, geizte nicht mit Sixties-Charme und schmierte die Handlung mit perfektem Zeitkolorit. Da der einst bei Peter Blumenstocks Lucertola Media erschienene Tonträger längst Sammlerwert hat und auch eine erst später in den Archiven entdeckte Suite vermissen lässt, kann man gerne auf dem vor Jahren bei Dagored veröffentlichten Reissue nachhören, warum der Sound Bruno Nicolais so viele Zuhörer in Verzückung geraten lässt.
Die deutsche Synchronisation pulverte den Film dann noch zusätzlich auf, was nicht nur an renommierten Sprechern wie Heinz Petruo, Rainer Brandt, Rosemarie Kirstein, Beate Hasenau oder Gerd Martienzen liegt. Denn im Dialogbuch von Franz-Otto Krüger ließen sich auch einige Brandt’sche Einsprengsel finden, die wahrscheinlich spontan bei der Bearbeitung entstanden; da stellte sich eine ‚Linda aus Kaschmir‘ schon mal als ‚Kunigunde aus Kötzschenbroda‘ vor. Schade lediglich, dass der sinister dreinschauende Dieter Eppler nicht selbst, sondern mit der Stimme von Hans Walter Clasen zu hören war.
Nachdem es im Heimkino und auf VHS um diesen Streifen stets schlecht bestellt war – und Regisseursretrospektiven auch oft eine Sichtung schuldig blieben – ist es nun an Pidax, die Fans mit einer wunderbaren DVD zu versorgen. Abgetastet von einer italienischen Kinokopie, die identisch mit der deutschen Fassung ist, präsentiert sich LUCKY M. FÜLLT ALLE SÄRGE im farbenfrohesten Cinemascope und mit einer Bildqualität, wie man sie in Anbetracht der Materiallage wohl kaum für möglich gehalten hätte. Neben der deutschen Bearbeitung ist auch der englische Dub mit aufgespielt. Im Bonusmaterial versteckt sich eine Bildergalerie der italienischen Photobusta, die in der deutschen Fassung fehlenden Szenen sind, da in schlechterer Qualität und mit englischem Ton vorliegend, ebenfalls separat zu finden. Wie bei Pidax selbstverständlich ist ein Wendecover obligat.
Wer nach KOMMISSAR X, OSS 117 und MISTER DYNAMIT meint, er hätte zum Thema Eurospy schon alles gesehen, der irrt. Keine Sammlung ist komplett ohne „Lucky, das Wunder“, denn „Wunder gibt es immer wieder“. Wer sich einen feschen Agentenlenz machen und selig in den fluffigen Melodien kuscheln möchte, dem sei diese DVD wärmstens empfohlen. Und jetzt alle im Chor: „Lucky – bambam!“
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Lucky el Intrepido, D/ES 1966/1967, R: Jess Franco, D: Ray Danton, Barbara Bold, Dieter Eppler, Rosalba Neri, Teresa Gimpera, Beba Lonćar
Anbieter: Pidax