Im Sumpf des Grauens

Im Sumpf des Grauens

Von Matthias Künnecke

Es beginnt wie ein klassischer Psychothriller in Hitchcock-Manier: Joyce Webster leidet unter einem offensichtlich traumabedingten Gedächtnisverlust, ein ganzes Jahr fehlt in ihrer Erinnerung. Zwei Psychologen wollen herausfinden, was der jungen Frau zugestoßen und Ursache ihrer psychischen Blockade ist. Unter Hypnose beginnt sie zu erzählen. Was sich nun als Film unter dem schönen deutschen Titel „Im Sumpf des Grauens“ entspinnt, ist also faktisch eine einzige lange Rückblende (mit dem nicht unüblichen Schönheitsfehler, dass der Blickwinkel der Protagonistin schon recht bald verlassen wird).

SumpfGrauens_PackshotJoyces Geschichte beginnt zu Anfang der gemeinsamen Flitterwochen mit ihrem Ehemann Paul, der während einer Bahnfahrt ein geheimnisvolles Telegramm erhält und ohne jede Erklärung seiner Frau gegenüber allein den Zug verlässt. Joyce folgt seiner Spur, die sie letztendlich zu einer Plantagenvilla in den Bayou-Sümpfen von Louisianna führt, wo seltsame Dinge vor sich gehen. Der Wissenschaftler Dr. Sinclair arbeitet in der verlassenen Gegend an einer medizinischen Regenerationsformel, für deren Herstellung nicht nur atomares Material sondern auch Alligatoren benötigt werden, die praktischerweise in Massen um die Villa herum im Sumpf leben. Aber die Forschungen des Doktors scheinen nicht ohne Nebenwirkungen zu sein. Was verheimlichen er und seine Haushälterin, und wer ist die lichtscheue Gestalt im Trenchcoat, die sich des Nächtens bis in die Villa hinein traut?

SUMPF-04Der SF-Grusler THE FLY war 1958 ein großer Hit für 20th Century Fox, für das im Jahr darauf anstehende Sequel „Die Rückkehr der Fliege“ benötigte das Studio einen zweiten Film um das übliche Double-Feature-Format zu erfüllen und gab bei Produzent Jack Leewood „The Alligator People“ in Auftrag. Regisseur Roy Del Ruth, dessen letzter Film dies bleiben sollte, war in den Jahren zuvor bei Warner Bros. für eine ganze Reihe bedeutender Filme verantwortlich gewesen, Oscar-Preisträger Karl Struss an der Kamera bürgte für atmosphärische CinemaScope-Fotografie. Während hinter der Kamera also A-Movie-Personal wirkte, standen davor handelsübliche B-Movie-Darsteller: Hauptdarstellerin Beverly Garland kennt man aus diversen Monster-Filmen von THE NEANDERTHAL MAN (1953) bis hin zu Roger Cormans IT CONQUERED THE WORLD (1956). In frühen Corman-Werken war Garland besonders oft zu sehen, führte einige Zeit sogar eine Beziehung mit dem Regisseur, bevor sie sich später auf eine TV-Karriere verlegte. Das bei Genre-Fans wesentlich bekanntere Gesicht ist hier allerdings Lon Chaney Jr., Universals ursprünglicher Wolfsmensch, dessen Physis zum Zeitpunkt dieses Filmes allerdings durch seine Alkoholabhängigkeit bereits sichtlich angeschlagen war und dessen große Zeit und Hauptrollen-Status hinter ihm lag.

SUMPF-03In der an Genre-Perlen nicht eben raren „Galerie des Grauens“-Edition von Anolis Entertainment sind die neu synchronisierten Deutschlandpremieren als besondere Ereignisse zu werten. THE ALLIGATOR PEOPLE schaffte damals nicht den Sprung über den großen Teich zu uns und wurde auch nie im deutschen Fernsehen gezeigt. Daher wurde eigens eine deutsche Synchronisation in Auftrag gegeben, die als rundum gelungen bezeichnet werden darf. Ohne jede Retro-Spielerei wie künstliches Knistern trifft die Synchronisation allein durch stimmige Dialoge, hochwertige Gestaltung und seit Jahrzehnten bewährte Sprecher wie Christian Rode, Jochen Schröder, Bernd Vollbrecht und Gerald Paradies genau den richtigen Ton zum nostalgischen Bild.

Auch der deutsche Titel IM SUMPF DES GRAUENS ist gut überlegt gewählt, passt er doch besser zu den mysteriösen Geschehnissen des Filmes als der Originaltitel THE ALLIGATOR PEOPLE, der mehr Monster-Action verspricht als der Film hält, der erst in den letzten Minuten ein Monster entstehen und auch umgehend wieder untergehen lässt.

SUMPF-05An der Blu-ray/DVD-Edition von Anolis Entertainment gibt es wie immer nichts zu bemängeln. Das Bild kommt in 2.35:1/16:9 Format und absolut knackscharf daher, hin und wieder blitzen zwar winzige Verschmutzungen auf, dennoch muss man von einer sehr guten Restauration sprechen. Der Ton liegt auf Deutsch (Dolby Digital 2.0 Mono) und Englisch (Dolby Digital 2.0 Mono) vor, deutsche Untertitel sind optional zugeschaltbar. Die Extras bestehen aus dem wunderbar reißerischen amerikanischen Kinotrailer, der fast ausschließlich das dramatische Finale des Filmes kolportiert, einer ausführlichen Bildergalerie sowie gleich zwei Audiokommentaren. In dem mit Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Anolis-Mitarbeiter Ivo Scheloske kommt fast ausschließlich Giesen zu Wort, der hier mal wieder thematisch in seinem Element ist und viele Details zum Film, zu den Beteiligten aber auch zum weitgefassten Umfeld des Genres quasi aus dem Ärmel schüttelt. Im zweiten Kommentar sind der Synchronverantwortliche Bodo Traber, Monstrula-Macher Ingo Strecker und Alexander Iffländer zu hören und plaudern witzig wie kenntnisreich über viele Dinge, die im anderen Kommentar nicht zur Sprache kamen. Von Ingo Strecker stammt auch das der Edition beiliegende 16-seitige Booklet zum Film.

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The Alligator People, USA 1959, R: Roy Del Ruth, D: Beverly Garland, Bruce Bennett, Lon Chaney Jr., George MacReady u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment