Tracers

Tracers

Von Peter Clasen

Verlorene Teens in Manhattan als Personal eines Parkour-Teenieminikrimis um Überbringer oder Räuber von Umschlägen, die völlig wurscht sind. Star ist Taylor TWILIGHT Lautner, der seinen flauschigen Bart als Werwolf noch vermissen ließ, dafür jetzt in einer Weise zum Sprung ausholt, die keine Tricks mehr nötig macht…

tracers.2015.coverCam hat’s noch nie leicht gehabt: Seine Mutter ist tot, vom Vater hat er nur ein altes Auto, im Knast war er auch schon mal, und als Schuldner der chinesischen Mafia lebt es sich erst recht gefährlich. Als Fahrradkurier in New York kann er keine großen Sprünge machen – nur einen ziemlichen Crash hinlegen. Dabei stößt er mit dem Parkour-Mädel Nikki zusammen – und es ist für beide Liebe auf den ersten Blick. Doch die Schöne macht sich rar. Cam muss erst selbst die Kunst der flüssigen Bewegung zwischen Beton, Asphalt und Ziegel erlernen, ehe er bei Nikki den Hauch einer Chance hat. Dann jedoch nimmt er sogar ihre ganze Crew für sich ein! Da ist der blonde Dylan, der schwarze Tate, der rotblonde Jax – später noch Miller, der deutlich älter ist und die Kids mit Aufträgen versorgt. Ihr spezieller Service sind Transporte andersrum: nämlich „schnell und geräuschlos“ Beweismaterial verschwinden zu lassen – aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Cam, der ja nur Nikki gewinnen wollte, droht am Ende gar sein Leben zu verlieren…

Glaubt man zunächst, es ginge um einen sportlichen Wettstreit zwischen Cycling und Parkour (diesen Eindruck erweckt jedenfalls die Parallelmontage zu Filmbeginn), übernimmt bald voll und ganz die Faszination fürs Rennen, Jumpen, Klettern usw. Dabei verlagert sich der Focus vom Freizeitspaß zur angewandten Kriminalität – ohne dass diese von den Filmemachern ernsthafter Kritik ausgesetzt würde; die verbrecherischen Coups werden bis auf die letzten beiden sogar nur nebenbei angerissen. Eine moralische Auseinandersetzung entfällt damit. Stattdessen gibt es Teenieromantik auf dem Hochhausdach, Softsex am Treppengeländer und melancholische Gespräche über verlorene Eltern und heimliche Zukunftsträume.

tracers.2015.still2Immerhin hätte sich in Szenen wie diesen ein wenig Poesie entfalten können, und einmal ist der Film sogar knapp davor, so etwas wie urbanen Zauber zu verströmen, und zwar als Cam und Nikki über dem nächtlich funkelnden Manhattan kuscheln und erst im neblig-kalten Morgengrauen auseinandergehen. Eine kleine Überblendung hätte hier vielleicht sogar einen Moment der Transzendenz schaffen können, doch Kamera und Schnitt bleiben im Modus handgeführter Wackeligkeit und Zersplitterung der Eindrücke. Das muss wohl auch so sein, damit nicht weiter auffällt, wie limitiert die Künste der Darsteller sind.

Taylor Lautner bekommt das sogar sehr gut, „schauspielerisch“ ist er überzeugender als in ATEMLOS – GEFÄHRLICHE WAHRHEIT (2011), und beim Parkour macht er eine durchaus gute Figur (auch wenn er nicht die Wendigkeit und akrobatische Eleganz eines David Belle besitzt); „Nikki“ Marie Avgeropoulos dagegen wurde bei ihrer Action gedoubelt, welch eine Enttäuschung! Immerhin werden beide Figuren einigermaßen plastisch gezeichnet, alle anderen Streetkids bleiben Staffage, ihr Charakter ist nicht weiter gefragt. Dummerweise werden damit auch ihre Stunts beliebig und ihr Schicksal egal.

Mit ein wenig psychologischem Upgrading und ein paar Storyminuten mehr hätte TRACERS noch ein halbwegs spannendes Erlebnis werden können. Die thematischen Anlagen von Verführung, Missbrauch, Erkenntnis und Rebellion sind ja da, doch sie bleiben rudimentär, werden von Rooftop-Sprinten, MG-Salven, Autojagden usw. niedergedrückt. In der vorliegenden Form ist der Film wenig mehr als eine Sportschau, nur mit, äh, Schauspielern.

Erschienen im TV Spielfilm Blog

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Tracers, USA 2015 | Regie: Daniel Benmayor, Buch: Leslie Bohem, Matt Johnson, Kevin Lund, T.J. Scott | Mit: Taylor Lautner, Marie Avgeropoulos, Rafi Gavron, Adam Rayner, Johnny M. Wu, u.a. | Laufzeit: 94 Minuten, Verleih: Senator (Kinostart: 28.05.2015)