Honeymoon

Honeymoon

Von Alexander Karpisek

Die wunderbaren Melodramen von Douglas Sirk betonen eine merkwürdige Nähe zum Horrorfilm. Man denke nur an den Totentanz in THE TARNISHED ANGELS (1957), an die finster hereinstürzenden synästhetischen Koppelungen in IMITATION OF LIFE (1959). In seinen Fake-Happy-Endings bewegen sich abscheuliche Kreaturen, wie die körperaufzehrenden Rehe und Roboter in ALL THAT HEAVEN ALLOWS (1955) und THERE´S ALWAYS TOMORROW (1956). Das ist parasitäres Body-Snatching auf allen Ebenen und die finale Zersetzung im klebrigen Saft verführerischer Objekte und Lebewesen steht für den Neuanfang als Ende.

honeymoon.2014.coverDer Kitschexzess ist die List, wenn es optimal läuft. Dazu kann man seitenweise schwadronieren, aber man kann sich, wie bei HONEYMOON, nie sicher sein. Dort fahren Bea und Paul, ein junges, gesundes, attraktives und glückliches Paar, mit den noch frischen Erinnerungen an die Hochzeit in den Wald. Das Haus aus Beas Kindheit steht in der Nähe eines einsamen Sees. In diesem romantischen Ambiente wollen die beiden das Eheschließungsritual vollenden und dabei allein sein. Paul hat einen Kosenamen für seine Angebetete, er nennt sie ständig Honigbiene. Sie summt die Antworten.

Dieses brave Liebesgeplänkel in delikaten Bildern aus dem Jahr 2014 ist vorerst nicht auszuhalten. Man(n) kann der Regisseurin Leigh Janiak bei ihrem Spielfilmdebüt allerdings nicht anachronistische (Un)Anständigkeit vorwerfen. Die Zeit ist – wie wir wissen – aus den Fugen und eine schlichte Wiederholung ausrangierter Filmfigurationen kann ohnehin nicht mehr gelingen. Leigh Janiak vertraut aber nicht darauf, sondern verschweißt bereits im Drehbuch die verschiedenen Ungleichzeitigkeiten zu Gleichzeitigkeiten. Die entscheidenden Anpassungen kündigen sich in der Geschwindigkeit, mit der Beas Erinnerungen an ihre Beziehung verblassen, und einer Erscheinung an. Die frisch Verheirateten sind nämlich gar nicht allein. Beas Freund aus der Kindheit, ein männlicher Schatten, ist plötzlich im Bild und wird zum Vermittler einer ausgesprochen aggressiven Natur. Seine sich duckende Partnerin scheint es nicht leicht zu haben.

honeymoon.2014.stillDoch dieser und jeder andere Schein könnte trügen. Ob Bea wirklich vergisst wie man Kaffee macht oder sie sich einfach aus der Sprache der Dinge und alltäglichen Routine nimmt, ist die eine Frage. Ob der kraftlose See nicht gegen einen bleiernen Himmel ankämpft, ist die andere.

In der Nacht fällt ein Lichtbündel durch das Fenster und streift über Beas Gesicht. Sie spaziert in die Dunkelheit und macht von nun an nichts mehr was Paul gerne hätte, also auch kein Kind. Sex nach der Hochzeit wird zum Problem. Das rigid durchgesetzte Anti-Penetrationsregime ist allerdings nicht Gegenthese zu Cronenbergs Vereinigungsorgien in SHIVERS (1975). Zumindest diesbezüglich sorgt der endlose Wurm, der in einem Gewaltakt aus Beas blutender Vagina gezogen wird, für Klarheit.

Später vergisst Bea ihren Paul und Paul erkennt seine Honigbiene nicht mehr, was dasselbe bedeutet. Durch Verdrehungen stürzt Leigh Janiaks HONEYMOON seine Zuschauer mit voller Absicht in eine Unsicherheit, die noch nach dem Fake-Sad-Ending, also Real-Happy-Ending, weiterwirkt. Den verschiedenen Begehrlichkeiten (Melodram vs. Parasite-Horror) steht eine solche Perspektive nicht im Weg. Mir jedenfalls hat das alles sehr gut gefallen, und dass MAD DIMENSION die DVD des Films ohne erwähnenswerte Extras anbietet, tut nichts zur Sache.

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Honeymoon, USA 2014, Regie: Leigh Janiak, Buch: Leigh Janiak und Phil Graziadei, Mit: Rose Leslie, Harry Treadaway, Hanna Brown, Ben Huber

Anbieter: Mad Dimension