Kosmokiller - Sie fressen alles

Kosmokiller – Sie fressen alles

Von Guy Montag

Heutzutage, wo man sich jede noch so ferne Zauberwelt am Computer zusammenfriemeln, sich jeden noch so überlebensgroßen Monsterschlock digital herbeiprogrammieren kann, es für das blutigste Effektgeschmadder nur ein paar gewiefte Grafiker braucht, da ist es von der Begeisterung über einen gesehenen Kinofilm bis zum selbstgemachten Kurzfilm oft nur ein kurzer Weg. Doch damals ist nicht heute und KOSMOKILLER ist das pure, faszinierende und hemdsärmelige Gegenstück zu unserer gelackten, ‚unechten‘, mitunter emotionslosen Hochglanzästhetik der Neuzeit. Denn KOSMOKILLER ist – im Wortsinne – noch nicht entwurmt, hier ist noch ordentlich der Wurm drin … oder besser: die Würmer.

Im amerikanischen Hinterland, am Popocatépetl der friedlichen Einfamilienhausidylle wackelt in einer rotzverregneten Sommernacht ordentlich die Erde. Ein Meteorit geht in der Nähe nieder, unbemerkt zunächst. Anderntags beginnen riesige Killerwürmer – mit einem Gebiss, das jeden Dentaltechniker auf Jahre hinaus finanziell sehr auskömmlich leben lassen würde – sich durch die Bewohnerschaft eines verschlafenen Anwesens zu speisen. Ob frohgemute Liebespaare, neugierige Camper, schrullige Teetantchen oder forsche Halbwüchsige – die gefräßigen Würmer sind in der Aufstellung ihres Speiseplanes nicht wählerisch. Doch sie haben die Rechnung ohne den Wirt in Gestalt von Charles (Charles George Hildebrandt) gemacht, einen bebrillten Pubertären mit einer großen Affinität zu alten und neuen Monsterfilmen. Insofern steht der Junge im Stoff und weiß sich zu behelfen – und mit ein paar befreundeten Angehörigen beginnt er, der tödlichen Bedrohung aus dem All mehr als nur die Weisheitszähne zu ziehen.

Was machen Filmfans, wenn sie nach dem Genuss ihrer Lieblingsstreifen den unstillbaren Wunsch hegen, sich an etwas ähnlichem zu versuchen? Nun, heutzutage – wie eingangs erwähnt – watschelt man vielleicht an den PC und fängt an zu programmieren. Doch als Douglas McKeown und Produzent Ted A. Bohus – beide auf verschlungenen Pfaden in die Filmindustrie gelangt – sich 1982 mit der Idee trugen, mussten noch andere Wege gefunden werden. „Alles in Handarbeit“ hieß die Devise und so trommelte man für ein sehr, sehr übersichtliches Budget hochmotivierte Filmtechniker zusammen, drehte über einen langen Zeitraum – zumeist an den Wochenenden, da es sich bei den Schauspielern zum großen Teil um Laien handelte, die das Filmprojekt an den Wochenenden als Spaßvergnügen neben der eigentlichen Arbeit durchzogen – die einzelnen Szenen ab, die dann am Schneidetisch zu einem großen Ganzen zusammengeklebt wurden. Verbunden mit Filmmonstern, die noch völlig analog aus Drähten, Kabeln, Gummi, Glibber und Ketchupsoße zusammengeschraubt wurden, ergab sich ein launiges Filmchen, dass in seiner independenten Chuzpe bis heute Charme behalten hat, das zeigt, was echte Begeisterung auf die Beine zu stellen vermag, beweist, dass ein Haufen kreativer Menschen mit freudiger Energie filmisches Blendwerk von nonchalanter Kaputtheit bewerkstelligen kann.

KOSMOKILLERs Macher kleckern nicht, sie klotzen – mit marktschreierischem Wagemut hievten sie ihren Film bereits im Ankündigungstrailer in eine Reihe mit DIE DÄMONISCHEN/DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN und dem Kassen- und Kritikererfolg ALIEN. Nun ja, unvorsichtig betrachtet: mit den Genannten kann es KOSMOKILLER natürlich nicht aufnehmen … und das will er bei Lichte betrachtet auch gar nicht. Denn hier geht es weder darum, H.R. Giger ein Schnippchen zu schlagen noch Ridley Scott die Kunst der Spannungsdramaturgie erklären zu wollen, sondern den eigenen Monsterfilmlieblingen der Serialzeit, den Double-Bills der Autokinoära der 1950er Tribut zu zollen. Und in seiner radebrechenden Unverfrorenheit ist KOSMOKILLER auch heute noch ein echter Partyfilm, vorausgesetzt man hat eine Affinität zum Genre und der Kunst des unverhohlen Einfachen. Denn der Film ist Kino aus dem Bauch heraus, technisch versiert, doch limitiert – aber von herrlichem Indi-Charme, wie er wohl heute nicht oder kaum mehr zu erreichen ist.

Was einen Film wie KOSMOKILLER auch aus heutiger Sicht faszinierend werden lässt, scheint mir, dass es den Einkäufern der gerade aufstrebenden VHS-Kassetten ziemlich Banane schien, ob sie hier einen Hollywood-A-List-Film einkauften oder eine kleine Produktion am Dienstbotenausgang der Traumfabrik aufgabelten – die deutsche Bearbeitung machte keinen Unterschied. Für KOSMOKILLERS teutonische Synchro stiegen Granden wie Hans-Georg Panczak, Udo Wachtveitl, Alexander Allerson, Jochen Striebeck oder Til Kiwe in den Ring eines Münchner Tonstudios, chargierten, schnaubten, schrien und kreischten sich für fünf Mark pro Take die Seele aus dem Leib und verbrachten wohl angenehme Stunden in den düsteren Räumen jenseits des Englischen Gartens. Killerwürmer mit Festtagsdialogen, wo hat man das sonst gesehen?

Zum Glück ist in Zeiten der digitalen Wiederveröffentlichungen nun endlich Schluss mit zu dunklen VHSen und abgenudelten Super-8-Dreiaktern. KOSMOKILLER ist in mehreren Cover- und Ausstattungsvarianten erschienen, wobei man dem Mediabook nicht nur ein wundervolles Coverdesign angedeihen ließ, sondern den auf 16mm-Film open matte gedrehten Streifen in einer Pracht erleben kann, wie sie wahrscheinlich noch nie dagewesen ist – die Schneidwerkzeuge der extraterrestrischen Würmer waren wohl noch nie schärfer, eine exklusive Widescreen-Fassung, die im anamorphen 1,66:1-Format vorliegt, setzt es obendrein. Neben der erwähnten deutschen Synchronbearbeitung befindet sich englischer Originalton an Bord, was die Aufwertung für unsere Ohren deutlich werden lässt. Als Bonus finden sich ein hochgradig unterhaltsamer Audiokommentar von Produzent Ted A. Bohus & Editor Mark Harwood – die nie einen Hehl darauf machen, dass neben dem Geld verdienen auch der Spaß bei der ganzen Sache eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte – sowie Trailer & TV-Spots, lustige Probeaufnahmen in Schwarzweiß, ein gezeichnetes Comic-Preview, eine umfangreiche Bildergalerie, Behind the Scenes-Features sowie die Kurzdoku „Visit with the Deadly Spawn“. Dass es zu den Extras keine deutschen Untertitel gibt, sei als kleiner Kritikpunkt erwähnt, doch es ermutigt, sich in den angenehmen Slang der Urheber hineinzuhören.

Fantum, Kino aus Leidenschaft, gemacht mit dem, was gerade geht, KOSMOKILLER lässt alte Zeiten hochleben. Schön, dass die Würmer auch im digitalen Zeitalter gelandet sind. Nicht nur Pflichtprogramm für jedes Zahnarztwartezimmer– der knackfrische Biss ist garantiert.

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The Deadly Spawn | USA 1983 | Regie: Douglas McKeown | Darsteller: Charles George Hildebrandt, Tom DeFranco, Richard Lee Porter, Jean Tafler, Karen Tighe, James L. Brewster u.a.

Anbieter: CMV Laservision