The Witch next Door

The Witch next Door

Von Oliver Schäfer

Der siebzehnjährige Ben (John-Paul Howard – HELL OR HIGH WATER) hatte schon bessere Tage. Seine Eltern stecken mitten in der Scheidung und er selbst muss sich mit einem gebrochenen Arm herumschlagen, nachdem er bei einem missglückten Medikamentendiebstahl auf der Flucht aus einem Fenster springen musste. Um weiterem Ärger aus dem Weg zu gehen, soll er seine Ferien bei seinem Vater Liam (Jamison Jones – TRUE DETECTIVE) verbringen, der im Jachthafen eines kleinen Küstenortes arbeitet. Zwar schikanieren ihn dort einige reiche Jugendliche bei seiner einarmigen Arbeit, aber er lernt dort auch seine hübsche Kollegin Mallory (Piper Curda) kennen, mit der er viel Zeit verbringt und die einem Flirt nicht abgeneigt ist.
Der Sommer könnte also ziemlich unbeschwert verlaufen, wären da nicht seine Nachbarn, die sich täglich merkwürdiger benehmen, ohne dass es irgendjemand außer Ben auffällt. Zuerst legt Mutter Abbie ein sonderbares Verhalten an den Tag, dann verschwindet der kleine Sohn und zur Krönung des Ganzen streiten beide Elternteile auch noch ab, überhaupt Kinder zu haben. Sein Vater ist auch keine Hilfe, also macht Ben sich mit Mallorys Unterstützung selbst an die Ermittlungen. Das bleibt nicht ohne Folgen, denn im Nachbarhaus hat eine Hexe das Kommando übernommen, die nun Bens Familie ins Visier nimmt.
THE VVITCH, GRETEL & HÄNSEL, DER HEXENCLUB, HEXEN HEXEN, PENNY DREADFUL, MALEFICENT, HAGAZUSSA, A DISCOVERY OF WITCHES – die Liste an Hexenfilmen und -serien ist schier endlos. Und sowohl für Hollywood, als auch für Filmfans scheint das Thema weiterhin interessant zu sein, denn mit THE WITCH NEXT DOOR kommt eine weitere, ziemlich gut gelungene Variante daher. Die Regiebrüder Drew und Brett Pierce haben eine zwar für Kenner nicht sonderlich gruselige, dafür aber spannende und sympathische Hexensause gedreht, die für 95 Minuten sehr kurzweilig unterhält. Zudem haben die offensichtlich filmbegeisterten Brüder ihren Film an vielen Stellen mit liebevollen Zitaten der Filmgeschichte gespickt, die von REAR WINDOW und DISTURBIA, über ALIENS, FRIGHT NIGHT und GOONIES bis zu JAWS reichen, ohne dass sie plump im Vordergrund stehen.
Gäbe es keine Mobiltelefone, könnte der Film auch problemlos in den 1980ern spielen, was sicher auch dem schmalen Budget von knapp 70.000 Dollar geschuldet ist. Und so arbeitet das Regieduo hier eher mit Licht und Schatten, praktischen Effekten und einem knackigen Sounddesign, statt CGI-Orgien abzufackeln. Dabei beweisen sie ein gutes Händchen für unheimliche Stimmung, erzählen ansonsten aber ihre einfache Geschichte ohne überflüssigen Ballast. Natürlich kommt man bei einer solchen Geschichte nicht um den einen oder anderen Jump scare herum, aber so wie die Blut und Effektszenen sind auch sie sparsam und effektiv eingesetzt. Und im letzten Drittel gibt es dann auch noch eine handfeste Überraschung, die den bisherigen Blick auf die Geschichte verändert. Getragen wird die Geschichte von den beiden Hauptdarstellern John-Paul Howard und Piper Curda, die glaubhaft wie normale Jugendliche daherkommen. Darstellerische Höchstleistungen werden hier ansonsten niemandem abverlangt, aber alle Rollen sind kompetent besetzt.
Aus ihrem kleinen Budget haben die Pierce-Brüder so ziemlich alles herausgeholt, was möglich war und haben mit THE WITCH NEXT DOOR einen überzeugenden, klassischen Horrorfilm abgeliefert, der mit Einfallsreichtum, sympathischen Darstellern, gutem Tempo und viel Liebe zum Detail punktet.

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The Wretched | USA 2019 | Regie: Brett Pierce | Darsteller: John-Paul Howard, Piper Curda, Jamison Jones, Azie Tesfai, Zarah Mahler, Kevin Bigley, Richard Ellis u.a.

Anbieter: Koch Media