Frankenstein schuf ein Weib

Frankenstein schuf ein Weib

Von Marco Geßner

Halbzeit im Frankenstein-Hammer-Zyklus. Zeit für etwas Frauen-Power. Im vierten Eintrag der siebenteiligen Reihe darf Baron Frankenstein diesmal die junge Christina wiederbeleben und den zuvor transformierten Geist ihres Geliebten Hans gleich mit dazu geben. Fortan ist die Gute ein seelisches Zwitterwesen, denn immer wieder übernimmt die Rachsucht des zu Unrecht geköpften Liebhabers die Kontrolle über sie. Dabei hätte die Dame auch so allen Grund, ziemlichen Brass auf die drei Unholde zu haben, die in Wirklichkeit den Mord an Christinas Vater begannen haben, für den Hans Bekanntschaft mit dem Fallbeil machte. Auch der deutsche Titel ist durchaus aufschlussreich, da es auch 1967 sicherlich wohlwollendere Übersetzungen für das Wort „woman“ gegeben haben dürfte. Unüblich puzzelt sich der Baron auch kein Wesen aus Einzelteilen zusammen. Das ist in den Vorgängerfilmen immer gewaltig schief gegangen, also wird es Zeit für einen neuen Ansatz der „Seelenwanderung“. Dies ist ein spannender, auch philosophischer Gedanke: Die Ansichten der getrennten oder vereinten Existenz von Körper und Geist und wie beide einander bedingen und sich im Todesfalle verhalten.
Lässt man sich auf die Prämisse des Films ein, so wird man mit einer spannenden und dramaturgisch konsequenten Geschichte belohnt, die aber gerade im letzten Drittel einiges an Potential verschenkt. In der ersten Stunde erzählt FRANKENSTEIN CREATED WOMAN wirkungsvoll und stimmig von den zwei Liebenden und deren tragischem Ende. Themen wie Sippenhaft, Ausgrenzung und die Amoralität der oberen Hälfte werden hier verhandelt. Erst im Schlussakt übernehmen die klassischen Regeln des Horrorfilms die Geschehnisse, darf die Frau zum Racheengel werden und der Baron ein weiteres Mal mit seinem Experiment scheitern. Gerade die Figur der Christina böte hier Potenzial, mehr über ihr Wesen zu erfahren. Ist sie nur noch ein Körper in dem sich nun die Seele von Hans befindet? Ist es also Hans im Körper von Christina? Oder ist etwas von Christinas eigenem Ich noch in ihr? Wie lebt es sich mit dem begreifenden Wissen ob der Hintergründe für ihre „Wiederauferstehung“? Hier wäre etwas mehr charakterliche Tiefe für die offensichtliche Zerrissenheit von Christina/Hans wünschenswert gewesen. In der lediglich fragmentarischen Ausleuchtung dieser Umstände wird sie doch eher zur stereotyp angelegten Rächerin degradiert. Vielleicht wäre eine tiefere Beschäftigung mit Christinas Psyche wohl auch zu heftiger Tobak für die damalige Zeit gewesen. So dienen die ausführlich geschilderten Umstände des tragischen Ablebens der beiden Liebenden dem Film vor allem dazu, die spätere Rache zu legitimieren und somit für klassischen Horror-Kintopp zu sorgen. Auch die Einfälle, dass Christina mit Hans kommuniziert und sogar mit seiner Stimme spricht, ist eher Ausdruck das Gruselpotential zu erhöhen als die Logik der Frankensteinschen Theorie zu untermauern.
Ansonsten gilt die Qualitätsformel Hammer, Fisher, Cushing: Da weiß der geneigte Zuschauende, was Sache ist. Die Sets und Inszenierung sind stimmig, Peter Cushing als Baron Frankenstein geht erneut in seiner Paraderolle auf. Obwohl mit gelegentlich menschlichen Zügen ausgestattet, ist doch klar, dass er um der Forschung Willen erneut ethische Dünkel hinter sich lassen wird. Insoweit ist Frankenstein nur soweit menschlich, als es sein nüchterner, sachlicher Verstand zulässt. Alles darüber Hinausgehende wird vom Soziopathen in ihm geschluckt. Er widmet sein Leben und seine Energie dem Wunsch, den Tod zu besiegen. Das ewige Leben als Krönung seiner Arbeit zu erreichen… Jedoch kann er mit seinen Mitmenschen eigentlich überhaupt nichts anfangen. Sie sind lediglich Werkzeuge für seine Forschungen und Experimente. Doktor Hertz ersetzt ihm seine verbrannten Hände. Auch sein Gehilfe Hans ist trotz der durchaus positiven Worte, die er für ihn vor Gericht findet, nurmehr eine unverhoffte Chance, als er zum Tode verurteilt wird.
So reiht sich FRANKENSTEIN CREATED WOMAN in die gelungenen Hammer-Horrorfilme und die liebevoll kuratierte Hammer-Anolis-Reihe ein. Bild- und Tonqualität sind ohne Zweifel erhaben. Auf der Extraseite finden sich gleich zwei Audiokommentare von Rolf Giesen und Gerd Naumann sowie von Uwe Sommerlad und Volker Kronz. Des Weiteren gibt es Featuretten, Interviews, Trailer, Spots, Werberatschläge und für die Mediabook-Editionen noch ein Booklet, wie immer kompetent von Uwe Sommerlad verfasst.

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Frankenstein created Woman | GB 1967 | Regie: Terence Fisher | Darsteller: Peter Cushing, Susan Denberg, Robert Morris u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment